Keine Räumung unter Vorwand des Brandschutz

Hausprojekt R94 Stadtteilinitiativen aus Berlin-Friedrichshain wehren sich eine erneute Eskalation im das linke Hausprojekt Rigaer Straße 94 und stellen einen Aufruf vor.

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Am 11. und 12. März könnte es zu einem neuen Großeinsatz der Polizei im Hausprojekt Rigaer Straße 94 im Berlin Friedrichshain kommen. Die offizielle Begründung ist die Erstellung eines Brandschutzgutachtens. Doch die Briefkastenfirma Lafone Investments Limited, die mit mehreren Räumungsklagen gegen Bewohner*innen der Rigaer Straße 94 vor Gericht gescheitert war, weil es ihr nicht gelang, rechtliche Formalitäten zu erfüllen, hat deutlich gemacht, dass es ihr um die Räumung des Hauses geht und fordert dafür Unterstützung von Polizei und Politik. In den letzten Tagen gab es deshalb Streit im Senat, weil mehrere Spitzenpolitiker*innen der Grünen auf Deeskalation setzen. Ihnen kann wenige Monate vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus nicht daran gelegen sein, dass der Konflikt um die Rigaer Straße 94 eskaliert. Der Baustadtrat von Friedrichshain/Kreuzberg Florian Schmidt will jetzt eine Begehung light, wie es eine Pressemeldung des Bezirksamts Friedrichsamt Kreuzberg/Friedrichshain nahelegt. Unabhängig von solchen wahltaktischen Agieren haben am 4. März auf einer Pressekonferenz Nachbar*innen und Stadtteilinitiativen aus Friedrichshain-Kreuzberg dazu aufgerufen, die angekündigte Eskalation im Friedrichshainer Nordkiez zu stoppen. Sie stellten einen Aufruf vor, der hier im Wortlaut veröffentlicht wird:

Gegen eine neue Eskalation von Polizei und Kapital in der Rigaer Straße 94!

Für den Erhalt des Hausprojekts Rigaer 94 und Kadterschmiede!

Am 11. und 12. März soll mit einen Großeinsatz das Hausprojekt Rigaer Straße 94 besetzt werden. Die offizielle Begründung ist die Erstellung eines Brandschutzgutachtens. Doch in Wirklichkeit geht es darum, dass nach der Räumung des anarcha-queer-feministischen Wohnprojekts Liebigstraße 34 ein weiteres linkes Hausprojekt verschwinden soll, dass den Vorstellungen eines Stadtteils im Sinne des Kapitals im Wege steht.

Das ist eine Kampfansage an alle Bewohner*innen des Friedrichshainer Nordkiez, die sich steigende Mieten nicht leisten können und die nicht in einem Stadtteil leben wollen, wie er auf Fotos der Broschüren der unterschiedlichen Investor*innen zu sehen ist. Deswegen rufen wir, die Bewohner*innen des Stadtteils, dazu auf, diese neue angekündigte Eskalation unter dem Vorwand des Brandschutzes zu stoppen. Die Bewohner*innen der Rigaer Straße 94 haben wiederholt erklärt, dass sie eine* staatliche* geprüfte* Brandschutzgutachter*in vom Bezirk ins Haus lassen, wie sie im November bereits auf eigene Initiative ein Brandschutzgutachten erstellen liessen, in dem festgestellt wurde, dass ein Teil der Mängel, die jetzt als Vorwand genannt werden, von dem letzten, rechtlich fragwürdigen, Einsatz von Polizei, selbsternannten Eigentümer und die von ihm angeheuerten Handwerkern verursacht, aber mittlerweile von den Bewohner*innen in Eigeninitiative behoben wurden.

Die angekündigte Eskalation erscheint uns als die Fortsetzung der bisher gescheiterten Versuche, das Hausprojekt Rigaer Straße 94 zu räumen, um den Kiez zu befrieden und weiter durchzugentrifizieren. Die Folgen für uns Bewohner*innen im Nordkiez erleben wir bereits jetzt jeden Tag. Ein massives Polizeiaufgebot leuchtet mal in die Häuser und kontrolliert wahllos Passant*innen und wenn die sich diesen Maßnahmen entziehen wollen, werden sie schon mal vom Rad gezerrt. Die Grundrechte von uns Bewohner*innen sind durch diese Polizeipräsenz massiv eingeschränkt. Was wir schon jetzt erleben, wäre nur ein Vorspiel, wenn der angekündigte Polizeieinsatz in der Rigaer Straße 94 umgesetzt wird. Bei vielen von uns werden Erinnerungen an die Wochen der Belagerung im Sommer 2016 wach, als der damalige Innensenator Henkel schon einmal die Rigaer 94 räumen lassen wollte und einen ganzen Kiez wochenlang belagern ließ. Für viele Menschen hier waren es traumatische Erinnerungen, aber es waren auch Tage der Solidarität, als sich viele Bewohner*innen für die Aufhebung der Belagerung aussprachen und einen Rückzug der Polizei forderten. Dass der Räumungsversuch schließlich von der Justiz für rechtswidrig erklärt wurde und sich Henkel eine krachende Niederlage einhandelte, war auch eine Folge dieser Solidarität unter den Bewohner*innen im Kiez, egal ob sie in einem Hausprojekt oder in Mietwohnungen leben. Daran wollen wir mit unserer Erklärung und der Pressekonferenz anknüpfen, bevor es zur nächsten Eskalation kommt.

Wir Bewohner*innen des Stadtteils fordern:

Beendigung der Eskalation im Nordkiez und Rückzug der Polizeitruppen!

Wir Bewohner*innen des Friedrichshainer Nordkiez wollen keinen erneuten Belagerungszustand!

Die dubiose Briefkastenfirma Lafone Investments Limited scheiterte bei mehreren Räumungsklagen gegen Bewohner*innen der Rigaer Straße 94 vor Gericht, weil es ihr nicht gelang, rechtliche Formalitäten zu erfüllen. Jetzt versucht sie erneut, die Hausbewohner*innen der Rigaer Straße 94 zu vertreiben und will dafür Unterstützung von Politik und Polizei.

Wir als Bewohner*innen des Friedrichshainer Stadtteils, sehen das Vorhaben, das Haus der Rigaer 94, unter dem Vorwand des Brandschutzes, zu beräumen als einen Angriff auf uns alle.

Jedes weitere Vordringen in unsere gelebte Kiezstruktur, samt dem von vielen unterschiedlichsten Gruppen samt Mieter*innen-Initiativen genutzten unkommerziellen Veranstaltungsraum Kadterschmiede in der Rigaer 94, wird eine Eskalation bedeuten, die niemand von uns hier wirklich will.

Vorläufig unterzeichnen hier:

Berliner Mietergemeinschaft BG Friedrichshain

Geigerzähler, Musiker

Andreas Komrowski, Nachbar

Nicole Lindner, Aktivistin für Mieten Wohnen und Soziales, Initiatorin dritte Mahnwache gegen Obdachlosigkeit in Berlin, Mitglied des Wohnungslosenparlament

Stadtteiliniative Wir bleiben alle Friedrichshain

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Hier wird der Beitrag dokumentiert, den ein Mitglied der Stadtteilinitiative Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft, der auch aktiv in der Stadtteilinitative "Wir bleiben alle Friedrichshain auf der Pressekonferenz gehalten hat:

Ich sage hier einige Worte als Mitglied der Bezirksgruppe Friedrichshain der Berliner Mietergemeinschaft (BMG) und der Stadtteilgruppe „Wir bleiben alle Friedrichshain". Als BMG sind wir eine Selbstorganisation von Mieter*innen und dazu gehören auch die Bewohner*innen der Rigaer Straße 94. Eine Räumung würde den Weg frei machen für die Realisierung von Investorenträumen, wie sie in deren Hochglanzprospekten zu sehen sind. Dort sind keine bunten Wände und Graffiti, kein Hausprojekte, aber auch keine Mieter*innen mit wenig Einkommen zu sehen. Dazu gehören die meisten Mitglieder der BMG. Wer in einen solchen Stadtteil nicht wohnen will oder es sich nicht leisten kann dort zu wohnen, muss sich jetzt gegen die angekündigte Eskalation rund um die Rigaer Straße 94 wehren. Dabei geht es nicht darum, dass man mit allen einverstanden sein muss, was die Hausbewohner*innen der R94 und ihre Unterstützer*innen schreiben und machen. Es geht vielmehr darum, dass die BewohnerInnen der Rigaer Straße 94 unsere Nachbar*innen sind und bleiben sollen. Nicht willkommen sind hingegen Investoren wie Padovicz oder Christoph Gröner (CG-Gruppe), der in der Rigaer Straße 71-73 gegen den jahrelangen Widerstand von Anwohner*innen ein Projekt errichten ließ, das zur Aufwertung des Kiezes beiträgt. Dagegen haben Anwohner*innen und Unterstützer*innen über Jahre vergeblich protestiert. Wir haben damals gesagt: „CG bedeutet Verdrängung“ und heute zeigt sich, dass in verschiedenen Häusern in der Umgebung die Mieten steigen und es auch schon (Eigenbedarfs)kündigungen wie in der Voigtstraße 36 ausgesprochen wurden. In der Rigaer Straße 66 werden Mieter*innen mit Abfindungen zum Auszug gedrängt, wie uns eine Mieterin des Haues berichte. Die Anwohner*innen, die sich über Jahre gegen die Investorenträume von Christoph Gröner wehrten, bleiben weiterhin aktiv, auch nachdem das CG-Projekt realisiert wurde. Daraus ist u.a. die Initiative „Wir bleiben alle Friedrichshain“ entstanden. Wir sind solidarisch mit den Bewohner*innen, die sich gegen die Vertreibung wehren, egal ob sie in Hausprojekten, in Mietwohnungen oder auf Wagenplätzen leben. Daher unterstützen wir den Aufruf gegen die Eskalation in der Rigaer Straße 94 unter dem Vorwand des Brandschutz. Wir möchten zudem auf die Demonstration zu Orten der Verdrängung und Vertreibung rund um die Rummelsburger Bucht hinweisen, die wir mit vorbereiten. Sie beginnt am Sonntag, den 14.3. um 14 Uhr an der Hauptstraße(/Ecke Knynaststraße. Wir werden vor Ort über die Investorenträume von Padovicz, Investa, Groth Gruppe und Streletzk informieren. Außerdem werden wir vom geräumten Camp der Obdachlosen zum ehemaligen Berliner Arbeitshaus an der Rummelsburger Bucht gehen. Ein Aktivist der Initiative "Marginalisierung gestern und heute" wird über die Brüche und Kontinuität von Ausgrenzung und Marginalisierung zu informieren.

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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