Nach ihr war schon zu Lebzeiten ein Uni-Institut benannt

Ingrid Strobl Die linke Feministin ist kürzlich gestorben. Sie lieferte wichtige Impulse auch für eine linke Antisemitismusdebatte

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Ältere Semester können isch vielliecht noch an den großen Westberliner Studierendenstreik in den Jahren 1988/89 erinnern, der sogar Nichtstudierende wie mich an den Campus in Berlin Dahlem zog. Neben dem Lateinamerikainstitut war auch das nach Otto Suhr (OSI) benannte Institut für Politikwissenschaften an der FU eines der Zentrens des Streiks vor mehr als 35 Jahren. Doch an Teil der Institutsgebäude prangte über Nacht ein neuer Namen.

ISI statt OSI

Namensgeberin war die linke Journalistin Ingrid Strobl, die 1987 im Rahmen einer bundesweiten Polizeiaktion gegen Gentechnologiekritiker*innen und Feministinnen verhaftet wurde. Neben ihr musste auch die Feminstin Ulla Penselin in den Knast , was heute leider kaum mehr erwähnt. Schon 1987 wurde über die Gefahr geredet, dass Ulla Penselin vergessen wird, denn Ingrid Strobl war schon bei ihrer Verhaftung als linke Journalistin bekannt, die unter Anderem in der Emma publizierte und Sendungen für den WDR produzierte.. Da stellten manche den Vergleich mit Ulrike Meinhof her, die auch als bekannte Journalistin verhaftet wurde. Anders als Meinhof wurde Strobl nicht der Nähe zur RAF sondern zu den Revolutionären Zellen (RZ) beschuldigt. Diese militante Gruppe kritisierte die deutsche Flüchtlngspolitik, die staatliche Reproduktionstechnoiogie und viele andere Aspekte des BRD-Kapitalismus nicht nur theoretisch sondern auch praktisch. Ingrid Strobl wurde von der Justiz beschuldigt, einen Wecker gekauft zu haben, der bei einen der Angriffe der RZ verwendet wurde. Sie machte im Prozess zu den Tatvorwürfen keine Aussagen, verteidigte aber die linke Politik. Zudem betonte sie damals, ds neben ihr eben auch Ulla Penselin inhaftiert und wollte so verhindert, dass sie vergessen ist. Im Jahr 2024 ist genau das leider der Fall. In den Nachrufen, die durchaus dem Leben der linken Feministin Ingrid Strobl gerecht werden, fehlt der Bezug auf die andere angeklagte Genossin. Es gab eben nicht nur die Kampagne "Freiheit für Ingrid Strobl" wie es in mehreren Nachrufen heißt: Die Kampagne lautete "Freiheit für Ingrid Strobl und Ulla Penselin". Im Zuge der über mehrere Jahre reichenden Solidaritätskampagne gab es bundesweite Diskussion mit fundamentaler Kritik an den repressiven Staatsapparaten und da besonders den sogeannnten Anti-Terror-Paragraphen 129a. Nach ihm war auch eine regelmässige Flugschrift benannt, die über zwei Jahre federführend vom Journalisten Oliver Tolmein herausgegeben wurde. Es war für den ehemaligen RCDS-Studenten der Einstieg in den linken Journalismus, der ihn unter Anderem zur Monatszeitung Konkret führte. Für kurze Zeit war er sogar Chefredakteur der Tageszeitung junge Welt, als es den kurzlebigen Versuch eines Crossover zwischen ostdeutschen Traditionslinken und einer deutschlandkritischen Linken aus Westdeutschland gab. Danach zog sich Tolmen aus der journalistischen Arbeit zurück und arbeitet heute als Rechtsanwalt.

