Keine Wahl für die Linke in Frankreich

Debatte In den letzten Tagen wurde der Druck auf die Linken erhöht, den Wirtschaftsliberalen Macron in Frankreich zu wählen, um Le Pen zu verhindern. Doch das ist eine Zumutung.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Emmanuel Macron beim Verlassen der Wahlkabine
Emmanuel Macron beim Verlassen der Wahlkabine

Foto: Eric Feferberg/AFP/Getty Images

Warum sollen Prekäre, Gewerkschafter_innen und überhaupt Menschen mit niedrigen Einkommen einen Kandidaten Macron wählen, der nun die Mehrheit der Bevölkerung mit jenen Zumutungen beglücken will, die in Deutschland als Hartz IV bekannt sind? Der in den letzten Tagen vor der Wahl nicht einmal mit unverbindlichen Formelkompromissen auf die Wähler_innen der Linken zugegangen ist?

Damit würde sich die Linke nur unglaubwürdig machen und damit perspektiv die extreme Rechte stärken. Die kann nur geschlagen werden, wenn es gelingt, eine Linke aufzubauen, die nicht durch die Kooperation mit wirtschaftsliberalen Parteien kontaminiert ist.

Popanz Le Pen soll die Linke disziplinieren

Nun schreien viele Linksliberale, durch die Nichtwahl könnte die extreme Rechte in Gestalt von Le Pen an die Regierung kommen. Abgesehen davon, dass die Umfragen Macron als Sieger sehen, ist der Popanz extreme Rechte immer schon ein probates Mittel um die konsequente Linke zu domestizieren. Die Personen, die als Popanz aufgebaut werden, wechseln. In Deutschland war es F.J.Strauß, in Italien Berlusconi, in den USA Trump. Immer hat die Linke dabei verloren und die Rechte konnte trotzdem nicht verhindert werden. Wenn die extreme Rechte nicht an die Macht kam, haben die Wirtschaftsliberalen ihre Politik in schlauerer Art und Weise umgesetzt. Genau das wird auch in Frankreich geschehen. Französische Medien und Denkfabriken überlegen schon, ob Macron die französische Wirtschaft auf die Interessen des Kapitals trimmen kann, ohne dass es einen Massenwiderstand gibt. Deutschland wird in dieser Hinsischt als großes Vorbild genannt. Dazu muss die extreme Rechte erst als Popanz aufgebaut werden, damit auch große Teile der Linken die Wirtschaftsliberalen als letzte Retter sehen.

Der Schriftsteller Geoffroy de Lagasnerie hat eine Erklärung für den Popanz Le Pen:

„Damit wir am Ende glücklich sind über einen rechten konservativen Kandidaten. So war es in den Niederlanden. Da wird unsere Angst regiert. Lassen Sie uns nicht über die FN-Wähler sprechen, sondern über die vielen, die nicht wählen können und tatsächlich Ausgeschlossene sind. Menschen, die den FN wählen, tun dies, um repräsentiert zu werden. Das ist ein sehr gewaltvoller Akt. Aber was ist mit den Schwarzen, den Arabern in der Banlieue, die sich ausgeschlossen fühlen?“

Auch der junge Schriftsteller und Soziologe Edouard Louis hält nichts von der These, dass Macron das Gegenmittel zu Le Pen sind:

„Blödsinn. Politiker wie Macron haben Le Pen stark gemacht. Sie gaben sich als Linke und haben lupenrein rechte Politik gemacht, die Banken unterstützt, das Parlament geschwächt. Wenn er im ersten Wahlgang gewinnt, hat Le Pen im zweiten Wahlgang gute Chancen. Weil sie in erster Linie das Produkt des Ekels vor dieser konservativen Linken ist. Ich habe meine Mutter vor der letzten Wahl überzeugt, für Präsident François Hollande zu stimmen. Heute sagt sie, du hast mich betrogen, er hat vier Jahre lang Politik gegen uns gemacht. Jetzt ist sie geradezu besessen von Le Pen

Und Didier Eriborn, der im letzten Jahr mit seinen Buch "Rückkehr nach Reims" auch in Deutschland bekannt und populär wurde, hat zur Wahlenthaltung im zweiten Wahlgang und zum Aufbau einer neuen Linken aufgerufen. Dem kann man sich nur anschließen. Nur eine starke antagnostische Linke kann der Rechten den Weg zur Macht versperren.

Kampf auf der Straße und in der Fabrik gegen Macron und Le Pen

Ansonsten ist zu hoffen, dass die sozialen Bewegungen und Basisgewerkschaften sich wieder die Straße zurückerobern, wer auch immer Präsident wird. Ob Le Pen oder Macron, sie werden mit ihren Plänen nicht durchkommen, muss die Botschaft lauten.

Schließlich hatte ja erst im letzten Jahr eine Kombination aus sozialer Bewegung und Gewerkschaften für mehrere Monate in Frankreich die politische Agenda bestimmt. In dieser Zeit war der Front National ins Hintertreffen geraten. Die transnationale Unterstützung ist umso wichtiger, weil ja in Frankreich weiterhin der Ausnahmezustand gilt und keine der Präsidentschaftsbewerber_innen ihn aufheben will. In der aktuellen Ausgabe der Zeitung für Bürgerrechte Cilip wird auf dieses Frankreich im Ausnahmezustand eingegangen. Es besteht die Gefahr, dass soziale Grausamkeiten wie die Agenda 2010 oder die Rente mit 67 im Zeichen des Ausnahmezustands durchgesetzt werden sollen egal wer die Wahl gewinnt . Eine außerparlamentarische LInke sollte sich über alle Grenzen hinweg dagegen wehren und tatsächlich einen Pulse of Europe entfachten. Es sollte wieder das Bewusstsein entstehen, dass die, die die im Palast sitzen, relativ machtlos sind, wenn ein großer Teil der Bevölkerung den Widerstand gegen ihre Politik organisiert, in der Fabrik durch Besetzungen und Streiks, auf der Straße, in den Wohnquartieren.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden