Ist Pluto der kranke Mann am Peleponnes?

Der Geldgott Peter Hacks Komödie ist noch am nächsten Wochenende im Theaterforum Kreuzberg zu sehen. Eine gute Gelegenheit sich von der Aktualität dieses Stückes zu überzeugen

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Ist Pluto der kranke Mann am Peleponnes?

Foto: Oli Scarff/ AFP/ Getty Images

Am 28. August 2003 ist Peter Hacks gestorben, ein Mann, der schon lange vor seinem Tod für altmodisch und überholt erklärt wurde. Schließlich galt in der postmodernen Theaterkultur niemand als so anarchronistisch, wie ein kommunistischer Dramatiker, der mit seinem Stücken immer auch erkennen will, wie die Gesellschaft funktioniert. Von der Aktualität eines Hacks-Stücks kann man sich im Theaterforum Kreuzberg überzeugen. Dort wird noch einmal am kommenden Wochenende vom Simon Dach Projekttheater in der Regie von Peter Wittig die Komödie "Der Geldgott" aufgeführt. Hacks gehörte bekanntlich zu den DDR-Oppositionellen, die an der Politik der SED deswegen zunehmend verzweifelten, weil sie Kommunismus immer unmöglicher machte und mit zum Ende der DDR beitrug. Er war einer der wenigen Intellektuellen, der nach 1989 nicht zum Wendehals wurde. Er trat weiter für die Ziele ein, die ihm vor 1989 in bestimmten Kreisen zu einem Salondissidenten, danach zu einem Erzstalinisten stempelten.

Mit seinem Stück „Der Geldgott“ reagierte Hacks auf die Rehabilitierung des kapitalistischen Wertgesetzes nach 1989. Das Stück wurde 1993 zunächst nur am Theater Greifswald aufgeführt. Hacks schien damit zufrieden. „Gott bewahre die Welt vor Stücken, die nur auf hauptstädtische Staatstheater passen“, hatte die Tagesspiegel-Redakteurin Sibylle Wirsing dem atheistischen Hacks in den Mund gelegt. Sollte die Aussage zufrieden, könnte Hacks auch posthum zufrieden sein. Das Stück wurde in Berlin nicht in einem Staatstheater sondern auf einer experimentellen Kreuzberger Bühne aufgeführt. Wirsings Mutmaßung, dass Hacks Stücke nur noch in Vorpommern laufen können, hat sich zehn Jahre später als falsch erwiesen. Es waren auch viele jüngere Leute, die das Stück im Theaterforum sehen wollen und vielleicht von einer Repräsentationsbühne nicht erreicht würden. Das neue Interesse kann auch darin liegen, dass Verhältnisse einfach wieder reif sind für Hacks materialistische Gesellschaftskritik auch im Theater.

Wenn man das Bühnenbild im Theaterforum am Beginn des Stücks sieht, kommt einen spontan das aktuelle Weltgeschehen in den Sinn. Eine Frau steht mit einem Schild in der Landschaft, auf dem "Athen, Delphi" geschrieben steht, als wäre sie eine Tramperin bei einem Griechenlandtrip. Derweil läuft ein blinder Mann ständig im Kreis. Ist das der in den Medien Zeiten der Wirtschaftskrise so viel beschworene kranke Mann am Peleponnes? Wer seinen Hacks kennt, weiß natürlich, dass es der vom Obergott Zeus mit Blindheit geschlagene Pluto ist, der durch die Landschaft irrt und zufällig beim Töpfer Chremylos aufläuft. Der erhofft sich von dem hohen Besuch natürlich eigene Vorteile und verschaffte ihn auf eigene Kosten Heilung.

