Gewerkschaften ohne Kompromisse in Richtung Militarismus und Nationalismus

Freie Arbeiter-Union Die Historikerin Jule Ehms hat die Arbeit des syndikalistischen Flügels der Gewerkschaftsbewegung in Deutschland untersucht. Sie war besser als ihr Ruf und das Buch gibt auch Anregungen für die aktuelle Gewerkschaftsarbeit

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„Wild, politisch ziellos und gewalttätig“, mit diesen Adjektiven belegte die Historikerin Petra Weber den syndikalistischen Flügel der Arbeiter*innenbewegung in der Weimarer Republik. Sie stand damit nicht allein. Auch viele andere Historiker*innen fertigen die Syndikalist*innen mit einigen Adjektiven ab, die schon deutlich machen, dass sie für unbedeutende linke Splittergruppen halten, die nur Unruhe stifteten und keine gesellschaftliche Relevanz hatten.

Die Historikerin Jule Ehms sieht hinter dieser Abwertung eine politische Agenda. „Die Strömungen der Arbeiter*innenbewegung, die den Funktionswandel der Gewerkschaften von einer reinen Interessenvertretung hin zu einer stärker systemstützenden Organisation nicht vollziehen und stattdessen an einen revolutionären Programm festhalten, wurden und werden als politische Akteurinnen auszuschließen versucht“, schreibt sie in der Einleitung ihres kürzlich im Verlag Dampfboot erschienen Forschungen über die die Betriebsarbeit der syndikalistischen Freien Arbeiter-Union Deutschland (FAUD) zwischen 1918 bis 1933. Dabei wird schnell klar, dass das Bild von der unbedeutenden linken Gruppe überhaupt nicht stimmt. Vielmehr hatten syndikalistische Gewerkschaften nach der Revolution von 1918 einen sprunghaften Aufschwung erlebt. Bis zu 40000 Mitglieder hatte sie in ihren Hochzeiten, darunter auch Bergarbeiter*innen aus dem Ruhrgebiet. Ehms geht auf die Gesichtswissenschaft diskutierten Gründe für den Aufstieg ein. Ein Begründungszusammenhang liegt in der Veränderung der Struktur der Arbeiter*innenklasse in dieser Zeit. Die Zahl der prekären Arbeitsplätze habe zugenommen, in denen die Beschäftigten schnell geheuert und gefeuert werden und wenige Rechte hatten. Diese Gelegenheits- Saison- und Landarbeiter*innen seien eher von syndikalistischen Gewerkschaften erreicht wurden. Ein wesentlicher Grund für das Anwachsen der linken Gewerkschaften nach 1918 liegt aber auch im Legitimitätsverlust der sozialistischen Richtungsgewerkschaften, dem Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsverband (ADGB). Nicht nur der Name ähnelt dem heutigen DGB, die Organisation gilt als Vorläufer des DGB, auch wenn der sich heute als Einheits- statt als Richtungsgewerkschaft bezeichnet. Der ADGB stand rückhaltlos hinter der Weimarer Republik und bekämpfte die Rätebewegung, die im Gefolge der Novemberrevolution sprunghaft gewachsen war. In den Arbeiter*innenräten sah vor allem der ADGB eine Konkurrenz, weil die Räte den Anspruch hatten, sich selber zu vertreten. Der ADGB bekämpfte Streiks in der frühen Weimarer Republik und protestierte auch nicht gegen die Massaker, die an verschiedenen Orten in Deutschland zwischen 1918 und 1923 an streikenden Arbeiter*innen durch Freikorps verübt wurden. Allein im Osten Berlins sind im März 1919 während eines Massenstreiks in Berlin 1200 Menschen ermordet worden. Der Historiker Dietmar Lange hat bereits 2013 mit seinen im Unrast-Verlag erschienenen Buch „Massenstreik und Schießbefehl“ diese vergessene Geschichte des blutigen Klassenkampfs von oben dem Vergessen entrissen. Sie führte zu einer Linkswende bei vielen Arbeiter*innen, die nach Alternativen zum staatstragend gewordenen ADGB suchten. Gestärkt wurde dadurch auch die syndikalistische FAUD, für die der Schwerpunkt ihrer Arbeit im Klassenkampf der Lohnabhängigen lag. „In der Weimarer Arbeiter*innenbewegung mit ihrer heterogenen Zusammensetzung suchten unterschiedliche linksrevolutionäre Organisationen, die sich nicht in das korporatistische System zuseiten des Staates und der Unternehmen integrieren lassen wollten, nach einem Weg, ihre transformatorischen Programme in die Praxis umzusetzen“ schreibt Ehms.

Keine Konzessionen an Patriotismus und Nationalismus

Sie zeigt an sehr konkreten Beispielen, dass die FAUD hier durchaus Ansätze für eine linke Gewerkschaftsarbeit geliefert hat. Ehms untersucht mehrere Arbeitskämpfe, in denen die Syndikalist*innen aktiv beteiligt waren. Die FAUD wandte sich auch von Anfang gegen Militarismus und jeden Nationalismus, wie Ehms an konkreten Beispielen zeigt. Damit hatte die linke Gewerkschaft 1923 massive Probleme, als mit der Besetzung des Ruhrgebiets durch französische Truppen, eine nationalistische Welle durch Deutschland rollte, von der auch Teile der Arbeiter*innenklasse angesteckt wurden. Die KPD reagierte damals darauf mit einem Liebäugeln mit dem Nationalkommunismus, die in der berüchtigten Schlageter-Rede von Karl Radek seinen unrühmlichen Höhepunkt erreichte. Der damalige KomIntern-Verantwortliche sah in den von dem frühen Mitglied der NSDAP, der von den französischen Militärbehörden wegen Anschlägen hingerichtet wurde, einen verhinderten Klassenkämpfer- Die FAUD und ihr Umfeld machten keine Konzessionen an Patriotismus und Nationalismus. Mag sein, dass es mit dazu beigetragen hat, dass sie nach 1923 schnell an Mitgliedern und Bedeutung verloren hat. Für viele Menschen war in diesem Jahr die Hoffnung auf eine Revolution in Deutschland für lange Zeit ausgeträumt. Dass führte auch dazu, dazu, dass sich viele von linken Organisationen abwandten. Davon war die FAUD massiv betroffen. Ehms zeigt aber auch, dass sie als kleine Gewerkschaft noch bis in die 1930er Jahre handlungsfähig war Die Autorin benennt die massive staatliche Repression gegen die Syndikalist*innen und verschweigt auch zahlreiche eigene Fehler und politische Schwächen nicht. Ehms macht auch immer wieder deutsch, dass syndikalistische Gewerkschaften auch heute durchaus eine Perspektive haben können.

Peter Nowak

Ehms Jule, Revolutionärer Syndikalismus in der Praxis, Die Betriebsarbeit der Freien Arbeiter-Union Deutschland von 1918 bis 1933, Westfälisches Dampfboot, 372 Seiten, 40 Euro ISBN: 978-3-89691-0776

https://www.dampfboot-verlag.de/shop/artikel/revolutionaerer-syndikalismus-der-freien-arbeiter-union-deutschlands-vom-1918-bis-1933

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Peter Nowak

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