Haben Berliner Mietrebellen ein neues Kampffeld entdeckt?

Eigenbedarfskündigungen Am Mittwoch rufen sie zu einer solidarischen Prozessbegleitung auf. Am Samtag ist in Berlin ein großes Vernetzungstreffen geplant. In beiden Fällen geht es um Eigenbedarfskündigungen.

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Schon das Wort ist bei vielen Mieter*innen angstbesetzt. Schließlich gehört zu den wenigen Kündigungsgründen eines Mietvertrags die Ankündigung des Eigentümers, dass er oder Familienangehörige die Wohnung braucht. „Doch Daten zur Zahl des selbstgenutzten Eigenbedarfs deuten darauf hin, dass viele Eigenbedarfskündigungen gar nicht mit der Absicht ausgesprochen werden, die Wohnung selbst zu nutzen“, schreibt der Stadtsoziologe Andrej Holm in der aktuellen Ausgabe des MieterEcho, der Zeitung der Berliner MieterGemeinschaft mit dem Schwerpunkt Widerstand gegen die Eigenbedarfskündigung. Vielmehr sollen die Bewohner*innen vertrieben werden, um die Wohnungen anschließend teurer zu vermieten. 2018 haben Mieter*innen in der Initiative „Eigenbedarf kennt keine Kündigung (E3K) zusammengeschlossen. Sie unterstützen Mieter*innen, die sich gegen eine Eigenbedarfskündigung gerichtlich wehren unter Anderem mit einer Solidarischen Prozessbegleitung. Am 15.11. ist es wieder soweit. Dann wird vor dem Amtsgericht Kreuzberg in der Möckernstraße 10 Eigenbedarfskündigungen gegen mehrere Mieter*innen verhandelt. Mieter*inneninitiativen rufen um 10 Uhr zu einer Kundgebung vor dem Amtsgericht auf und haben angekündigt, den ab 11 Uhr im Saal 225 terminierten Prozess solidarisch zu begleiten.

Neuer Schwung für die Mieter*innenbewegung

Die Zunahme der Eigenbedarfskündigungen stellt auch die solidarischen Initiativen vor eine Herausforderung. Doch es könnte auch eine Chance sein, die Berliner Mietrebell*innen wieder um ein Thema zu konzentrieren. Daher lädt das Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn am kommenden Samstag von 14 – 18 Uhr zu einen öffentlichen Ratschlag in den Kiezraum am Dragonerareal in der Obentrautstraße 19-21. Der Schwerpunkt steht dabei auf einer besseren Vernetzung sowie auf Dezentralisierung der Solidaritätsarbeit. So sollen von einer Eigenbedarfskündigung Betroffene in möglichst vielen Stadtteilen Anlaufstellen finden, an die sie sich wenden können. Auf der Veranstaltung am 18.11. sollen sich verschiedene Initiativen vorstellen. Eingeladen sind auch Mieter*innen, die eine Eigenbedarfskündigung im Briefkasten haben und Unterstützung suchen.

Eigenbedarfskündigungen sind kein Schicksal

Der Widerstand gegen Einbedarfskündigung kann durchaus Erfolg haben, wie das Beispiel der Mieterin Colleen Higgins zeigt, die im August 2023 die Klage gegen die Eigenbedarfskündigung ihres Vermieters gewonnen hast. Dabei war die erste Reaktion wie bei vielen Mieter*innen. "Nachdem wir die Kündigung erhalten hatten, waren wir sehr verängstigt und gestresst. Wir sprachen mit unseren Nachbarn darüber und fanden heraus, dass auch eine andere Wohnung eine Kündigung erhalten hatte", berichtete Colleen Higgins. Doch dann entstand der Wille, sich gegen den Rausschmiss zu wehren aus der einfachen Überlegung. Wir haben selber Eigenbedarf an unserer Wohnung. Higgins drückt das Gefühl so aus. "Wir wollten auf jeden Fall in unserer Wohnung bleiben. Selbst wenn die Eigentümer in unserer Wohnung leben wollten, wollten wir uns gegen die Eigenbedarfskündigung wehren, weil wir der Meinung sind, dass wir das Recht haben, in unserer Wohnung und in unserer Gemeinschaft zu bleiben." Danach erfolgten die entsprechenden Schritte: "Wir bekamen Hilfe von einem Anwalt - ohne den hätten wir nicht kämpfen können. Wir bekamen auch Hilfe von Mieterorganisationen wie Eigenbedarf kennt keine Kündigung (E3K) und Unterstützung durch Deutsche Wohnen & Co Enteignen sowie Right to the City - Mietergruppen, die in unserer Nachbarschaft aktiv sind." Genau diese solidarische Unterstützung soll durch den Ratschlag am 18.11. ausgebaut werden

Wichtig ist die solidarische Nachbarschaft

. Ferida H. (Name geändert) war sogar zweimal mit einer Eigenbedarfskündigung konfrontiert. Beim ersten Mal verlor sie vor Gericht und musste ausziehen. „Übernachtet habe ich in dieser Zeit bei Freunden und habe ständig nach einer Wohnung gesucht“, erzählt die Frau. Dabei hatte sie weiterhin guten Kontakt zu ihren ehemaligen Nachbar*innen.So konnte Ferhida H. nachweisen, dass ihr Vermieter den Eigenbedarf nur vorgetäuscht hatte. Die Verwandte, für die dort wohnen sollte, ist nie aufgetaucht. Ferhida H. verklagte den Vermieter und bekam Recht. Er musste einen Teil ihrer Ausgaben bezahlen. Dazu gehören Kosten für den Transport und das Unterstellen der Möbel. Nachdem sienach langen Suchen ihre zweite Wohnung gefunden hatte, musste sie erneut gegen Verdrängung kämpfen. Zunächst verlange der Vermieter eine unbegründete Mieterhöhung, gegen die sich die Mieterin erfolgreich wehrte. „Aus Frust bekam ich dann eine Eigenbedarfskündigung, mit der ich mit ca. 3 Jahre rumschlagen musste,“ erzählt die Mieterin, Sie gewann vor Gericht, doch ihr Vermieter ging in die nächste Instanz und scheiterte erneut. Obwohl der Vermieter sogar seine Töchter als Zeuginnen benannte, wies auch die höhere Instanz die Eigenbedarfskündigung als unglaubhaft zurück. Als Grund wurde vom Gericht angeführt, dass der Vermieter weitere Wohnungen in seinen Besitz hat, die teilweise sogar leer stehen. Nach seiner Niederlage hat der Vermieter angekündigt, die Wohnung verkaufen zu wollen. Es könnte also sein, dass Ferida H. erneut um ihre Wohnung kämpfen muss. Ferhida H. nennt drei Bedingungen für einen erfolgreichen Kampf gegen eine Eigenbedarfskündigung. Dazu gehört Linie ein Rechtsschutz für die juristische Auseinandersetzung. „Genau so wichtig ist ein gutes Verhältnis zu den NachbarInnen, berichtet Ferhida H. Der dritte Faktor ist ein solidarisches Umfeld, dass die betroffenen Mieter*innen unterstützt. Der Ratschlag am 18.11. soll dafür sorgen, dass dieses solidarische Umfeld größer wird und immer mehr Mieter*innen klarstellen. Wir haben an unserer Wohnung selber Eigenbedarf".

Peter Nowak

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Peter Nowak

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