Klassenkampf am Campus

unter_bau Eine neue Gewerkschaft an der Frankfurter Uni will vom wissenschaftlichen Mitarbeiter bis zur Putzfrau alle Beschäftigten basisdemokratisch organisieren.

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Unter_bau wurde in der letzten Woche gegründet und ist ein weiteres Beispiel für eine Basisgewerkschaft, die sich in Bereichen gründet, wo DGB-Gewerkschaften entweder nie vertreten waren oder an Hegemonie verloren haben.

Peter Nowak sprach mit den Pressesprecher_innen von unter_bau Anna Yeliz Schentke und Manuel Müller über den Zweck der neuen Gewerkschaft und ihrer Positionierung in der Gewerkschaftslandschaft.

1.) Was ist das spezifisch Gewerkschaftliche an Eurer Organisation?

Selbstverständlich hat der unter_bau vor, das gewerkschaftliche Kerngeschäft abzudecken. Deswegen macht er keinesfalls Halt vor tariflichen Auseinandersetzungen, die zu den grundlegenden Arbeitsfeldern einer Gewerkschaft gehören. Für uns heißt das, in alltäglichen Auseinandersetzungen neue Bildungspraktiken, Arbeitsbeziehungen und Entscheidungsstrukturen zu etablieren, die an die Stelle der alten Hochschulordnung treten können. Dies unterscheidet den unter_bau auch von etablierten Gewerkschaften, die keine grundlegende Strukturänderung anstreben.


2.) Warum organisiert Ihr Euch nicht bei der GEW oder der
Dienstleistungsgewerkschaft verdi?

Der unter_bau unterscheidet sich von seiner Struktur her stark von anderen Gewerkschaften, da ihm ein föderales Konzept zu Grunde liegt. Entscheidungen werden basisdemokratisch getroffen, mögliche Funktionärsstrukturen werden durch dieses Konzept ausgeschlossen. Es ist wichtig, dass es sowohl GEW, als auch ver.di gibt, um Arbeitskämpfe zu führen, allerdings ist das Selbstverständnis des unter_bau insofern weitreichender, als dass es politisch ist. Es geht über einfache Lohnpolitik hinaus, indem eine Einmischung in die Gestaltung der sozialen Umwelt programmatisch ist. Ziel ist eine Transformation der Universität, die nur durch ein Infragestellen der bestehenden Machtstrukturen umsetzbar wird. Der unter_bau will den Angehörigen der Universität die Möglichkeit bieten, sich durch statusgruppenübergreifende Solidarität aktiv, und orientiert an den eigenen Interessen und Forderungen, einzusetzen. Sie müssen sich dadurch nicht schon bestehenden gewerkschaftlichen Strukturen unterordnen, sondern gelangen in die Position, selber eine neue Form von Arbeitskampf führen zu können.

3.) Ist eine Zersplitterung der Gewerkschaftslandschaft sinnvoll?

Die Gründung des unter_bau sollte unter keinen Umständen als Spaltungsmoment für die Gewerkschaftslandschaft betrachtet werden: Wir machen lediglich Gebrauch von dem Recht auf Gewerkschaftspluralismus und Koalitionsfreiheit, wie es allen Arbeitnehmer_innen gesetzlich zusteht. Von der Analyse und der Programmatik des unter_bau ausgehend, kann die Organisierung am Arbeitsplatz durch verschiedene Gewerkschaften, die kollegial und solidarisch miteinander arbeiten, nur begünstigt werden. Dies sollte, unserer Meinung nach, auch das Verständnis von gewerkschaftlicher Arbeit anderer Genoss_innen sein, um gemeinsam grundlegende Veränderungen am Arbeitsplatz zu ermöglichen. Die Gründung des unter_bau sollte daraus folgend keinesfalls als Zersplitterung aufgefasst werden. Sie aktiviert Arbeitnehmer_innen, die sich durch die vorhandenen Organisierungsangebote nicht angesprochen fühlen. Ein Blick auf die großen Verbände in anderen EU-Ländern zeigt, dass deren Basis häufig vielmehr Autonomie genießt, als wir es vom DGB kennen, und dass sie sich, über einfache Lohnpolitik hinaus, politisch in die Gestaltung der sozialen Umwelt einmischen. Das Setzen von Impulsen solcher unabhängigen Gewerkschaften, kann verborgene Kräfte sichtbar machen, die letztlich auch die etablierten Gewerkschaften befruchten können.

4.) Dann gibt es ja noch die Basisgewerkschaft Freie ArbeiterInnen-Union (FAU,) die auch eine Bildungssektion hat und ebenfalls sämtliche Beschäftigte in den Hochschulen in einer Gewerkschaft organisieren will. Kommt das nicht Euren Vorstellungen nahe?

