Her mit dem schönen Leben

Die große Klassenrevue Vor 99 Jahren hat Erwin Pisactor mit der Revue Roter Rummel in Berlin Erfolge. Daran knüpft Christiane Rösinger im HAU im Jahr 2023 an. Kann das gut gehen?

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Es wird wieder über Klassenkampf geredet im Theater und nicht immer über den neumodischen Klassismus, der ja nur besagt, dass die Armen auch Respekt verdient haben. Aber vom Erbe wollen die Bürgerkinder trotzdem nichts abgeben. Über solche und viele andere Themen geht es in der großen Klassenrevue, die von Christiane Rösinger im Hebbel am Ufer zwei Stunden recht kurzweilig aufgeführt wurde. Für die Kurzweil hat auch Minh Duc Pham gesorgt, der als Konferenzier ein Highlight des Abends war. Christiane Rösinger ist schon eine Garantie dafür, dass es nicht beim radikal chic auf der Bühne bleibt. Ihr Song „Wer geht putzen, wer wird Millionär?“ wird schon längst auf vielen Protestveranstaltungen von Lohnabhängigen und Mieter*innen gespielt. Und Christiane Rösinger moderierte vor 2 Jahren im Festsaal Kreuzberg sehr engagiert eine Veranstaltung der Initiative " Deutsche Wohnen und Co. enteignen". Das war in einer Zeit, als viele noch die Hoffnung hatten, mit der Enteignung von Wohnkonzernen zumindest einige kleine Reformen zugunsten der Mieter*innen in Berlin durchzusetzen. Zwei Jahre später sind wir schlauer, das Kapital und seine Apparate setzen sich über einen mit großer Mehrheit von der Bevölkerung angenommenen Volksentscheid hinweg. Wenn der Profit bedroht ist, ignoriert das Kapital nicht nur die sonst so hochgepriesene Demokratie sondern geht auch über Leichen, wie der Putsch vor 50 Jahren in Chile zeigt. Man hat schon den Eindruck ,dass auch etwas von diesen bitteren Lektionen über die Kapitalverhältnisse in die große Revue eingeflossen ist. Fast schon am Ende sagt Rösinger sinngemäß, das Kapital wird seine Privilegien nicht freiwillig hergeben.

Nur was folgt daraus?

Man hat den Eindruck, in der Revue wird zunächst ein reformistischer Ausweg genannt, mit dem Lied auf die Umverteilung. Auf den Vorhang werden Zahlen über die hiesigen Erbschaftsverhältnisse geworden und einige Autor*innen wie Thomas Piketty benannt, die Reformen anmahnen. Dann treten die Schauspieler*innen ab und um gleich noch mal auf die Bühne zu kommen. Nach einer etwas unverständlichen Bremer Stadtmusikanten-Einlage wird dann der revolutionäre Ausweg auf die Bühne. Eine Barrikade wird aufgebaut, die rote Fahne geschenkt und auf den Videos tobt ein Aufstand gegen die Symbole des Kapitals. Doch dann hat es den Eindruck, die Mim*innen bekommen Angst vor ihrer eigenen Courage und noch einmal wird die Umverteilungshymne angestimmt. Die Revue stimmt ein auf den Kampf für den Kommunismus, obwohl das K-Wort kein einziges Mal an dem Abend, dafür wird es sehr gut mit das „schöne Leben“ umschrieben. Damit sind sie in guter Tradition, haben dsoch schon die streikenden Arbeiterinnen vor mehr als 100 Jahren gesungen: "Her mit dem schönen Leben - Brot und Rosen. Es wurde die Hymne der proletarischen Frauenbewegung. Dass ist Tradition, die auch linke Künstler*innen heute gerne wieder aufnehmen können . Schließlich wird in der Ankündigung Rösingers Klassenrevue in eine Reihe gestellt, mit mit der „Revue Roter Rummel“, mit der Erwin Piscator 1924 in Berlin Erfolge feierte. Damals gab es auch noch große kommunistische Organisationen, die zumindest den Anspruch hatten, die Revolution vorzubereiten. Heute glauben selbst viele Linke, dass die Arbeiterklasse ein Ding aus dem letzten Jahrhundert ist. In einer der stärksten Szenen in der Revue wird dieses Märchen mit viel Humoer zurückgewiesen. Da wird aufgezählt, wieviele proletarische Berufe, von der Care-Arbeiterin, die Busfahrerin bis zum Essenslieferanten es heute in einer Gesellschaft schuften müssen, die angeblich keine Arbeiter*innenklasse mehr kennt.

