Die Koffer im Vernichtungslager

nach Auschwitz Der Film von Jan Sobotka regt zu Diskussionen an und widmet sich einen Elemnt in der Gedenkortpflege, das immer wichtiger wird.

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70 Jahre nach der Befreiung des Vernichtungslagers Auschwitz durch die Rote Armee wird überall diskutiert, wie der Zivilisationsbruch der deutschen Mörderbanden der Nachwelt dargestellt werden kann, wenn die letzten Überlebenden gestorben sind. Der Filmemacher Jan Sobotka gab mit seinen 20minütigen Kurzfilm „Nach Auschwitz“ eine künstlerische Antwort. Der Film beginnt sehr langsam. Türen werden geöffnet, Räume werden beleuchtet. Erst nach einigen Szenen erkennen die Betrachter_innen, dass sie der Film ins Vernichtungslager Auschwitz führt. Doch wir sehen zunächst nicht die bekannten Bilder, die wir mit dem Vernichtungslager assoziieren. Der mehrfach ausgezeichnete Film führt uns in die Werkstätten von Auschwitz, in denen Koffer, Brillen, Schuhe und andere Gegenstände, die die Zeit überdauert haben, konservatorisch bearbeitet werden, damit sie so aussehen, wie sie 1945, am Tag der Befreiung vorgefunden wurden. Im letzten Teil des Filmes wird dann auch gezeigt, welchem Zweck diese Arbeit dient. Wir sehen die heute bekannten Bilder vom touristischen Ziel Auschwitz. Wir sehen Reisegruppen durch das berühmte Tor mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“ gehen. Eine Frau hält das Tor so lange auf, bis auch die Nachzügler_innen das Gelände betreten haben.

Mit seinen sehr ruhigen Film, in dem kaum ganz wenig gesprochen wird, liefert Sobotka nicht nur einen ungewöhnlichen Blick auf Auschwitz. Er regt auch zu sehr vielen Fragen an. Warum müssen die Gegenstände in dem Zustand gebracht werden, in dem sie 1945 waren? Wäre es nicht sinnvoller, wenn auch an ihnen der Zahn der Zeit nagt? Über diese Frage gibt es auch unter Überlebenden und ihren Angehörigen seit Langem unterschiedliche Meinungen. Es ist aber interessant, dass Sobotka ein Element der Auschwitzerinnerung in den Mittelpunkt seines Films stellt, das auch in einen Spielfilm im eine wichtige Rolle spielte, der wohl immer zitiert wird, wenn es um den Touristenort Auschwitz geht. „“Am Ende kommen die Touristen“ heißt er und handelt von einem Auschwitzüberlebenden, der seinen Lebensinhalt darin sah, sich um den Erhalt der Koffer zu kümmern, die 1945 im Lager geblieben sind. Doch irgendwann erklärt die Leitung des Gedenkorts, dass Profis diese Arbeit leisten müssen, nehmen den alten Mann seinen Lebensinhalt und demütigen erneut an dem Ort, an der so gelitten hat. Ein junger Kriegsdienstverweigerer, der seinen Ersatzdienst in dem Gedenkort Auschwitz macht, unterstützt den alten Herrn, dem er ihm immer wieder Koffer zum Bearbeiten bringt, bis die Leitung davon erfährt. Doch während in dem Spielfilm die Personenkonsteallaton entscheidend ist, widmet sich der Kurzfilm ganz bewusst der Frage, wie der Gedenkort Auschwitz verändert wird, damit die Tourist_innen am Ende kommen.

Sobotka ist es gelungen, einen Film über und nach Auschwitz zu drehen, der neue Fragen aufwirft, der zu Diskussionen anregt und der auch Fragen an uns selber stellt. Das ist für einen 20minütigen Film nicht wenig.

Peter Nowak

Link zum Film Nach Auschwitz:

http://dok2.de/nach-auschwitz/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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