Unser Konzept ist ganz klar von der FAU Berlin inspiriert, die in den Vergangenheit große Erfolge verbuchen konnte. Wir halten es nach unserem Selbstverständnis für unabdingbar, sich von Gewerkschaften und Organisationen, die innovative Inhalte haben, anregen zu lassen. Allerdings ist der unter_bau spezifisch auf die Angehörigen der Universität zugeschnitten. Im unter_bau sind einige FAU-, sowie DGB-Mitglieder organisiert, die keinen Widerspruch darin sehen, verschiedene Konzepte gewerkschaftlicher Organisierung zu unterstützen. Im Rahmen der Ausrichtung der Universität hin zur unternehmerischen Hochschule mussten wir feststellen, dass bildungspolitische Inhalte zunehmend in den Hintergrund rücken. Dieser Entwicklung möchte der unter_bau klar entgegentreten, indem er Gewerkschaftsarbeit und Politik zusammenbringt. Insgesamt wird der Anspruch der FAU vom unter_bau weitestgehend geteilt, trotz allem muss sich das Konzept des unter_bau, angepasst an die spezifischen Beschäftigungs- und Bildungsbedingungen an der Hochschule, unterscheiden.

5.) Kann sich auch eine Putzfrau und die Mensabeschäftigte an der Hochschule bei Euch organisieren?

Der unter_bau ist für alle Statusgruppen, die an der Universität beschäftigt sind, sowie für Studierende, offen. Die Universität unterscheidet sich von ihrer Struktur her stark von anderen Arbeitgeber_innen, sie beschäftigt die Arbeitnehmer_innen auf sehr unterschiedliche Weise. Viele Bereiche, wie zum Beispiel der Reinigungssektor oder das Sicherheitspersonal werden zu weiten Teilen von externen Dienstleister_innen abgedeckt. Häufig sind die Angestellten höchst prekären Beschäftigungsverhältnissen ausgesetzt. Studierende, Hilfskräfte, wissenschaftliches Personal und administrativ-technisches Personal arbeiten alle gemeinsam an der Universität. Es ist für alle Gruppen von Beschäftigten offensichtlich, dass nicht nur am eigenen Arbeitsplatz zunehmend Ausbeutungsverhältnisse gefördert werden. Daraus ergeben sich auch gemeinsame Themenfelder für den Arbeitskampf, die bisher nicht ausgeschöpft wurden. Alle Statusgruppen leiden schlussendlich unter der Ökonomisierung der Hochschule, die sowohl in der Mensa, als auch in der Lehre und Wissenschaft ihr Hauptaugenmerk auf Effizienz gerichtet hat und die dadurch den eigentlichen Bedürfnissen der Menschen an der Universität widerspricht. Eine Trennung von akademischem und nicht-akademischen Personal und die damit einhergehende Hierarchisierung lehnt der unter_bau ab. Durch solidarische Zusammenarbeit können erst neue Dynamiken und Stärken ans Tageslicht kommen und ihre Schlagkraft entfalten.

6.) Was sind Eure konkreten Forderungen und wie wollt Ihr sie erreichen?

Das Ziel ist eine soziale Hochschule in basisdemokratischer
Selbstverwaltung: Ihre Angehörigen sollen gleichberechtigt entscheiden und ihr Profil nicht von wirtschaftlichen Interessen bestimmt sein. Ein solches Ziel erfordert eine Gewerkschaftspolitik, die Tageskampf und grundlegende Veränderung zusammen denkt. Grundsätzlich geht es darum, Einfluss auf Alltag und Struktur der Hochschule zu nehmen, sowie kontinuierlich Erfahrung aus Arbeitskämpfen weiterzugeben. Dadurch soll eine Gegenmacht entstehen, mit der sich die Herrschaftsstrukturen an der Hochschule aufbrechen lassen, sodass alternative Strukturen Raum greifen können. Arbeitsbedingungen werden prekarisiert und Stellen abgebaut, Arbeiten outgesourct und Belegschaften gespalten, Zwang im Studium erhöht und kritische Inhalte verdrängt, die soziale Selektion verschärft und Bildung der Verwaltung von Humankapital unterworfen. Aus diesen Zuständen ergeben sich für uns unter anderem folgende konkrete Forderungen: Wiedereingliederung von outgesourcten Arbeitsplätzen, Tarifverträge für alle Beschäftigtengruppen, mehr Raum für kritische Studieninhalte, die nicht nach rein ökonomischen Interessen ausgerichtet sind. Dazu gehören auch die Forderungen nach mehr unbefristeten Stellen, insbesondere im Mittelbau und einer ausreichenden Finanzierung aller Fächer. Dies lässt sich nur verwirklichen, indem wir die Probleme an der Wurzel packen und damit die Hochschule zu einer grundlegenden Veränderung ihrer Struktur drängen. Dies soll Antrieb und Anfangspunkt für eine gesamtgesellschaftliche Transformation sein.

Interview: Peter Nowak

Link zur Homepage der Basisgewerkschaft:

http://unterbau.org/

http://facebook.com/unterbau.org/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

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