Keine Shoah-Relativierung im Zeichen des Antifaschismus

Keine Wannseekonferenz 2.0 Eine rechte Klausur in Potsdam zum Thema Remigration sorgt mehr als 2 Monate später für große Aufregung. Das wäre eigentlich positiv, wenn hier nicht mit falschen historischen Vergleichen die Shoah relativiert würde

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Unmittelbarer Anlass war eine vor wenigen Tagen lancierte Meldung des linksliberalen Mediennetzwerks Correctiv, das ein Treffen einer Art Neuauflage der Harzburger beobachtet und ausgewertet hatte. Als Harzburger Front bezeichnete man in der Spätphase der Weimarer Republik ein Bündnis von Nazis, Rechtskonservativen und verschiedenen staatstragenden Parteien.

Auch in Potsdam trafen sich im November in einem noblen Hotel CDU-Mitglieder, andere Rechtskonservative, einige Vermögende, AfD-Politiker und sprachen über Remigration, die massenhafte Abschiebung von Menschen mit Migrationshintergrund. Dabei muss man sich zunächst über die Informationspolitik auch der Medien wundern. Da wurde von einem Geheimtreffen von Rechtsextremisten und AfD-Politikern gesprochen, als ob die große Mehrheit der AfD-Politiker nicht selbst Rechtsextremisten wären. Interessanter wäre es, darauf einzugehen, dass gerade bei diesem Treffen auch CDU-Mitglieder und Personen aus der Wirtschaft bei den rechten Treffen anwesend waren.

Diese Tatsache wurde durch die Themensetzung in den Hintergrund gedrängt. Auch der Begriff Geheimtreffen ist irreführend. Es handelte sich um ein nicht-öffentliches Treffen oder eine Klausurtagung, wie sie tagtäglich in solchen Hotels zu ganz anderen Themen stattfinden. Eine wirkliche Klausurtagung würde sicherlich nicht in einem solchen Hotel stattfinden.

Hier werden Erkenntnisse der Diskussion über die Shoah und Antisemitismus über Bord geworfen

Der Begriff soll etwas Illegales und Verschwörerisches suggerieren. Politisch noch absurder ist der Vergleich mit der Wannseekonferenz, auf der der Massenmord an den Juden besprochen wurde. Selbst eigentlich progressive Jurist*innenverbände schlagen in diese falsche Kerbe, in dem sie von Wannsee 2.o reden. Das ist aber ein bedeutender Rückschritt in einer linken Debatte, die sich auch etwas genauer mit der Shoah und dem mörderischen deutschen Antisemitismsu befasst hat. Die Vernichtung der Juden war ein deutsches Mordprojekt und ist in keinen Fall mit Diskussionen über Deportationen von Geflüchteten zu vergleichen. Mir ist nicht bekannt, dass jemand behauptet hat, beim Treffen in Potsdam wäre die Vernichtung von Geflüchteten besprochen worden. Die Remigrationskonzepte sind zu bekämpfen, egal, ob sie von SPD, Union oder Rechtsaußen forciert werden. Sie sind aber nicht die Vorstufe der Shoah. Hier werden einfach alle Erkenntnisse der jahrelangen Diskussion über Antisemitismus negiert.

Deportationen immer und überall bekämpfen

Warum aber verfallen selbst progressive Organisationen wahrscheinlich in bester antifaschistischer Absicht in diesen Alarmismus und setzen ein rechts Treffen zu Migration mit Shoah-Vorbereitungen gleich? Wahrscheinlcih weil sie nicht wahrhaben wollen, dass über Remigration nicht nur die AfD spricht.

Besonders markig äußerte sich erneut Bundeskanzler Scholz, der im Spiegel erklärte, dass in großem Stil abgeschoben werden müsse.

