Ein Kiez kämpft um seine Zukunft

Gentrifizierung Der erbitterte Kampf gegen den Ausverkauf der Stadt geht weiter: Den Freund:innen der Kulturbar „Zukunft am Ostkreuz“ in Berlin geht es nicht nur um ein Kino, sondern viel mehr um die Frage, wem die Zukunft der Stadt gehört

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Die zunehmende Gentrifizierung treibt in Berlin schon seit Langem regelmäßig Demonstrant: innen auf die Straßen.
Die zunehmende Gentrifizierung treibt in Berlin schon seit Langem regelmäßig Demonstrant: innen auf die Straßen.

Foto: ODD ANDERSEN/AFP via Getty Images

Rudolfsplatz, Friedrichshain: Mehr als 800 Menschen trafen sich hier Mitte November, um gegen die Verdrängung von Kultureinrichtungen, Spätkaufs und Bewohner: innen zu demonstrieren – 200 waren angemeldet. Nicht nur die Polizei, sondern auch die Veranstalter: innen waren überrascht von der großen Resonanz. Mit der Demonstration wird deutlich, wie groß die Sorge der Bewohner: innen Friedrichshains bezüglich der rasanten Gentrifizierungstendenzen ihres Bezirks sind. Schilder mit Sprüchen „Keine Zukunft ohne Zukunft“ und Parolen, wie „Wir sind hier, wir sind laut, weil ihr uns die Zukunft klaut“ taten ihren Unmut kund.

Das Kino Zukunft am Ostkreuz in der Laskerstraße 5, wurde zum 31. März 2022 gekündigt. Im Jahr 2011 wurde das Kino in den heruntergekommenen Räumen eines ehemaligen Filmlagers eröffnet. In den letzten Jahren wurde es nicht nur zu einer guten Adresse für unterhaltsame und anspruchsvolle Filme, sondern auch für Konzerte, Theateraufführungen und Ausstellungen. Zudem wurde die dazugehörige Kneipe in der Nachbarschaft gut angenommen. Damit lassen sich wohl auch die vielen Solidaritätsbekundungen erklären, die eingingen, nachdem die Kündigung bekannt wurde. Innerhalb weniger Tage wurde eine Petition mit der Forderung, den Rauswurf der Zukunft am Ostkreuz zu verhindern, von fast 8000 Menschen unterzeichnet.

Gegen Gentrifizierung

Dass es den Bewohner: innen um mehr als bloß um den Erhalt der Zukunft geht, wurde in den vielen Reden und unterschiedlichen Parolen deutlich. Aus zahlreichen Fenstern und an den Balkonen der Wohnhäuser, – größtenteils Plattenbauten – hingen entlang der Route der Demonstration Transparente mit der Parole „Pandion raus!“. Der Kölner Investor Pandion plant im Laskerkiez die Errichtung des Ostkreuzcampus. Seit mehreren Monaten wehrt sich die Initiative Wem gehört der Laskerkiez? nicht nur gegen diesen Nobelbau, sondern auch gegen weitere hochpreisige Neubauten der Investoren Trockland und Padovicz in der Umgebung. Es ist die Sorge um eine massive Aufwertung des Areals zwischen Modersohnbrücke und Ostkreuz, die die Menschen auf die Straße treibt, auch wenn es dabei „nur“ um den Erhalt eines Kinos geht. „Erst verschwinden die Kulturstandorte und Spätis, dann die Bewohnerinnen und Bewohner, die dort konsumieren“, begründete eine Anwohnerin ihr Engagement für das Kino Zukunft.

„Uns gehört der Laskerkiez“, rufen die Demonstrant: innen. Die Bewohner: innen gewinnen Selbstbewusstsein im Kampf gegen Investoren, organisieren Kundgebungen und Veranstaltungen. Auf die Frage, wem der Kiez in Zukunft gehören wird, sagen sie mit neuem Selbstbewusstsein: „Uns!“ – nicht Pandion und Co. Auch die
Mitarbeiter: innen der Zukunft profitieren von diesem neuen Selbstbewusstsein. In ihrer Rede auf der Abschlussveranstaltung betonen sie, dass alles bereits erreichte, ohne die Initiative Wem gehört der Laskerkiez? und die Solidaritätsdemonstration, in so kurzer Zeit nicht möglich gewesen wäre.

Diese starke Solidarisierung mit Kultureinrichtungen in Großstädten wie Berlin darf nicht gleich wieder verpuffen. Deshalb planen die Anwohner: innen in den nächsten Wochen weitere Aktionen. So soll es am 3. Dezember im Kino der Zukunft einen Aktionstag mit Filmen und Diskussionsveranstaltungen geben. Am 12. Dezember ist ein Kiezspaziergang geplant: Von der Zukunft, Ort des Widerstands, bis zum Amazon-Tower an der Warschauer Brücke, Symbol bereits vollzogener Verdrängung.

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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