Kein Staatsschutzjournalismus

Tag der Pressefreiheit Ich  bin kein Staatsschutzjournalist, lehne deshalb alle Gesetzesverschärfungen im Namen der Pressefreiheit ab. Vielleicht schließen sich dem andere Kolleg*innen an.

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Es passiert wohl nur in Deutschland, dass am Tag der Pressefreiheit, die eigentlich ein Schutzrecht gegen den Staat ist, über Gesetzesverschärfungen diskutiert wird. Denn im Diskurs der Staatsapparate und ihr nahestehenden Nichtregierungsorganisationen wird es nicht als Einschränkung der Pressefreiheit in Deutschland gesehen, dass das staats- und machtkritische Onlineportal Indymedia-Linksunten abgeschaltet und die vermeintlichen Verantwortlichen kriminalisiert wurden. Auch die häufigen Angriffe auf Polizist*innen auf Journalist*innen bei linken Demonstrationen kommen an diesen Tag kaum zur Sprache. Vielmehr werden als größte Bedrohung der Pressefreiheit in Deutschland Angriffe auf Journalist*innen durch verschiedene Protestszenen gesehen. Dabei geht es wahlweise um linke oder rechtsoffene Demonstrationen, beispielsweise der Gegner*innen der Corona-Maßnahmen. Schon wird ein neues Gesetz gegen die „Störung der Tätigkeit der Presse“ (https://justizministerium.hessen.de/presse/pressemitteilung/hessische-initiative-zum-schutz-der-pressefreiheit) vom Bundesland Hessen (https://www.faz.net/aktuell/rhein-main/nach-angriffen-auf-journalisten-schutz-der-pressefreiheit-im-strafgesetzbuch-17309552.html) in die Diskussion geworfen. Es soll demnächst im Bundesrat eingebracht werden. Dass es sich hier um eine weitere Einschränkung des Versammlungs- und Demonstrationsrechts handelt, wird aus dem in der FAZ vorgestellten Katalog der Strafverschärfungen klar, die von der hessischen CDU-Justizministerin Eva Kühne-Hörmann genannt werden.

Journalist*innen sollten auch mal Abstand halten

Da soll es schon justiziabel sein, wenn eine Personengruppe durch laute Sprechchöre oder Trillerpfeifen ein Interview verhindert, Fahnen und Transparente vor eine Kamera hält, so dass keine Filmaufnahmen mehr gemacht werden können. Oder, wenn jemand Journalist*innen das Aufnahmegerät aus der Hand reißt und es – womöglich sogar unbeschädigt – an einem anderen Ort ablegt. Ein anderes Szenario könnte dem Ministerium zufolge sein, dass Demonstrant*innen einem Übertragungswagen mit Reportern den Weg versperren. „Auch gewaltlose Störungen können die freie Berichterstattung durch die Presse massiv behindern“, sagt Kühne-Hörmann. „Zum Schutz der überragend wichtigen Pressefreiheit muss beides jedoch wirksam verhindert werden.“ Hier könnte mal von den Journalist*innen Haltung eingefordert werden, indem sie sich dagegen verwahren, für die weitere Verschärfung von Gesetzen herzuhalten und so zu Staatsschutzjournalist*innen werden. Schließlich können wir Journalist*innen es auch verschmerzen, wenn von einer Protestszene gerade nicht erwünscht sind. Wenn wir dann keinen Abstand halten, müssen wir auch mal Sprüche wie "Kameramann/frau - Arschloch" anhören. Solche Sprüche gibt es bereits seit Jahrzehnen auch in linken Protestszenen, in den letzten Jahren wohl auch zunehmend in rechtsoffenen Kreisen. Es gibt eben Situationen, wo alle mal nicht aufgenommen werden. Dass gilt übrigens für linke und rechte Demonstrationen und Veranstaltungen. Das mag nicht schön sein. Ist aber nicht mit Verfolgung von Journalist*innen durch Staatsapparate zu vergleichen. Wenn ich in einer Protestszene nicht erwünscht bin, kann ich mich entscheiden, zu dieser auf Abstand zu gehen. Wenn ich von Staatsorganen verfolgt werde, bin ich mit unterschiedlichen Formen von Kriminalisierung konfrontiert. Diese Unterschiede sollten nicht verwischt werden. Natürlich soll nicht in Abrede gestellt werden, dass beispielsweise linke Journalist*innen auch in ihren Privatleben verfolgt und belästigt werden. Dagegen sollen sie sich wehren und dafür verdienen sie auch Solidarität und Unterstützung.

Ein Grund für weitere Gesetzesverschärfungen im Namen des Schutzes der Presse sollten daraus aber nicht hergeleitet werden. Ich zumindest will kein Staatsschutzjournalist sein, lehne solche geplanten Gesetzesverschärfungen im Namen der Pressefreiheit ab. Vielleicht wollen sich dem weitere Kolleg*innen anschließen.

Nachtrag:

Staatsschutzjournalismus in Aktion

Nachtrag: Zudem muss festgestellt werden, dass sich das Selbstbild kritischer Journalist*innen geändert hat. Das zeigt ein aktueller Beitrag bei Netzpolitik.org,, ein Medium, das sich in der Vergangenheit schon Verdienste im Kampf gegen den autoritären Staat erworben hat. Doch nun bedient es sich geleakter Daten, um als Sensation herauszustellen, dass der Schauspieler Volker Bruch einen Mitgliedsantrag bei der Partei "Die Basis" gestellt hat. Als chronisch parteiferner Linker ist mir egal, ob Bruch bei der Klimaliste, den Grünen, der SPD oder eben der Basis Mitgliedsanträge gestellt hat. Sollte er aber tatsächlich mit den Videoprojekt allesdichtmachen (https://allesdichtmachen.de) mitgewirt haben, hat er sich künstlicherische Verdienste erworben. Dabei muss nicht mit den Aussagen der einzelnen Videos einverstanden sein. Doch sie sind witzig und haben die autoritäre Ader bei vielen sich sonst tolerant und divers gebenden Liberalen kenntlich gemacht. Weil sich wohl da Einige getroffen fühlen, bellen sie umso lauter die Künstler*innen an. Dazu gehört auch Daniel Laufer, der geleakte Daten benutzt, um die Privatangelegenheit eines Künstlers in die Öffentlichkeit zu zerren. Hätte ein solches Selbstverständnis von kritischen Journalismus bereits 1970er bestanden, hätten Journalist*innen Beamt*innen, die im Sinne des Radikalenerlasses Berufsverbote bekamen, hintergeforscht, um ihnen nachzuweisen, in welchen inkriminierten Organisationen sie doch Mitgliedsanträge gestellt haben.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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