Für eine gewerkschaftliche Orientierung der Klimabewegung?

Klimabewegung und Gewerkschaft Eine Podiumsdiskussion mit Klimaaktivist*innen aus verschiedenen Gruppen kann jetzt hier digital nachgehört werden (siehe Links am Schuss des Textes:

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Politik der gewerkschaftlichen Orientierung, abgekürzt auch GO, dieser Begriff war in den 1980er Jahren in der gesellschaftlichen Linken sehr bekannt. Damit war eine eine enge Kooperation mit abhängig Beschäftigten und progressiven Gewerkschaftler*innen gemeint. Mit der GO-Politik wollte man sich von einer linken Szenepolitik abgrenzen. Doch sie schien lange vergessen. Jetzt könnte er in der Klima- und Umweltbewegung wieder neu ausformuliert werden. Das wurde auf einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel „“ deutlich, zu am 11. Mai unterschiedliche Klimaaktivist*innen eingeladen werden.

Felicitas von der Gruppe „Wir fahren zusammen“ vertrat offensiv die gewerkschaftliche Organisierung der Klimabewegung. Entstanden ist die Initiative bereits 2020 bei damaligen Tarifkampf der Beschäftigten des Öffentlichen Nahverkehrs, der von Aktiven von Fridays For Future unterstützt wurde. Wegen der Corona-Pandemie kam es damals allerdings nur zu wenigen öffentlichen Aktionen. Nach der Pandemie konnten die Aktiven an den Erfahrungen aufbauen. Höhepunkt dieser Kooperation war am 3.3. 2023 der gemeinsame Streik von Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes und der Klimaaktivist*innen. Felicitas schildert am Beispiel von Köln, wieviel Engagement die Klimaaktivist*innen in diese Zusammenarbeit gesteckt haben. Zunächst hatten die Beschäftigten ihnen reserviert gegenüber gestanden, auch wegen der Medienberichte über die Räumung von Lützerath, wo viel Stimmung gegen die Menschen gemacht wurde, die sich der Kohleabbaggerung von RWE entgegenstellten. Die Aktivist*innen hätten sich aber nicht entmutigen lassen und haben in Köln Unterschriften für einen Solidaritätsaufruf mit dem Streik der Beschäftigten im Öffentlichen Nahverkehr gesammelt. Das hat dann dazu geführt, dass sie sich auch an den Streiktag am 3.3. beteiligten und sogar gemeinsam mit den Klimaaktivist*innen vom Busdepot zum Sammelplatz der Demonstration gegangen. Hinterher hätten sich viele Beschäftigte sehr positiv über die gemeinsame Demonstration geäußert, betonte Felicitas, die von einen Beispiel sprach, das auch bei anderen Arbeitskonflikten Erfolg versprechen könnte. Sinnvoll wäre es allerdings, zu analysieren, ob aus einer solchen kurzfristigen Kooperation eine langfristige Zusammenarbeit entstehen kann. Im Sommer 2021 unterstützten Klimaaktivist*innen Beschäftigte eines Münchner Boschwerks, das bisher Autozubehör produzierte und geschlossen werden sollte. Dort haben die Umweltgruppen auch konkrete Vorschläge für die Produktion von umweltfreundlichen Produkten gemacht. Leider ist nach dem Ende des Konflikts nichts mehr darüber berichtet worden, ob und wie die Zusammenarbeit in München weitergegangen ist. Sie hat allerdings andere inspiriert.

Nach dem Münchner Beispiel haben sich Verkehrswendeaktivist*innen sogar in der VW-Stadt Wolfsburg das Ziel gesetzt, mit ihren Vorschlag, künftig dort Straßenbahnen statt Autos zu produzieren, die Belegschaft auf ihre Seite zu bringen. An einen Verkehrswendekonzept im Zentrum von Wolfsburg beteiligten sich auch einige VW-Kolleg*innen.

