Eine Alternative zur Berlinale

Directors Lounge Nur wenige Minuten vom Alexanderplatz läuft noch bis zum Sonntag ein Medien- und Videofestival, dass Videokunst jenweits des Berlinale-Rummels bietet.

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Selbst, wer um dem Berlinale-Rummel in diesen Tagen einen großen Bogen macht und bis zum Wochenende den Potsdamer Platz bis zum Wochenende weiträumend umfährt, wird damit konfrontiert. So, wenn vor dem Eingang des Kinos International an der Frankfurter Allee plötzlich ein riesiger Pulk von VIP-Karossen auffährt und die obligatorischen Sicherheitsleute sich wichtig machen und den Gehweg für Passant_innen sperren. Dann weiß man, dass irgendein Star gleich über den roten Teppich streitet, der natürlich gründlich gereinigt vor dem Kino-Eingang bereitliegt. Der unfreiwillige Beobachter fragt sich, ob die das alles bierernst meinen, oder wenigstens ein Quentchen Selbstironie bei dem ganzen Rummel dabei ist. Dann umrundet mensch das Kino International und steht vor dem Eingang eines Jugendclubs. So scheint es zumindest am Beginn. Statt eines roten Teppichs, leuchtet dem Besucher die rote Birne einer Tischlampe entgegen, die in einer Ausbuchtung hinter der Tür eingeklemmt ist. Tritt man ein, ist man gleich in einer Welt, in der der ganze Berlinale-Rummel schnell vergisst.


Erinnerung an die die Transmediale der 90er Jahren

Parallel zur Berlinale und als eine in jeder Hinsicht gelungenen Alternative findet in der Lokalität Naherholung Sternchen hinter dem Kino International, knapp 7 Minuten Fußweg vom Alexander Platz entfernt noch bis zum Sonntag das 10te Berliner Kunst- ,Medien- und Filmfestival statt, das den wohl ironischen Titel Directions Lounge trägt. Ab 18 Uhr werden dort auf zwei Leinwände außergewöhnliche Videoarbeiten und Filme aus aller Welt angeboten. Wer noch die Anfänge der des Transmediale Festivals in den frühen 90er Jahren im Podewill erleben durfte, fühlt sich angenehm daran erinnert. Wie damals werden viele schräge Videos gezeigt, die die Sehgewohnheiten auf den Prüfstand stellen. Seit die Transmediale in Richtung Netzkultur gegangen ist, findet man ein solches Programm dort nicht mehr, was viele Freund_innen der Videokunst bedauern. Die Begründung, dass man heute ständig und überall Videos sehen kann und sich die Transmediale deshalb kulturell neu positionieren musste, überzeugt nicht. Gerade angesichts der Überfülle von Videomaterials, dass einen heute meistens zu Werbezwecken behelligt, ist ein Festival um so wichtiger, dass eben das besondere Video und dem besonderen Film die Leinwände öffnet. Das machte die Directions Lounge, die ob bewusst oder unbewusst, die Tradition der frühen Transmediale angetreten hat, besonders deutlich. Nur dort gibt es den Raum den zweistündigen Film Nonconformity von Igor Parfenow zu zeigen, der auf einen Epos von Tolstoi basierend, die Idiotie des Landlebens in all seinen Schrecken zu zeigen. Die ausführlichen Schlachtszenen, die dort enthalten sind, machen mehr als jedes Propagandavideo von Tierrechtler_innen deutlich, dass Fleischkonsum ohne Grausamkeit und Massenmord nicht zu haben sind. Junge Kunst aus Kroatien war auf dem Festival zu sehen. Die Medienwerkstatt Berlin zeigte Arbeiten rund um das Thema Überwachung.

Ausschnitte aus Mietrebellen werden heute gezeigt

Eine besondere Video- und Filmreihe, praktisch ein Festival im Festival stellen die von Klaus W. Eisenlohr kuratierten Programmblöcke Urban Research dar. Dort werden die denkbar unterschiedlichsten Videos geboten. Da widmet sich Benallal Mehdi der Frage der Erinnerung. Eine Frau fährt mit ihrer Tochter in den Stadtteil, in dem sie ihre Kindheit verbrachte. Die Wohnblöcke sind längst abgerissen und die Frau streitet sich mit ihrer Tochter auf der Wiese darüber, wie die Wohnung beschaffen war. Derweil zieht die Enkelin, die die Wohnung nicht mehr kannte, gelangweilt ihre Kreise. Die Weichselstraße in Berlin-Neukölln dürfte auf absehbare Zeit nicht zur Wiese werden. Dort kämpft die Mieter_inneninitiative FuldaWeichsel seit Jahren gegen eine Vertreibung durch energetische Sanierung. Matthias Coers hat gemeinsam mit Gertrud Schulte Westenberg den Film Mietrebellen gedreht. Am Freitag wird im Rahmen von Urban Research ein kurzer Ausschnitt zum Thema Gecekondus aus dem Film „Mietrebellen“ gezeigt. Dieser neue Dokumentarfilm von Gertrud Schulte Westenberg und Matthias Coers widmet sich dem Widerstand der Mieter_innen gegen den Ausverkauf der Stadt und wird im Mai 2014 seinen Kinostart in den Berliner Kinos Moviemento und Central haben. Gecekondus/informelle Siedlungen sind dann der Hauptaspekt im anschließenden vierzigminütigen türkischen Film "Hey Neighbor!“

Das vollständige Programm der heutigen Folge von Urban Research im Rahmen des Medienfestivals Directors Lounge findet sich hier:

http://berlinlounge.tumblr.com/post/74509797621/urban-research-3

Das gesamte Programm kann man hier einsehen:

http://berlinlounge.tumblr.com/tagged/14th%20Feb%202014

Bis 20 Uhr ist der Eintritt frei, danach kostet er 3 Euro.

Das Festival findet in der Location Naherholung Sternchen in der Berolinastraße 7 stat:

http://www.naherholung-sternchen.de/contact.php

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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