Hat die Friedensbewegung noch eine Chance?

Friedensdemo Nach der Friedenesdemo am vergangenen Samstag sollte nicht das Ende weiterer kritischer Diskussionen gefordert werden, sondern über deren Perspektve diskutert werden.

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Die Waffen nieder“, das Motto der der Pazifistin Bertha von Suttner war das zentrale Motto der Demo, zu der am Samstag mehr als 180 Organisationen aufgerufen hatten . Die Plakate mit der weißen Friedenstaube auf blauen Grund, knüpften bewusst an die 1980er Jahre an, als die Friedensbewegung in der BRD gegen die Aufstellung neuer Natoraketen ihren Höhepunkt erreichte. Manche träumten am Ende schon von den 1980er Jahren als allein in Westdeutschland Hunderttausende auf die Straße gegangen sind. Doch war die bundesweite Demonstration ein Erfolg? Otmar Steinbicker wiederspricht.

„Die geringe Teilnehmerzahl ist das sichtbare Zeichen einer Krise der Friedensbewegung. Die Bewegung sollte das jetzt kritisch reflektieren und geeignete Schlüsse daraus ziehen, “ erklärte mit Otmar Steinbicker (https://www.facebook.com/otmar.steinbicker) ein langjähriger Weggefährte der Friedensbewegung nach der Demo (http://aixpaix.de/deutschland/friedensdemonstration-20161009.html).

„Aixpaix.de: Worin sehen Sie diese Krise?

Otmar Steinbicker: Vor allem in zwei Faktoren: 1. in einer fehlenden ernsthaften Analyse der gegenwärtigen Situation mit ihren realen Kriegen, mit ihren drohenden Kriegsgefahren aber auch mit Chancen für die Friedensbewegung erfolgreich zu arbeiten. 2. in einer weit verbreiteten Selbstisolation vieler Organisationen und Initiativen der Friedensbewegung. Da sind nicht wenige im Denken und Wahrnehmen in den frühen 1980er Jahren stehen geblieben. Dort, wo keine oder kaum neue Köpfe hinzukamen, wurden nicht unbedingt neue Themen und Fragestellungen gesehen und keine neuen Aktiven geworben und einbezogen. Dort wo das nicht gelingt, wäre Friedensbewegung irgendwann zum Aussterben verurteilt.“ Gerade die Analyse der aktuellen Situation ist ein Problem, das mit entscheidet, wie sich die Friedensbewegung entwickelt.

Was ist gemeint, wenn Frieden mit Russland gefordert wird?

Dabei steht die Frage im Mittepunkt, ob die Friedensbewegung gemeinsame Ziele hat oder ob die scheinbar ähnlichen Parolen die Widersprüche eher zudecken. Am Beispiel des Umgangs mit Russland und Syrien auf der Demonstration am Samstag kann das verdeutlicht werden. Die Forderung nach besseren Kontakten zu Russland war auf der Demonstration in ganz unterschiedlichen Spektren vertreten. „Frieden mit Russland“ war dort eine häufige Parole. Sie war aber ganz unterschiedlich gefüllt. “Für einen eurasischen Kontinent statt Na(h)to(d)“ hatte ein junges Paar auf ein Schild geschrieben. Dass der Begriff Eurasien von Rechten in Russland und Europa in letzter Zeit häufig verwendet wurde, sei ihm ihnen nicht bekannt, interessiere se aber auch nicht. Der Vorsitzende der Naturfreunde Michael Müller berief sich auf die Entspannungspolitik von Willy Brand. „ Ein neues kollektives Sicherheitssystem ist in Europa nötig“, betonte das SPD-Mitglied. Ein älterer Mann mit DKP-Fahne trug ein Schild, auf dem er sich für ein besseres Verhältnis zwischen Russland und Deutschland einsetzt.. „Das ist für mich das antifaschistische Vermächtnis nach den Verbrechen im Nationalsozialismus in der Sowjetunion“, betonte er. Er hält es für kriegsverschärfend, dass Natotruppen und damit auch die Bundeswehr wieder an der russischen Grenze stehen. Genau so unterschiedlich waren die Statements zum Syrienkonflikt. Da gab es Stimmen, die die gesamte Auseinandersetzung lediglich als Folge von Destabilisierungsversuchen durch die Natostaaten interpretieren. Dabei wird mal schnell unterschlagen, dass der Beginn der Syrienauseinandersetzung ein Aufstand gegen ein autoritäres Regime war. Sahra Wagenknecht hingegen betonte in ihrer Rede. „Wir sind nicht einäugig“ Das Bomben müsse in Syrien von allen Seiten beendet werden Sie wandte sich aber dagegen, dabei nur Russland an den Pranger zu stellen.

