Ein Forum für den Dokumentarfilm

Docfilm42 Ein Interview mit Susanne Dzeik, die die Plattform für unabhängige Dokumentarfilme mit anderen Dokumentarfilme*innen gegründet hat.

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  1. Was ist das besondere vom Projekt docfilm42 auch gegenüber anderen Filmplattformen? Docfilm42 ist ein ehrenamtliches Projekt, das von Dokumentarfilmschaffenden selbst betrieben wird. Wir haben festgestellt, dass viele gute Filme, hinter denen oft jahrelange, sorgfältig recherchierte und intensive Arbeit steckt, schnell wieder aus der Öffentlichkeit verschwinden und kaum noch aufzufinden sind. Oft sind das Filme, die kein großes Budget haben, um sich nach der Fertigstellung um einen langwierigen Vertrieb kümmern zu können. Auf unserer Webseite sammeln wir diese Schätze und geben ihnen einen Online-Auftritt. Auf den Filmunterseiten finden mensch mehr Informationen über den einzelnen Film, als normalerweise z.b. auf Streaming-Plattformen zu finden sind. Dadurch funktioniert docfilm42 gleichzeitig auch als gesellschaftlich wichtiges Archiv. Was darüber hinaus auch einzigartig an unserem Onlineauftritt ist, dass wir selber keine Streaming-Plattform sind. Wir bezeichnen uns selber eher als ein Verweisportal. Bei uns findest du die Streaminglinks zu den einzelnen Filmen. Uns selber ist es egal, wo und wie der Film gestreamt wird. Das heißt, die Filmschaffenden können selber entscheiden, ob sie den Film unter CC-Lizenz frei zugänglich im Netz streamen, ob sie Eigenvertrieb machen oder einen Streamingdienst nutzen. Wir selber haben eine Kooperation mit der Streaming-Plattform sooner, wo wir einen eigenen Channel besitzen. Wenn Filmschaffende zu uns kommen, können wir ihnen aber einen Kontakt zu sooner herstellen, wenn sie es wollen. Somit stehen wir zu niemanden in Konkurrenz, sondern stellen eher eine wertvolle Ergänzung da.


    2. Hat es der Dokumentarfilm schwerer ein Publikum zu finden? Es ist wirklich seltsam. Obwohl die Nachfrage nach Dokumentarfilmen wächst und sowohl Festivals, als auch größere Streaming-Plattformen eine enorme Nachfrage erleben, ist das Angebot im Fernsehen in den letzten Jahren immer weiter zurückgegangen. Gleichzeitig werden u.a. durch den leichteren Zugang zu den Produktionsmitteln mehr Dokumentarfilme produziert. In den Kinos sind sie meistens nur kurz zu sehen und oft auch zu eher unattraktiven Uhrzeiten. Der abendfüllende Dokumentarfilm hat es in Deutschland nicht leicht. Zwar wird in der Politik seine bildungspolitische Bedeutung immer wieder hervorgehoben, doch schlägt sich das nicht in angemessener Unterstützung oder finanzieller Förderung wieder. Auch hier wollen wir mit docfilm42 einen Beitrag leisten die riesige Lücke zumindest ein bisschen zu füllen.


    3. Ist die Idee für die Plattform das Schließen der Kinos im Corona-Lockdown? Nein, die Idee für unsere Plattform hat schon lange vor Corona existiert. Wir haben uns mit einigen unabhängigen Dokumentarfilmschaffenden in Berlin getroffen und fest gestellt, dass es kaum Vertriebsangebote für unsere Art von Filmen gibt. Einige haben für ihre einzelnen Filme eigene Webseiten. Andere noch nichtmal das. Die meisten sind im Netz verstreut und man muss schon gezielt nach ihnen suchen, um sie zu finden. Unsere Seite ist 2019, parallel zum Dokfilmfestival in Leipzig, online gegangen. Da hatte noch niemand etwas von Corona gehört.

    4. Wie hat der Lockdown das Projekt beeinflusst? Natürlich hat die Pandemie unser Projekt enorm beeinflusst. Anfangs haben wir noch mit einigen unserer Filme Präsenzvorführung in Berliner Kinos organisiert. Seit dem zweiten Lockdown im Spätsommer letzten Jahres sind wir dann dazu übergegangen regelmäßige Onlineveranstaltungen mit den Filmen auf unserer Plattform anzubieten. Diese Vorführungen finden immer mit anschließenden Filmgesprächen mit der Regie und oft auch den Protagonist*innen statt. Die Veranstaltung sind wirklich erfolgreich und sehr gut besucht. Das hat sicher auch damit zu tun, dass die Barriere, sich einen Film, inklusive Filmgespräch von zu hause anzusehen, viel kleiner ist, als wenn ich extra irgendwo hin fahren muss. Die Filmgespräche im Anschluss gehen häufig länger als eineinhalb Stunden und sind meistens diskursiv, konzentriert und lebendig. Wir bekommen viel gutes Feedback vom Publikum. Das ist sehr motivierend, nicht nur für uns. Auch die Filmschaffenden wissen es zu schätzen, dass Sie bei uns eine Auseinandersetzung über ihr Filmwerk erfahren, die sie woanders oft nicht finden.

    5. .Könnte dockfilm42 auch nach Ende des Lockdown eine Alternative zum Kino sein? Unser Projekt kann das Kino niemals komplett ersetzen. Es ist und bleibt doch immer etwas anderes, einen Film in einem Kinosaal mit anderen Menschen zusammen zu sehen. Das Kino als Ort ist für Film unersetzbar. Aber wir haben unser Projekt auch nie als Konkurrenz gesehen. Im Gegenteil. Wir sind der festen Überzeugung, das Online-Auftritte und Präsenzveranstaltungen in Kinos sich gegenseitig befruchten können. Warum nicht auch mal eine Hybridveranstaltung machen, wo Filmemacher*innen und Publikum, das den Film vielleicht auch zum Teil gerade online gesehen hat, im Anschluss des Filmes, sowohl im Kino als auch Online ins Gespräch treten. Auch heute schon finden Kinovorführungen statt, wo der/die Filmschaffende danach per Video Konferenz hinzugeschaltet wird. Interview: Peter Nowak Die nächste Online-Veranstaltung auf dokfilm42 läuft am kommenden Sonntag*Aus Liebe zum Überleben (von Bertram Verhaag) 25. April - 19 Uhr**85 min. / 2019 / Deutsch / Deutschland* Bertram Verhaag begibt sich auf die Reise zu acht mutigen Menschen, die sich abgewendet haben von Konventionen, von Agrargiften, vonunmenschlichen Arbeitsweisen und sich einer Landwirtschaft zuwandten,die ohne Gifte und ohne Zerstörung der Bodenfruchtbarkeit auskommt mehr Infos unter: https://docfilm42.de/film/aus-liebe-zum-ueberleben/

Aktuell soll mit einer Crowdfunding-Kampagne die finanzielle Basis von dokfilm42 verbessert werden.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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