Statt einen Batzen Geld ein Sack voll Kredit

Natürlich hoffte er auf göttliche Belohnung. Doch zunächst wurde er enttäuscht. Der wieder sehende Pluto kannte in vollem Tand natürlich keine Armen und Arbeiter und wies alle Stalkingversuche des um sich um seinen Lohn geprellt fühlenden Handwerkers brüsk zurück. Derweil hatten zwei Nachbarn, die den Töpfern immer um schwänzelten und von Hacks die Namen Frau Beutelrock und Herr Lüsterblick bekommen haben, an Pluto herangemacht. Am Ende wird Chremylos von Pluto doch noch Beachtung zuteil. Aber statt eines Batzen Geld bekam er einen Sack voll Kredit, mit dem er zunächst wenig anfangen kann. Schließlich lebte er noch in einer Welt, in der bar bezahlt wurde und die Einnahmen nicht investiert sondern ausgegeben wurden. Kapitalistische Rationalität war den Mann aus der Sklavenhaltergesellschaft noch fremd. Wenn unter Historikern der Antike heute gelegentlich die Frage diskutiert wird, warum die römische Gesellschaft, nicht in der Phase des Kapitalismus angekommen ist, wo sie doch sovieles schon besaß, was dafür erforderlich wäre, bei Hacks kann man es erfahren. Sie kannten noch nicht den Kredit und nutzen ihre Einnahmen nicht zum Investieren, zwei basics des Kapitalismus.

Die neue Zeit der Massenkultur

Bei Hacks lernt der biedere Handwerker schnell und bald ist ihm die neue Zeit verleidet. Wenn er nun mit seiner Freundin billigen Wein aus Plastikpackungen trinkt, der in Plastikkannen aus der Athener Fabrik gegossen wird und beide vor Abscheu das Gesicht verziehen, kann man den Widerwillen vor dem Zeitalter der Massenfabrikation darin entdecken. Es ist erstaunlich von dem jeder Romantisierung der vorkapitalistischen Verhältnisse abholden Hacks eine solche Kritik der Industriegesellschaft präsentiert zu bekommen. Ansonsten bleibt das Stück strikt materialistisch. Herausragend, die Schauspielerin Gina Pietsch die korpulente Göttin Fortuna, die als Plutos Mutter ihren Sohn verstoßen muss, weil der sich mit seiner Heilung dessen Strafe entzogen hat. Doch zunächst muss sie Pluto um Geld anpumpen, weil ihr für den Rückweg von Athen nach Delphi das Reisegeld fehlt. Also war der erste Eindruck einer Tramperin im Bühnenbild gar nicht so weit hergeholt.

Herr Kohr und seine 400 Kollegen

Besonders überzeugend spielte Robert Klatt den Betriebsrat Herrn Kohr, der seine 400 Kollegen gleich mitvertrat. Die vergnügten sich derweil beim Fußball. Kohr machte aber auch deutlich, dass ihn nicht die Kunst, sondern eine Erkältung in das vor den Unbilden der Witterung geschützte Theater trieb. Seine Inventionen in das Stück sind urkomisch und haben doch etwas sehr Aufklärerisches. Hacks hält mit der Gestalt des Herrn Kohr einen um sich selbst kreisenden Theaterbetrieb den Spiegel vor. Wenn sich Herr Kohr gleich eine der Bühnenkulissen schnappt und als Fußstütze nützt, kommt einem die alte Mutter im ersten Kapitel von Peter Weiss´ Monumentalwerk „Ästhetik des Widerstands“ in den Sinn, die sich wenig respektvoll über den antiken Plunder auslässt und großes Verständnis dafür hat, dass er von den griechischen Armen zum Häuserbau benutzt wurde. Insgesamt ein sehr unterhaltsamer und lehrreicher Theaterabend.

Peter Nowak

Zum 10. Todestag von Peter Hacks zeigt das SiDat! Simon Dach Projekttheater »Der Geldgott« am 4./ 5./ 6./ 11./ 12./ 13. Oktober 2013, jeweils 20.00 Uhr im theaterforum kreuzberg, Eisenbahnstr. 21, 10997 Berlin (www.tfk-berlin.de)

Darsteller: Markus Riexinger, Silvia Juliane Reichert, Christian Stotz, Milena Klingel, Robert Schonk, Margarete Steinhäuser, Robert Klatt.
Regie und Bühne: Peter Wittig
Special guest: Gina Pietsch als Fortuna

Kartenreservierung: theaterforum kreuzberg www.tfk-berlin.de
Phone 030-700 71 710

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Geschrieben von

Peter Nowak

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