Im Zweifel für den Zweifel

Dann bezog sie ich auf ein Video des ehemaligen rechtskonservativen Politikers Jürgen Todenhöfer, das angeblich nachweisen soll, wie die Islamisten vom Westen unterstützt werden. Dabei ging Wagenknecht mit keinen Wort auf die Zweifel ein, die über die Echtheit des Videos bestehen. Es besteht der Verdacht, dass der vermeintliche Islamist vom Assad-Regime gecastet wurde (http://www.vice.com/de/read/juergen-todenhoefer-al-qaida-interview-fake). Genau so selbstverständlich, wie Wagenknecht das Video für ihre Beweisführung heranzieht, machen das auch die, für die ohne genaue Prüfung bereits schon feststeht, dass es sich nur um einen Face handeln kann. Im Zweifel für den Zweifel ist da die beste Haltung. Zudem ist es sehr zu begrüßen, dass im Fall des Todenhöfer-Videos so kritisch nachgefragt wurde. Dass sollte allerdings bei allen Meldungen, Fotos und Videos gelten, die von welcher Seite auch immer im Syrienkonflikt genau so wie in der Ukrainekrise verbreitet werden. Es ist ja nicht nur in der Friedensbewegung so, dass man gerne ungeprüft Dinge übernimmt, wenn sie scheinbar ins eigene Weltbild passen,

Diskussion über die Friedensbewegung muss weitergehen

Dass aber selbst ein Künstler wie Prinz Chaos II auf der Abschlusskundgebung der Friedensdemonstration am Samstag erklärte, man habe lange genug für interne Diskussionen verplempert, muss dann schon verwundert. Denn natürlich geht die kritische Diskussion weiter und das ist auch ein Indiz dafür, dass sie noch nicht verloren ist. Er machte dabei auch deutlich, dass es eben nicht nur um de Friedenswinter und die Friedensmahnwachen geht (http://aixpaix.de/deutschland/friedensdemonstration-20161009.html).

Mehr über den Kapitalismus reden

Da wurden auf einer Blogsport –Seite (http://friedensdemowatch.blogsport.eu/) viele verschwörungstheoretische, latent antisemitische und regressive Parolen und Plakatmotive auf der Friedensdemonstration sowie auf einen kleineren Aufmarsch rechter Gruppen dokumentiert. Doch die kleine antideutsche Intervention (https://www.facebook.com/antideutscheaktionberlin/photos/a.542495559134014.1073741826.439862802730624/1290896574293905/?type=3&theate ), die dort auch vorgestellt wurde, bleibt in ihren Parolen genau so einseitig. Wenn es da heißt, „Befreit Syrien von Assad“ muss natürlich gefragt werden, ob das eine Einladung zu einer Militärintervention ist, die beispielsweise über eine einseitig ausgerufene Flugverbotszone ihren Anfang nehmen könnte. Es ist schon ein Unterschied, ob sich Teile der syrischen Bevölkerung sich mit einem Aufstand vom Assad-Regime befreien wollen, wobei nicht klar ist, wie groß dieser Teil aktuell ist, oder ob hier erneut einen Regimechange das Wort geredet wird. Merkwürdig ist, dass ausgerechnet die Antideutsche Aktion die Islamisten in Syrien nicht erwähnt. . Waren es nicht einmal Antideutsche, die den Jihadismus als eine Ideologie bezeichnet haben, die in ihrer Bedrohung für Freiheit und Emanzipation durchaus mit dem Nationalsozialismus vergleichbar sei? Wäre dann nicht auch ein Bündnis mit noch so unsympathischen autoritären Kräften nötig, um zunächst diese Gefahr zu besiegen? Man kann tatsächlich dem Assad-Regime viele Verbrechen vorwerfen, dass sie aber kein Regime des religiösen Fanatismus gewesen ist, scheint unstrittig. Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“, lautete der Titel eines vierseitigen Flugblattes, dass Kritiker_innen der Friedensbewegung am Samstag auf der Demonstration am Samstag verteilten. „Es ist ein Flugblatt von solchen, die nicht glauben, dass die Nato einen alten Feind wiederbelebt hat, sondern das dass Russlands Putins selbst eine gefährliche Kraft auf der internationalen Bühne ist“, betonten die Verfasser_innen ihre Distanz. Gegenüber der Nato wird aber eine solch klare Aussage vermisst. Oder wie ist diese Passage zu deuten? „Gerade in Syrien wäre es mehr und nicht weniger Konfliktbereitschaft, gerade auch gegenüber den im Aufruf (zur Friedensdemo P.N.) in Schutz genommen Russen, die für eine Milderung des Sterbens sorgen könnte.“ Besonders fatal aber, die Kritiker_innen redeen nicht etwa von materialistischen Interessen sondern von Werten und teilen damit den Idealismus mit dem größten Teil der von ihnen kritisierten Friedensbewegung. So fordern sie diese in der Flugschrift auf. „Wie wäre es, einmal dem Krieg den Krieg zu erklären, und darüber zu schwadronieren, es ging in letzter Instanz stets um Macht, Markt und Rohstoffe, als wüsstet ihr nicht selber sehr genau, dass es um Menschenleben gehrt“. Der Satz liest sich durch ein falsches Wort etwas Kryptisch. Der Satz macht nur Sinn, wenn er so heißt. „Wie wäre es, einmal dem Krieg den Krieg zu erklären, als darüber zu schwadronieren, es ging in letzter Instanz stets um Macht, Markt und Rohstoffe“. Dann aber bestärken die Kritiker_innen der Friedensbewegung diese noch mehr, bloß nicht davon zu reden, dass der Kapitalismus den Krieg ins sich trägt wie eine Gewitterwolke den Regen. Es stände der Friedensbewegung also gerade gut an, von kapitalistischen Interessen im Allgemeinen und von den Interessen des deutschen Kapitalis im Besonderen zu reden. Dabei darf natürlich der Teil der Bevölkerung, die sich als Volks geriert und mit den Interessen des deutschen Staates gemein macht, nicht ausgeklammert werden. Die Mehrheit der Friedensbewegung wäre gerade dafür zu kritisieren, dass die zu wenig von Kapitalismus und von deutschen Interessen redet. Und es wären die Minderheit innerhalb der Friedensbewegung zu unterstützen, die eine antimilitaristische Bewegung in Deutschland aufbauen will und für die der Satz „Der Feind steht im eigenen Land“ keine Parole ist. Dazu bedarf es noch vieler Diskussionen und auch Streit. Wenn daher manche die Auseinandersetzungen über die Perspektive der Friedensbewegung als vertane Zeit bezeichnen, wie Prinz Chaos II beim Abschlusskonzert auf der Bühne, tut er der Bewegung bestimmt keinen Gefallen, Es wäre gerade ein Zeichen der Stärke, wenn es die Bewegung nicht nur zulässt sondern fördert, dass über die Perspektiven heftig diskutiert wird.

Peter Nowak

Terminhinweis:

Ist der Frieden noch zu retten?

Donnerstag, 27. Oktober 2016, 19:00 Uhr
linXXnet, Bornaische Straße 3d

http://www.die-linke-in-leipzig.de/nc/termine/termine/detail/browse/1/zurueck/termine-50/artikel/ist-der-frieden-noch-zu-retten/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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