Impulse für die Antisemitismusdiskusisson

Auch Ingrid Strobl wurde noch im Gefängnis und auch wenige Jahre nach ihrer Freilassung in der ersten Hälfe der 1990er Jahre zu einer wichtigen Stimme gegen deutschen Nationalismus und den linken Antisemitismus. Hier lieferte sie vor allem in der Monatszeitung Konkret wichtige Beiträge für eine Debatte der gesellschaftlichen Linken. Es war auch - wie sie immer wieder betonte - auch eine Selbstkritik. Ingrid Strobl war in den 1980er Jahren Teil einer außerparlamentarsichen Linken, die ihren Antizionismus im Land der Shoah nicht kritisch auf Übergänge zum Antisemitismus hinterfragte. Diese Arbeit leistete Strobl dann in den 1990er Jahren in vielen Artikeln, die aber - anders als die heutigen Texte zum Thema- nicht diesen Dogmatismus trugen, der jede kritische Frage unter Verdacht stellte. In ihren Texten in der Konkret kritisiete Strobl, dass große Teile der gesellschaftlichen Linken in der BRD der 1970er und 80er Jahre Israel ausschließlich als imperialistischen Vorposten im Nahen Osten aber nicht als Schutzraum der Überlebenden der Shoah und des globalen Antisemitismus gesehen haben. Strobl beschrieb in ihren Texten immer ihre Postion als linke Feministin in den Ländern der Shoah Deutschland und Österreich. Ihr wäre es nie in den Sinn gekommen, linke Jüdinnen und Juden wegen ihrer antizionistischen Positionen in die Nähe des Antisemitismus zu rücken, wie es heute geschieht. Daher ließe sich von Ingrod Strobl gerade auch für die aktuelle Antisemitismusdiskussionen einiges lernen. Mitte der 1990er Jahre zog sich Strobl aus der journalistischen Arbeit zurück. Das lag auch an einigen Männern, die in der damaligen antideutschen Blase die Diskurshoheit mit allen Mitteln verteidigten, gegen eine Feminstin wie Ingrid Strobl, die auch und vor allem über ihre eigene linke Geschichte schrieb, wenn sie regressiven linken Antizionismus kritisierte.

Strobl veröffentliche zahlreiche Bücher, eine Auswahl finden sich am Schluss. Die feministische Selbstermächtigung, der auch bewaffente Widersand von Frauen, darunter auch besonders von Jüdinnen einschloss, war ein zentrales Thema ihrer Bücher. In ihrem letzten Buch erkärte sie ihren Leser*innen, was sie verständlicherweise der Justiz nicht erzählen wollte. Sie hatte den Wecker in dem Bewußtsein gekauft, dass er bei einer Aktion der RZ verwendung finden könnte. Ende Januar ist Ingrid Strobl im Alter von 71 Jahren gestorben. Am Politikinstitut in Berln-Dahlem ist ihr Name längst getilgt. Das war auch der Wunsch von Ingrid Strobl nach dem sie aus der Haft entlassen wurde. Heute ist in der Nachwuchsschmiede der deutschen Poltiik wenig von linken Aktivitäten zu sehen. Vielleicht treffen sich einige, die vor 35 Jahren an der Umbenennung des OSI in ISI beteiligt waren dort zu einer kleinen Gedenkfeier für Ingrid Strobl.

Bücher von Ingrid Strobl:

  • Sag nie, du gehst den letzten Weg. Frauen im bewaffneten Widerstand gegen Faschismus und deutsche Besatzung. Fischer, 1989, ISBN 3-596-24752-7.
    • Partisanas. Women in the Armed Resistance to Fascism and German Occupation (1936-1945), Übersetzung von Paul Sharkey, AK Press, Edinburgh 2008, ISBN 978-1-904859-69-7.
  • Frausein allein ist kein Programm. Kore Verlag, Freiburg i. Breisgau 1989, ISBN 3-926023-20-1.
  • Anna und das Anderle. Eine Recherche. (Fiktionale Darstellung) Fischer, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-596-22382-2.[19]
  • Die Angst kam erst danach. Jüdische Frauen im Widerstand 1939–1945. Frankfurt am Main 1998, ISBN 3-596-13677-6.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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