Die andere Seite von Rom

Self Made Urbanism, Eine Ausstellung in Berlin widmet sich der informell errichteten Siedlungen in der italienischen Hauptstadt

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Von Rom sind den meisten nur die Tourismusattraktionen bekannt. Einen völlig anderen Blick auf die italienische Hauptstadt liefert die Ausstellung Self Made Urbanismus, die in der Neue Gesellschaft für bildende Kunst (ngbk). Zu den Beteiligten Künstler_innen gehören Sabine Bitter, Helmut Weber, Giuseppe Ferrara, Joel Sternfeld und Tobias Zielony.

Mit zahlreichen Videos, Hörspielen und Informationstafeln widmen sich den informellen Siedlungen, die auf etwa einen Drittel der Fläche Roms ohne staatliche Genehmigung und ohne Anbindung an die städtische Infrastruktur errichtet wurden. Mehre Installationen thematisieren den Umgang mit den Roma, die aus der römischen Innenstadt in schwer bewachte Lager am Stadtrand vertrieben werden. Besonders gelungen ist die Verbindung von urbanen Kämpfen mit Dokumenten aus der italienischen Kunstgeschichte. So dokumentiert Sandra Schäfer der Entwicklung der faschistischen Stadtpolitik an Hand von Filmbeispielen von Pier Paolo Pasolini. Dort wird gezeigt, wie die Siedlungsstruktur der von Erwerbslosen errichteten Dörfer in den römischen Sümpfen bei den Kolonialbaute in Lybien und Äthiopien Anwendung finden. Ein informativer Katalog über die Verknüpfung von römischen Stadtteilkämpfen mit progressiver Filmkunst kann bei der Ausstellung erworben werden.

Selbstorganisation neoliberal gewendet

Eine Stärke der Ausstellung ist der kritische Blick auf die unterschiedlichen Formen der Selbstorganisation in den Stadtteilen. Die Bewohner_innen von Valle Borghesiana haben sich durch ihre Selbstorganisierung wesentliche Mitbestimmungsrechte erkämpft. Allerdings wird im auch erwähnt, dass eine Gesamtplanung für die gesamte Stadt fehlt. So bleiben die selbstorganisierten Stadtteilprojekte Inseln in Rom, wenn die Anbindung fehlt. Im Katalog schreibt Carlo Cellamare: „Viele denken, dass Selbstorganisation eine Lösung für die Probleme der Stadtregierung und des Stadtgebiets darstellt. Wenn das wahr wäre, könnte es auf der anderen Seite eine Möglichkeit für die Mitwirkung der Bewohner bei der Mitwirkung der Gestaltung des Gemeinwesens sein, eine Öffnung hin zu Selbstbestimmung und Demokratisierung von Entscheidungsprozessen. Auf der anderen Seite entspringt Selbstorganisation häufig der Unfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, Probleme anzugehen.“ Der Autor sieht auch Schnittstellung zwischen Selbstorganisierung und einem neoliberalen Regime. „Ist eine Gesellschaft neoliberal ausgerichtet, so neigen die „Städter“ des Selbsthilfekontextes hingegen oft dazu, sich der Eigentümerlogik bzw. privaten Logik zu orientieren und das private Interesse vor dem der Allgemeinheit zu verteidigen“. Ein Beispiel für eine Besetzung, die sich gegen den Neoliberalismus richtet, ist das Teatro Valle (http://www.teatrovalleoccupato.it/) im Zentrum Rom, das internationale Aufmerksamkeit nicht nur der Kunstwelt erhält.

Die Vertreibung Roma der aus der Innenstadt von Rom

Die migrantischen Besetzer der ehemaligen Teigwarenfabrik Pantanelli hatten nie die Chance, in solche neoliberale Praktiken einbezogen zu werden. Sie wurden nach 8 Monaten geräumt. Mehrere Installationen drehen sich um die Räumung von Romalager Das Romalager Casinolino wurde mit der Begründung geräumt, dass ein öffentlicher Park mit angelegt werden soll, die die dortigen archäologischen Funde einschließen sollte. Heute ist der Platz kahl und verödet. Die Roma wurden in völlig überwachte Lager außerhalb der Stadt gebracht. Dafür gibt es mittlerweile rund um das neue Lager ein Netzwerk von Sozialdiensten, die viel Geld verschlingen, von dem die Roma nicht profitieren. So gehört Self Made Urbanism Rome zu einer der Ausstellungen, die nicht nur einen gesellschaftskritischen Anspruch haben sondern ihn auch einlösen.


Peter Nowak

SELF MADE URBANISM ROME

S.M.U.R.

Informal Common Grounds

of a Metropolitan Area

14. September - 3. November 2013 /// Eröffnung: 13. September, 19.00

neue Gesellschaft für bildende Kunst

nGbK: Oranienstr.25 | D-10999 Berlin |

täglich 12-19, Do-Sa 12-20

Künstler_innen:

Sabine Bitter / Helmut Weber

Giuseppe Ferrara

Maria Iorio / Raphaël Cuomo

Stefano Montesi

Rena Rädle / Vladan Jeremić

Klaus Schafler

Sandra Schäfer

Alexander Schellow

Joel Sternfeld

Tobias Zielony

S.M.U.R. key visual: Markus Weisbeck

kuratorisches Team:

Jochen Becker, Carlo Cellamare, Christian Hanussek, Antonella Perin, Susanna Perin mit Alessandro Lanzetta

in Kooperation mit metroZones – Center for Urban Affairs (Berlin), SMU-research (Rom/Aarau)

Finanziert mit Mitteln der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin

unterstützt durch Pro Helvetia, Schweizer Kulturstiftung, Goethe-Institut Rom, Istituto Italiano di Cultura Berlino

events:

14.9. / nGbK / 15.00:

Meet the Artists – Führung durch die Ausstellung

15.9. / nGbK / 19.00:

Roma International mit Nihad Nino Pušija & Stefano Montesi

16.9. / Gemeinschaftsraum R50 (Ritterstr.50, Berlin-Kreuzberg) / 20.00:

Commons Grounds – New Publics mit Carlo Cellamare & Francesco Macarone Palmieri, u.a.m.

18.9. / nGbK / 18.00:

Grand Tour – rivisitato mit Sandra Schäfer, Alexander Schellow & Tobias Zielony (im Rahmen der Berlin Art Week)

9. Oktober / nGbK / 20.00:

Pasolini & Late Modernism mit Maria Iorio & Raphaël Cuomo, Tobias Hering

19.10. / nGbK / 20.00:

Pasolini & Autogestione mit Klaus Ronneberger & Helmut Weber

S.M.U.R. guide:

http://smur.eu/site/assets/files/1227/smur_guide_web.pdf

http://ngbk.de/development/index.php?option=com_content&view=category&layout=blog&id=130&Itemid=303&lang=de&template=ngbkberlinmelior

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Geschrieben von

Peter Nowak

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