Von einen noch weitergehenden Beispiel der Kooperation zwischen Automobilarbeiter*innen und der Umweltbewegung berichtete auf der Veranstaltung Johanna Schellhagen von Labournet.tv. am Beispiel der von Teilen der Belegschaft besetzten Fabrik für 'Autozubehör GKN in Campi Bisenzio in der Nähe von Florenz. Nachdem das Werk geschlossen werden sollte, wurde es von den Arbeiter*innen nicht nur besetzt, sie fordern auch die Umstellung auf eine Produktion von umweltfreundlichen Produkten. Getragen werden die Aktionen von organisierten Beschäftigten, die sich seit Jahren auch als Teil der linken Protestbewegung verstehen. In einem von labournet.tv gedrehten Video (https://de.labournet.tv/lasst-uns-aufstehen-das-fabrikkollektiv-gkn) sprechen Beschäftigte auch die Frage der Produzent*innenmacht an. "Mich hat niemand gefragt was ich gerne produzieren würde, als sie mich eingestellt haben," sagt dort ein GKN-Besetzer.

Wir sind nicht Klimaabteilung der IGBCE“

Allerdings ist die gewerkschaftsorientierte Orientierung bei den Klimaaktivist*innen durchaus umstritten, wie Konrad von der Gruppe „Sand im Getriebe“ (SIG) auf der Veranstaltung deutlich machte. SIG kämpft für die schnelle Abwicklung der Autoindustrie und will den Bau weiterer Autobahnen verhindern. Dabei seien die Gewerkschaften nicht Feinde aber öfter Gegner, betonte Konrad. Seine Gruppe wolle keine Ersatzgewerkschaft spielen und auch die Interessengegensätze nicht verwischen. „SIG vertritt nicht die Automobilarbeiter*innen, wir wollen den Betrieb beenden, auch im Interesse der Menschen im globalen Süden“ formuliert Konrad eine Position, die für lebhafte Diskussionen sorgte. Er begründete seine Position auch mit den Erfahrungen, die viele der Aktivist*innen bei der Klimagruppe Ende Gelände gemacht haben. Da habe mal lange versucht mit den Beschäftigten der Kohleindustrie in der Lausitz ins Gespräch zu kommen und sei auf Desinteresse bis offene Ablehnung auch bei der zuständigen Gewerkschaft IGBCE gestoßen. Dabei handelt es sich um eine Gewerkschaft, die den Standort Deutschland in den Mittelpunkt stellt und aktuell gegen einen früheren Ausstieg aus der Kohleindustrie in der Lausitz mobilisiert. Eine Mittelposition nahm Maximilian Wedekind auf dem Podium ein, der in der Klimagruppe „Letzte Generation“ für die Kontakte zu den Gewerkschaften verantwortlich ist. Er befürwortet diese Kooperation, würde aber die Aktivitäten der Gruppe nicht davon abhängig machen. Ihm sei klar, dass die Blockade von Straßen bei vielen Beschäftigten nicht auf Zustimmung stößt. Sie seien aber trotzdem notwendig, um für die Forderungen seiner InitIative zu kämpfen, betont Wedekind.

Raus aus dem Kapitalismus

Lothar Galow-Bergemann von der wertkritischen Gruppe Krisis warnte vor der Vorstellung, dass der Bau von Straßenbahnen statt Autos ausreiche, um die Klimakrise zu meistern. Er sprach von der Krise des warenproduzierenden Kapitalismus. Mit Verweis auf das im letzten Jahr im Unrast-Verlag erschienenen Buch „Shutdown – Klima, Corona und der notwendige Ausstieg aus dem Kapitalismus“, zudem er Artikel beigesteuert hat, plädierte Galow-Bergemann für eine Gesellschaft, in der statt Lohnarbeit Tätigkeit zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen im Mittelpunkt steht. Diese Vorstellung stoße auch bei vielen Gewerkschaften, die die Lohnarbeit unkritisch verteidigen, berichtet er. Eine solche theoretische Orientierung könnte eine Klammer sein, auf die sich die unterschiedlichen Gruppen der Klimabewegung und progressive Gewerkschaftler*innen jenseits kurzfristiger Aktionen verständigen könnten. Das könnte das Thema einer weiteren Diskussionsveranstaltung sein, zu der dann aber auch Gewerkschaftler*innen eingeladen werden sollten, die am 11. Mai am Podium fehlten.

Peter Nowak

Die erfreulich kontroverse Diskussison kann in zwei Teilen hier nachgehört:

Teil 1:

https://archive.org/details/2023-07-19-16h-radio-aktiv-stop-killing-refugees-klima-krieg-krise

Teil 2:

https://archive.org/details/2023-08-02-16h-radio-aktiv-klima-krieg-krise-pt-02

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

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