Kafkaesk oder nur spätpubertär?

Israel hängt Kafka Eine Künstler versucht in der Galerie Meinblau vergeblich zu provozieren, doch seine Stategie ging nicht auf. Das Ergebnis kann noch bis Sonntag angesehen werden.

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Kafka muss in letzter Zeit für vieles Herhalten. So rät ein britischer Ex-Marxist der schwächelnden Occupy-Bewegung in der aktuellen Ausgabe des Adbuster-Magazins, sie sollen sich im Denken an Kafka orientieren, weil heute angeblich nicht mehr Klassengegensätze, sondern die Bürokratie und die Unfähigkeit zur direkten Demokratie die Gesellschaft dominieren würde. Dass ist natürlich Bullshit, um mit einen modernen Begriff zu kontern, wie vieles was Ex-Linke so in die Umwelt schleudern.
Auch viele Künstler müssen sich heute Mühe gehen, durch Provokation aufzufallen, wenn sie in Zeiten noch wahrgenommen werden,in denen manche Galerien Kunst am Fließband ausstellen. Es ist schon selten, dass eine Galerie eine Ausstellung noch mehrere Wochen offenhält, oft wechseln sie im Ein-oder Zweiwochen-Rhythmus. Das ist ein Ausdruck der Warenförmigkeit der Kunst. Was also muss ein Künstler, der als nicht ganz unbekannt bezeichnet werden kann, der aber eben nicht automatisch die Medien und das Publikum anzieht, wenn sie nur seinen Namen hören, machen, um wahrgenommen zu werden? Er muss provozieren. Volker Merz versucht das in der Galerie Meinblau nach allen Regeln der Kunst und bedient sich dabei bei der Reizthemen Kafka, Israel und den Nazis. Kafka bekommt eine neue Biografie und wird als Nazi in Israel hingerichtet, was sich in dem Ausstellungstitel „Israel hängt Kafka .... und entschuldigt sich bei ihm nach dem Regierungswechsel“ niederschlägt. Der Titel klingt so spätpubertär, wie ein Großteil der Installationen wirken, wenn man die Halle im Erdgeschoss der Galerie Meinblau durchschreitet. Da kreist ein Kafka in KZ-Anzug mit einer Glasscheibe in der Hand auf einem im Leerlauf sich drehenden Plattenteller. Da sind bewaffnete Kafka-Figuren in verschiedenen Possen über den Dächern von Tel Aviv zu sehen. Viel zu lesen gibt es auch auf der Exposition. Fiktive Briefe von und mit Walter Benjamin und Hannah Arendt findet sich dort. Als würde sich bei der Story beim als Nazi hingerichteten Kafka die Parallele zu Adolf Eichmann nicht auch ohne solche direkten Fingerzeige aufdrängen.
Man kann sich den Künstler richtig vorstellen, wie er krampfhaft überlegt, wie er die Ausstellung zum Skandal und damit bekannt werden lassen kann. Doch die Provokationsstrategie scheiterte. Es reicht eben nicht, zwei oder drei skandalträchtige Begriffe, wie Israel und Nazi zusammenzubringen.
Dass der von Merz erhoffte Skandal noch eintritt, ist unwahrscheinlich. Bereits am Wochenende endet die Ausstellung mit einem tatsächlichen Highlight. Zur Finissage am Sonntag um 16 Uhr tritt die Hamburger Künstlerin Bernadette de la Hengst live auf und singt Kafka-Lieder. Dem Video nach zu urteilen, das im oberen Bereich der Galerie zu sehen ist, lohnt sich der Konzertbesuch. Wer am Sonntag die Künstlerin live sehen will, kann dann auch noch einen Blick auf eine ausgebliebene Kunstprovokation werfen.

Noch bis zum 16.9. ist die Ausstellung „Israel hängt Kafka“ in der Galerie Meinblau in der Christinnenstr. 16/18 zu sehen. Am Sonntag spielt um 16 Uhr Bernadette de la Hengst Kafkalieder zur Finissage

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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