Es ist davon auszugehen, dass es dazu auch Klausurtagungen gab, also nicht öffentliche Treffen, bei denen die Details dieser angekündigten Massenabschiebungen besprochen wurden. Remigration nennt man das natürlich nicht. Aber für die Gegner jeder Abschiebung gilt das Motto "Stop Deportation". Alles schon vergessen? Und auch die Vorstellung, Menschen mit Migrationshintergrund mit deutscher Staatsbürgerschaft diese unter Umständen wieder zu entziehen, wird leider nicht nur in ultrarechten Kreisen diskutiert.- Inennministerin Faser hat erst vor nicht zu langer Zeit selbst nichtverurteilten Mitglieder angeblicher Clans mit Ausweisung gedroht und Unionspoltiiker*innen haben nach antisemitischen Aktionen nach dem Hamas-Pogrom auch erklärt, man müsse Menschen aus den arabsichen Staaten notfalls die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen, wenn sie sich antisemitisch betätigen. Alles schon vergessen?

Remigration findet längst statt - mehrheitlich an den EU-Außengrenzen

Und es bleibt längst nicht nur bei Konzepten. Remigration findet längst an den EU-Außengrenzen immer wieder statt. Dort werden Menschen immer wieder auch massenhaft zurück geschickt. Daher wäre doch die Aufregung um die rechte Klausur in Potsdam eine gute Gegelegenheit, über diese unterschiedlicnen Konzpete kritisch zu diskutieren. Dazu wäre erst einmal erforderlich, genau zu wissen, was auf der Potsdamer Klausur überhaupt Thema war. Ich habe nur einige Bruchstücke von einigen Teilnehmer*innen gehört, die vielleicht das Treffen auch harmloser erscheinen lassen, als es gewesen ist. Trifft aber zu, was sie darüber sagen, dann wurde auf der Klausur nicht viel anderes besprochen, als Politiker*innen der SPD und der Union in den letzten Monaten ankündigten. Übrigens, wo gehen diese Poitiker*innen mit ihren Berater*innen in Klausur, um die Abschiebungen in großen Stil (Bundeskanzler Scholz) vorzubereiten?

Hat die Abhöraktion von Correctiv eigentlich juristische Konsequenzen?

Wie würde denn auf antifaschistische und antirassistische Aktivist*innen reagiert, wenn die die Klausuren der herrschenden Remigrant*innen genau so mit technisch hochwertigen Methoden überwachen würden, wie es Correctiv mit der rechten Klausur in Potsam getan hat? War das eigentlich im Rahmen des bürgerlichen Rechts legal oder hat das noch ein juristisches Nachspiel? Gibt es eigentlich Teilnehmer*innen der rechten Klausur, die Anzeige gegen Correctiv gestellt haben? Wie reagiert die Justiz darauf? Auch darüber möchte man mehr erfahren. Denn schließlich gibt es ja auch nichtrechte Klausuren, also geschlossene Treffen, die von ihren Gegner*innen ähnlich ausgeforscht werden könnten- Oder sind diese Fragen in diesem Fall egal, weil es ja die "Richtigen" getroffen hat? Die Position kann man einnehmen, aber dann muss man auch die Konsequenzen was Meinungsfreiheit etc. betrifft, mitbedenken.

Ich werde mich auf jeden Fall nicht an den gegenwärtigen Furore beteiligen, sondern es mit der North East-Antifascist halten, die meines Erachtens in einer Erklärung alles notwenige dazu gesagt haben: Gegen Deportation von Geflüchteten - egal ob sie auf rechten Klausuren oder von Union und SPD vorbereitet werden.. Remigrationspläne von Rechten und Staat bekämpfen. Und es gilt, wenn schon historische Reminiszenezen herzustellen, dann die ricchtigen. Die rechte Klausur in Potsdam wäre dann mit Herzburger Front aber nicht mit der Wannseekonferenz zu vergleichen. Aber über die Kooperation von Kapital, Konservativen und Nazis schon in den frühen 1930er Jahren ist heute leider nicht mehr viel bekannt.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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