In vielen Nachrufen wird Esther Bejarano als Mahnerin und Warnerin vor der rechten Gefahr gewürdigt. Das scheint natürlich erst einmal positiv. Und doch besteht die Gefahr, dass Bejarano von der deutschen Staatsraisson vereinnahmt wird. Dabei widmete sie ihr ganzes Leben, dem Kampf gegen die Deutschen Zustände, die sie selber auch nach 1945 immer wieder bedrohten, seit Bejarano – besonders ab den 1970er Jahren – politisch immer aktiver wurde. Damals erlebte sie die Wahlerfolge der NPD in der Bundesrepublik. Konkret wurde das für Bejarano als sie einen Informationsstand der rechtsextremen Partei in Hamburg sah und feststellen musste, dass die Polizei die Neonazis schützte.
Seitdem hat sie nicht aufgehört, gegen diese Zustände zu kämpfen. Sie wurde zur Kommunistin und war bis zu ihrem Tod Mitglied der Deutschen Kommunistischen Partei – der Partei also, der die Staatsapparate gerade mit bürokratischen Tricks die Existenz schwer machen. Dabei stand Bejarano auch immer wieder im Visier der repressiven Staatsapparate. So zielte bei einer antifaschistischen Demonstration in Hamburg im Januar 2004 ein Wasserwerfer der Polizei auf den Lautsprecherwagen, auf dem sie gerade eine Rede hielt. Und noch vor wenigen Monaten musste Esther Bejarano mit Vorstandsmitgliedern der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) eine eidesstattliche Erklärung abgeben, die klarstellte, dass die Organisation – anders als der bayerische Verfassungsschutzbericht behauptet – keine verfassungsfeindlichen Ziele verfolge. Die Erklärung war notwendig, damit die VVN-BdA die Gemeinnützigkeit wieder erlangte, die wegen der Diffamierung durch den Bayerischen Verfassungsschutz aberekannt worden war. Die VVN-BdA hat die eidesstattlichen Erklärungen selbst angeboten und spricht bei der wieder erlangten Gemeinnützigkeit von einem Erfolg. Doch wir sollten uns nicht mit den Deutschen Zuständen abfinden, die es nötig machen, dass eine Auschwitzüberlebende eine eidesstattlichen Erklärung vorlegen musste, um Diffamierungen der von NS-Personal gegründeten Geheimdienste zu kontern. Zumindest sollte das ein Grund mehr sein, dass Linke die konsequente Abwicklung dieser Geheimdienste fordern.
In den letzten Jahren setzte sich Esther Bejarano dafür ein, dass der 8. Mai als Tag der Zerschlagung des NS-Regimes auch in Deutschland zum Feiertag wird. Hier kann man diese Forderung mit der Zeichnung einer Petition unterstützen.
Ich habe unterzeichnet, gerade weil mir klar ist, dass der Tag eben für die Mehrheit der Deutschen im Gegensatz zum Rest der Welt kein Feiertag war, weil ein Großteil der Deutschen bis zur letzten Minute Juden und Nazigegner*innen jagte. Gerade deshalb unterstütze ich es, wenn in Deutschland am 8. Mai der Tag gefeiert wird, an dem (NS)-Deutschland zerschlagen wurde. Es ist eine Möglickeit, den Kampf von Esther Bejarano gegen die Deutschen Zustände weiterzuführen.
Peter Nowak
Kommentare 12
Eine weitere der großen Biografie-Odysseen des 20. Jahrhunderts, die nunmehr zu Ende gegangen ist.
Esther Bejaranos Leben lehrt uns eins: dass man auch unter allerwidrigsten Umständen die Hoffnung nie aufgeben darf. Darüber hinaus ist ihr Leben eine eindrucksvolle Demonstration der Grade von »schlimm«, welche die neuere deutsche Geschichte parat hielt: vor 1940 war es zunehmend schlimm. 1941 wurde es massenmörderisch. 1942 und 1943 herrschte die dunkle Nacht. 1944 ein Hoffnungsschimmer am Horizont, 1945 schließlich das Ende des Nazi-Alptraums.
Ansonsten: alle gedenken. Die weniger glamouröse Wirklichkeit benennt der Wikipedia-Eintrag zu ihr: »Am 31. Januar 2004 nahm Bejarano in Hamburg an einer Demonstration gegen einen Nazi-Aufmarsch teil, wo die Polizei nach Angaben Bejaranos mit einem Wasserwerfer direkt auf den Wagen zielte, in dem die damals 79-Jährige saß.«
Wie auch immer: Der Platz, auf dem sie saß, wird schwer auszufüllen sein. Was etwas tröstet, ist das hohe Alter – sicherlich der Beherztheit und Entschlossenheit mit zuzuschreiben, mit der sie ihr Leben in die Hand nahm.
http://www.melodieundrhythmus.com/mr-5-2016/manchmal-kommen-mir-die-traenen/
In memory
https://www.youtube.com/watch?v=TEwVsd5z4e8
mit musik geht alles besser
https://www.youtube.com/watch?v=1fM2HJJfoBs
kriege durchhalten und das töten in vernichtungs-lagern.
aber vorm tanzen muss gewarnt werden.
https://de.wikipedia.org/wiki/Tanzverbot#Situation_in_muslimisch_geprägten_Ländern
Fuer solche Blasphemie wirst du noch gesperrt.
ist nicht alles menschliche leben hier auf erden:
eine beleidigung gegen die götter?
gerade weil sich menschen gerne auch als gottes-fürchtig geben....
