"Die Arbeitsbelastung steigt kontinuierlich"

Interview - Amazonkurier Hier ein Interview mit einen ein Amazon-Kurierfahrer über seine Arbeitsbedingungen und den Druck, den alle Beschäftigten in dem Konzern ausgesetzt sind.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Heute streikten Amazon-Beschäftigte in mehreren Städten. Das außerbetriebliche Bündnis "Make Amazon Pay" (https://makeamazonpay.org/) unterstütze sie. Für künftige Arbeitskämpfe wäre es auch interessant, die Amazon-Kurierfahrer_innen mit den Arbeitskampf einzubeziehen. Schließlich hat sich vor einigen Monaten mit der Deliverunion (https://deliverunion.fau.org ) eine basisgewerkschaftliche Organisierung bei den Kurier_innen gegründet. Dieses Interview gibt einen Einblick in die Arbeitsbedingungen der Amazon-Kuriere und könnte vielleicht auch Aufschluss geben, an welchen Punkten Ansätze einer Kooperation im Arbeitskampf denkbar wären.

Um wie viel Uhr stehst du morgens auf, um zur Arbeit zu gehen?

Wenn ich Frühschicht habe, stehe ich um 6.20 Uhr auf, denn muss ich mit der U-Bahn etwa eine Stunde fahren und um 8.30 Uhr bei der Arbeit sein.

Wie lange arbeitest du in einer Schicht?

Eine Arbeitsschicht dauert 9 Stunden, Frühschichten laufen zum Beispiel von 8.30 bis 17.30 Uhr. Früher war der Schichtbeginn etwa flexibler, man durfte sich auch um 8.15 Uhr eintragen und dann um 17.15 Uhr Schichtwechseln haben. Jetzt ist die Eintragung nur nach festgelegtem Zeitplan möglich. Eintragen muss man sich immer auf einem Tablet. Das scheint „smart“ und einfach zu sein. Doch man hat jeden Tag mit der Sicherheitsdienst des Lagers zu tun: Egal, ob man spät ist, oft lassen sie uns nicht schnell rein. Außerdem sollte es eine 30-Minuten-Pause geben. Wegen der hohen Arbeitsbelastung reicht sie aber nie aus, um sich zu erholen.

Sind Arbeitsschichten immer fest?

Nein, sie werden uns jede Woche per E-Mail kommuniziert.

Haben Auto- und Fahrradkuriere Kontakte mit Amazon-Arbeitern im Lager?

Kontakte sind deutlich verhindert, da Lieferanten und Amazon-Beschäftigte in verschiedenen Gebäuden arbeiten. Während die Lieferung Subunternehmern übertragen wird, wird die Warenverpackung von Dienstleistungsfirmen betreut. Das ermöglicht Amazon, auf Subunternehmer sowie Dienstleistungsfirmen Druck auszuüben. Aufträge werden nämlich von Amazon nach Leistungskriterien erteilt.

Die permanente Kontrolle am Arbeitsplatz bei Amazon hat für Schlagzeile gesorgt. Durch GPS-System und Kameras seien Beschäftigte ständig überwacht. Sieht das bei Kurieren ähnlich aus?

Vor allem werden bei uns Dienstfahrzeuge durch GPS verortet. Aber Lokalisierungen können auch durch Firmenhandy stattfinden. Damit habe ich persönlich kein Problem bekommen. Doch einigen Kollegen wurde es zum Beispiel vorgeworfen, sich während der Lieferung zu lang angehalten zu haben. Es handelte sich um keine Pause, sondern einfach um einen Halt.

Bekommst du von der Firma irgendwelche Fahrpreisermäßigung?

Keine, obwohl ich mehrere Stunden meines Lebens verschwende, um zur Arbeit zu gehen. Hinzu kommt, dass Dienstfahrzeuge von der Firma nicht privat zur Verfügung gestellt sind. Eigentlich nutzt man bei der Lieferung immer unterschiedliche Fahrzeuge. Die müssen vor der Lieferung ständig kontrolliert werden. Nicht nur Benzin oder Wasser könnten alle sein, sondern das Fahrzeug könnte zum Beispiel beschädigt sein. Im Fall eines beschädigten Fahrzeuges hat nämlich der Kurier selbst den Schadenersatz zu tragen, Geld wird direkt von der Lohnabrechnung abgezogen. Schadenersatzansprüche sind manchmal gegen Kuriere willkürlich und als Bestrafung geltend gemacht worden.

Wirst du nie am Arbeitsplatz gemobbt, beleidigt oder bedroht?

Zum Glück habe ich bei der Arbeit weder Mobbing erlebt noch Drohungen erlitten. Bei einer Dienstleistungsfirma zu arbeiten, heißt es trotzdem, täglich unter Druck zu sein, um die erwarteten Resultate innerhalb einer bestimmten Zeit zu erreichen. Für die Firma sind Leistungen wichtiger als unsere Sicherheit. Stellt ihr vor, jeden Tag in verschiedenen Teilen der Stadt liefern zu müssen. Mit GPS-System und Mühe kann man es schaffen, es ist trotzdem sehr hart. Oft funktioniert das GPS nicht, und wir haben zwischen 110 und 170 Lieferungen zu machen. Die Arbeitsorganisation der Logistik bleibt in den Händen des IT-Sektors bzw. von Leuten, die irgendwo in einem Büro sitzen und praktisch die Arbeit nicht kennen. Die sind gute Technokraten, die nur daran Interesse haben, dass im Algorithmus Nummern mit Resultaten übereinstimmen. Außerdem sind wir oft wegen Fehler im System dazu gezwungen, stundenlang im Lager zu warten. Nach Hause geschickt zu werden, obwohl man arbeiten müsste, gehört es zur unseren Normalität. Das gilt im Lieferdienst nicht als Mobbing. Man geht zur Arbeit und muss entweder da als „Reserve“ bleiben, falls jemand von der Arbeit fernbleibt, oder nach Hause zurückfahren.

Wie viel verdienst du in Monat?

Als Angestellte von einem Amazon-Subunternehmer beträgt das brutto Gehalt etwa 10 € die Stunde. Als Single, der in die Lohnsteuerklasse I fällt, wird es dann netto etwa 8€.Monatlich macht es 1200-1300 €. Entsprechen die Leistungen dem Produktivitätsstandard der Firma, kann man 11€ die Stunde bekommen.

Ist es genug zum Leben?

Es hängt vom Lebensstandard ab. Trotz Miete und Monatskarte reicht ́s mir. Doch eine gute Frage wäre es, ob das Gehalt der Arbeitsbelastung angemessen ist. Denn die Arbeitsbelastung steigt kontinuierlich, das Gehalt aber nicht. Wer mehr verdienen will, der muss Überstunden machen. Dadurch erhört sich auch der Steuerersatz: man arbeitet 10 Stunden länger und verdient dann netto 40-50€. Pro Arbeiter erhält hingegen die Firma täglich von Amazon 100-150€. Die sind diejenigen, die immer gewinnen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden