Keine seichte Konsenskunst

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Die Ausstellung „Selected Artists 2010“in der „Berliner Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst birgt Überraschungen

Kaum jemand der vielen Touristen, die täglich über den Berliner Boulevard Unter dem Linden schlendern, werden den quadratischen Stein wahrnehmen, der am Rande des Lustgartens steht. Ererinnert an den Widerstandder jüdisch-kommunistischen Gruppe Baumgegen den Nationalsozialismus.Auf der Tafel sind 34 Mitglieder der Gruppe verzeichnet, die nach einem Anschlagauf eine antisowjetische Propagandaausstellung der Nazis hingerichtet wurden.Indem einstündigen Film „Prachtstraße“von Johann Paul Raether,der noch bis zum 13. Februar im Rahmen der Ausstellung in der Berliner Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst zu sehen ist, wird die Gruppe Baum gewürdigt. Der Filmmacht am Beispiel des Boulevards „Unter dem Linden“ die Geschichtsvergessenheit eines Landes deutlich, dass sich als Weltmeister im Erinnern geriet, dafür in aller Welt feiern lässt und diese sogenannte Erinnerungsarbeit für das eigene Renommee nutzt.Er ist das Beispiel für eine Kunst, die nicht bei seichter Sozialkritik bleibt, wie man heute auch in jeder Bankzentralezu sehen bekommen kann. Die Deutschlandkritikvon Prachtstraße hält sich nicht mit Symptomen aufsondern stellt das Selbstbildnis einer sich als geläutert gebenden Nation infrage. Der Film, der allerdingsenglischer Sprache präsentiert wird, ist allein schon einen Besuch der AusstellungWert.


Fliegende Bananen undeine Kloopapierrolle

Doch auch die 13 anderen künstlerischen Positionen sind sehenswert. Mehr humoristisch ist die Installation des isländischen Künstlers EgillSaebjörnsson, der mehrereBoxen an die Wand der Galerie projiziert hat. Gelegentlich fliegt eine Banane von der einen in die andere Box. Das Klacken der sich öffnenden und schließenden Boxen begleitet den Besucher durch die gesamte Ausstellung.

Ingo Gerken lässt eine weiße Kloopapierrolle von der Decke herunter hängen.Mehr ins Philosophische geht das Video Person A von Karoline Meunier. Eine Frau schreitet in einem Raum auf und Ab und wiederholt: „Person A functions as a center point…“.

Matthias Einhoff hatin einen umgestürzten Baum Bildern von Migranten aus Kreuzberg platziert.Das Kunstwerk ist noch in Arbeit, weil immer noch neue Personen benannt werden können, deren Fotos in dem Baum Platz finden können. Die Installation bezieht sich auf die Äußerung eines christsozialen Politikers, dereinmal apodiktisch verkündete, dass in Deutschland kein Minarett höher sein darf als ein Maibaum.

Peter Nowak

Die Ausstellung „Selected Artists 2010“ist noch bis zum 13.2. in der Neuen Gesellschaft für Bildenden Kunst (NGBK) in der Oranienstraße 25 in Berlin-Kreuzberg zu sehen. Täglich 12 - 19 Uhr Do - Sa bis 20 Uhr. DerEintritt ist frei.

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Geschrieben von

Peter Nowak

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