Ein Stück, das Mut auf Revolution macht

Natürlich gab es auch schwächere Szenen. Dazu gehörte der Versuch, SPD und Willy Brandt das Lob anzuheften, die Bildung in die Arbeiter*innenklasse erweitert zu haben. Da wurde dann noch der Sputnik-Schock mit eingearbeitet aber nicht erwähnt, dass das Kapital seit den frühen 1960er Jahren vor der deutschen Bildungskatastrophe und grundlegende Reformen anmahnten. Das war der Hintergrund des Ausbaus der Universitäten in den 1960er Jahren, in die jetzt auch Kinder von Arbeiter*innen einbezogen waren und nicht der gute Wille der SPD. Gänzlich verunglückt ist die Szene, wo man den Anspruch erhob, was zum Bildungssystem in der DDR auf der Bühne zu sagen. Da bleib es dann leider doch bei Klischees, die auch noch besonders laut beklatscht wurde. Dabei hätte man doch nach soviel Lob der SPD für die westdeutsche Bildungsreform auch mal der SED danke sagen können, für ihren Kampf gegen das bürgerliche Bildungsprivileg. Noch heute bezeichnen sich manche als Opfer der DDR-Diktatur, weil sie wegen ihrer bürgerlichen Herkunft nicht studieren durften. Wenn hingegen Kinder in aller Welt wegen ihrer Herkunft aus dem Proletariat nie an eine Studium denken können, dann ist das natürlich keinesfalls Diktatur, dann sind es einfach die Verhältnisse. Dass die aber kein Naturgesetz sind sondern veränderbar, auch davon wird in der Revue geredet und gesungen Sie macht Mut, man möchte am besten sofort vor dem Theater mit großen Revolution beginnen. Ein Theaterabend, der Mut macht also.

Die große Klassenrevue wurde am Sonntag vorerst zum letzten Mal aufgeführt.

Hier sei noch mal das Team genannt, das sie auf die Bühne gebracht hat:

Idee, Text und Komposition: Christiane Rösinger / Regie: Meike Schmitz, Christiane Rösinger / Ko-Komposition: Paul Pötsch /Musikalische Leitung: Laura Landergott, Paul Pötsch / Band: Laura Landergott, Paul Pötsch, Albertine Sarges / Performance: Sila Davulcu, Doreen Kutzke, Paula Irmschler, Julie Miess, Minh Duc Pham, Christiane Rösinger, Stefanie Sargnagel, Andreas Schwarz / Bühne: Marlene Lockemann, Sina Manthey / Kostüm: Svenja Gassen / Maske: Thomas Korn & Juli Schulz / Video und Live-Kamera: Kathrin Krottenthaler /Choreografie: Rúben Nsue / Lichtdesign: Hans Leser / Mitarbeit Regie: Stella Nikisch / Mitarbeit Bühne: Rosina Zeus / Mitarbeit Kostüm: Katharina Achterkamp, Aleix Ilusa / Mitarbeit Dramaturgie und Produktion: Lisa Homburger / Assistenz Choreografie: Sara Fernández / Übersetzung: Lyz Pfister / Einrichtung und Operating Übertitel: Andrew Clarke (Panthea) / Künstlerische Beratung: Aenne Quiñones (HAU) / Technische Leitung: Amina Nouns (HAU) /Produktionsleitung: Chiara Galesi (HAU)

Doch die Programmreihe zu Klassenverhältnissen unter dem Motto "Wem gehört die Welt?" wird am Hebbel am Ufer fortgesetzt.

https://www.hebbel-am-ufer.de/programm/festivals-projekte/wem-gehoert-die-welt

Im Einladungsflyer führt Bafto Sarbo sehr gut in die Thematik ein und gibt einen Überblick über einen Klassenbegriff der freministische udn antirassistische Kämpfe nicht ausschließt. Hier ein wichtiger Absatz aus ihren Text "Ein Potential für Klassenkämpfe"

"In den vergangenen Jahren wurden Überschriften wie "Klassenpolitik vs Identitätspolitik" beide Bereiche gegeneinander ausgespielt. Es reicht allerdings nicht aus, darauf zu bestehen, dass alle Diskriminierungsformen gleichermaßen bedeutsam sind Klasse als weiteren Identitätsmarker neben Rassismus und Patriarchat aufzuzählen, wie in es in Klassismusdebatten häufig der Fall ist, greift zu kurz. Klasse hingegen im Kontextvon Arbeitsteilung und Eigentumsbeziehungen zu verstehen, bedeutet, auch ,dass wir sehen können. welches Potential feministische, queere und antirassistische Kämpfe im Kapitalismus haben"

Bafto Sarbo

Die streikenden Frauen in aller Welt haben das gleiche vor über 100 Jahren in dem Song" Brot und Rosen" so ausgedrückt:

Wenn wir zusammen gehen, gehen unsre Toten mit.

ihr unerhörter Schrei nach Brot schreit auch durch unser Lied.

Sie hatten für die Schönheit, Liebe, Kunst, - erschöpft - nie Ruh.

Drum kämpfen wir um’s Brot und wollen die Rosen dazu.

Wenn wir zusammen gehen, kommt mit uns ein bessrer Tag.

Die Frauen, die sich wehren, wehren aller Menschen Plag.

Zu Ende sei: dass kleine Leute schuften für die Großen.

Her mit dem ganzen Leben: Brot und Rosen! Brot und Rosen!“

Strophe aus dem Song Brot und Rosen

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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