"Doch wir sollten uns nicht mit den Deutschen Zuständen abfinden, die es nötig machen, dass eine Auschwitzüberlebende eine eidesstattlichen Erklärung vorlegen musste, um Diffamierungen der von NS-Personal gegründeten Geheimdienste zu kontern." - Ja, sowas ist unerträglich.
"Ich habe unterzeichnet,..." - Ich auch.
Danke für den text.
Die in Hamburg lebende Esther Bejarano, Überlebende des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau, ist am Samstagmorgen im Alter von 96 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in Hamburg verstorben. Ihre wichtige Stimme ist für immer verstummt! Sie möge in Frieden ruhen!
Sie war ein Vorbild, eine glaubwürdige unermüdliche Kämpferin gegen Rechts, gegen Rassismus, Antisemitismus, Diskriminierung und Unterdrückung. Sie trat zum Unwillen vieler selbsternannter „Freunde“ Israels und der Verteidiger der völkerechtwidrigen Besatzungspolitik für Verständigung und freie Meinungsäußerung ein und erklärte sogar ihre Unterstützung der weltweiten und in Deutschland besonders heftig vom politischen und journalistischen Mainstream bekämpften und verunglimpften BDS-Bewegung.
Esther Bejanaro unterstützte den palästinensischen Freiheitskampf seit Jahren mit klaren Aussagen. Im Dez. 2018 gab sie zum Beispiel in ihrer Hamburger Wohnung ein Interview für die Internet-Plattform „Electronic Intifada“ in dem sie glasklare Worte fand, die selbst ihr zeitweise den absurden Vorwurf des Antisemitismus einbrachte.
Sie überlebte im Gegensatz zu ihrer im KZ ermordeten Familie als junge Frau das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau. Das Leben rettete ihr wahrscheinlich die Zugehörigkeit als Akkordeonspielerin im sog. „Mädchenorchester“ im KZ, wie man es in ihrer bewegenden Autobiografie „Erinnerungen“ nachlesen kann. Sie engagierte sich seit Jahrzehnten gegen Neonazis. Mehrere Jahre trat sie gemeinsam mit der Band Microphone Mafia auf, wobei zuletzt Konzerte wegen gesundheitlichen Problemen abgesagt werden mussten.
Sie hielt die Unterstützung der BDS-Bewegung für berechtigt und notwendig. Sie habe, führte sie in einem Interview aus, bereits schon bald nach Ende des II. Weltkrieges, in den ersten Jahren ihres Aufenthalts in Palästina bzw. Israel zu den damaligen Repräsentanten des Zionismus, David Ben Gurion und Golda Meir, Widerspruch gehabt. Diese hatten die Losung ausgegeben: „Das Land gehört uns.“ Nachdem sie, Bejarano, sich gemeinsam mit ihrem Mann offen gegen diese Position gestellt habe, seien sie beide derartigen Repressionen ausgesetzt gewesen, dass sie sich zur Auswanderung gezwungen sahen und 1960 nach Deutschland – das Land der Täter – ausgereist seien.
Auch heute in Deutschland protestierten viele Menschen gegen die Politik der israelischen Regierung und würden dafür systematisch als „Antisemiten“ angeprangert. Selbst gegen sie, die Jüdin, scheute man sich nicht, diesen Vorwurf zu erheben. Bejarano wörtlich: „Ich möchte sagen: ich war schon immer gegen die unmenschliche Politik gegenüber den Palästinensern und gegen den Krieg gegen sie … Und wenn ich das sage, werde ich des Antisemitismus beschuldigt.”
Zum Kampf der Bewohner des Gaza-Streifens sagte sie: „Ich bin der Meinung, die Palästinenser haben das Recht, sich gegen das, was Israel ihnen antut, zur Wehr zu setzen. Das ist völlig berechtigt. Sollen wir zulassen, dass sie von den Israelis umgebracht werden? Es wird gesagt, die Hamas habe Israel mit Raketen beschossen, deswegen trüge sie die Verantwortung für den Krieg. Ja, wer hat denn den Krieg begonnen? Das waren nicht die Palästinenser!“
Es ist eine Farce, dass jetzt landauf, landab manch führende Politiker und Journalisten ihren Tod beklagen – jene die gleichzeitig mit ihrer Doppelmoral israelkritische Positionen und BDS-Aktivisten der Palästina-Solidaritätsbewegung verurteilen und den öffentlichen Diskurs trotz garantierter Verfassungsrechte auf freie Meinungsäußerung in Worten und Taten zu verhindern suchen.
Dr. Detlef Griesche (Vizepräsident der Deutsch-Palästinensischen Gesellschaft e.V.)
Die deutschen Qualitätsmedien haben aus Anlass des Ablebens von Esther Bejarano das Leben dieser bemerkenswerten Frau zwar gewürdigt, doch mit ihrer unvollständigen Berichterstattung gleichzeitig für die eigenen politischen Zwecke instrumentalisiert.Damit das eigene dogmatische Narrativ nicht ins wanken gerät, wurde der nicht passende Teil von Bejaranòs politischer Meinung einfach weggelassen.Immerhin haben die Medien aber über den Tod berichtet.Als vor 3 Jahren eine andere Überlebende der Shoa verstarb,die ebenfalls Israel für Deutschland verließ, eine dezidierte Meinung zur Politik des Staates Israel vertrat und die ebenfalls das BVK erhielt, herrschte bei ALLEN. Qualitätsmedien vollkommene Stille.Felicia Langer wurde damals postum von den Kindern des Tätervolkes zum Schweigen gebracht.Ebenso, wie es jetzt mit Esther Bejarano wieder geschah.
Wohl wahr. Aber warum auch sollten die deutschen Qualitätsmedien, ausgerechnet bei der letzten großen Gelegenheit, mit ihrer Insrumentalisierung aufhören.
Ja, kaum ist sie gestorben wird versuchtsie zu vereinnahmen und damit harmlos zu machen.
Ihre Stimme würde fehlen, sagen sie. Doch zu ihren Lebzeiten hat niemand von diesen auf ihre Stimme Acht gegeben.
Sie haben nicht gehört, als sie die Bundesregierung aufforderte, den 8. Mai als den Tag der Befreiung vom Faschismus zum Feiertag zu erklären;
sie haben nicht gehört, als sie den Umgang der Stadt Hamburg mit den geflüchteten aus Lampedusa als "Schande für die Stadt" bezeichnete;
sie haben nicht gehört, wenn sie die unsägliche Asylpolitik der europäischen Regierungen anprangerte;
sie haben nicht gehört, wenn sie für Gerechtigkeit gegenüber den Palästinenser_innen eintrat;
sie haben nicht gehört, wenn sie sich in einem offenen Brief an die Bundesregierung dafür aussprach, sich für das Ende der Isolation Abdullah Öcalans einzusetzen;
Sie haben nicht gehört, wenn sie aufrief, gegen die Angriffe der türkischen Armee auf den nordsyrischen Kanton Efrîn zu protestieren;
sie haben nicht gehört, wenn sie eindringlich vor dem Erstarken der Rechten warnte;
sie haben nicht gehört, wenn sie vor dem Rechtsruck aller deutschen Parteien und der deutschen Gesellschaft sprach;
sie haben nicht gehört, als sie die Beteiligung deutscher Soldaten an Kriegseinsätzen als eine Schande für Deutschland bezeichnete;
sie haben nicht gehört, wenn sie die Rüstungsexporte als furchtbar bezeichnete;
sie haben nicht gehört, wenn sie den NSU-Prozess als eine Farce benannte, da gar keine Aufklärung erwünscht sei;
sie haben nicht gehört, als sie anlässlich von Urteilen gegen Teilnehmende an Sitzblockanden gegen den so genannten „Marsch für das Leben“ von christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegnern dieser Kriminalisierung von Sitzblockaden entgegentrat;
sie haben nicht gehört ....
(gefunden auf der seite der Roten Hilfe Hannover https://rotehilfehannover.systemausfall.org/node/272 )
Nur wir selbst können ihr Vermächtnis weiter tragen:
„Nie mehr schweigen, wenn Unrecht geschieht. Seid solidarisch! Helft einander! Achtet auf die Schwächsten! Bleibt mutig! Ich vertraue auf die Jugend, ich vertraue auf euch! Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!“ ( https://www.auschwitz-komitee.de/5792/mir-lebn-ejbig/ )
Denn: “Würdiges Gedenken heißt kämpfen. Wir müssen uns alle erinnern, damit es nicht wieder geschehen kann. Damit noch mehr Menschen gegen menschenverachtende Ideologien aufstehen und sich einsetzen. ..." Esther Bejarano am 14.02.2021 in ihrem Gruß an die Angehörigen und Überlebenden in Hanau
Rest in Power, Esther!
Zack hat dankenswerterweise ergänzt, was Peter Nowak - wohl aufgrund vertraglicher Verpflichtungen gegenüber Jungle World - hier verschweigen musste: Esthers klare Kritik an der israelischen Apartheid sowie ihre mutige Unterstützung der wachsenden BDS-Bewegung.