Komopolitische Ausstellung in Brandenburg

Rohkunstbau Kindheit und Jugend soll der Rote Faden der diesjährigen Ausgabe der Ausstellung im Schloss Roskow sein. Aber lassen wir die 10 Kunstwerke selber auf uns wirken.

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Die Seniorinnen, viele im neunten Lebensjahrzehnt tauschen Erinnerungen an Kindheit und Jugend in Deutschland aus. Am Anfang scheint es eine idyllische Erinnerung zu sein, die schnell vom Schrecken überblendet werden. Die Frauen sind Jüdinnen, die in Deutschland geboren wurden und es gerade noch geschafft haben, den Deutschen zu entkommen. Sie treffen sich in Israel, dem Land ihrer Rettung und sprechen über ihr Leben Eine der Frauen erinnert sich noch, wie stolz ihr Vater gewesen war, für Deutschland im 1. Weltkrieg gekämpft zu haben und dann erkenne musste, dass auch das ihn nicht vor dem deutschen Vernichtungswahn schützte. Berliner Runde heißt der 45minütige film von Clemens Krauss, die in der diesjährigen Ausstellung Rohkunstbau im Schloss des Brandenburgischen Schlösschen Roskow zu sehen ist. Jede Besucher_in sollte sich Zeit nehmen, den Film anzusehen und auch ein weiteres Video von Krauss nicht verpassen. Es befindet sich auf der Treppenempore zum ersten Stock von Schloss Roskow, der allerdings aus baulichen Gründen für die Ausstellung gesperrt ist. „Anyway“ heißt das 5.minütige Video, dass der pubertierende Clemens Krauss gedreht hat und sich um die Schwierigkeiten eines Pubertierenden handelt, sich mit seinem Geschlecht abzufinden.

Eine Jugend in der DDR

Auch Armin Schreiber geht es in seinen gestreiften Bildern um seine Kindheit in der DDR. Man denkt dabei an alte Fernsehgeräte, wenn der Sender nicht störungsfrei eingestellt war. Funkstörung könnte man sagen, es ist die Funkstörung von jungen Menschen, die ihre Jugend noch in einen nichtkapitalistischen Staat verbracht haben und denen nach der Übernahme durch den kapitalistischen Nachbarstaat durch alle ideologischen Staatsapparate eingeredet wurde, dass sie diese Zeit möglichst schnell vergessen oder zumindest als eine ganz schreckliche Epoche in Erinnerung behalten sollen. Schreiber positioniert sich in seiner Arbeit nicht. Er lässt nicht erkennen, ob er diese ständige Zumutung, das Leben in einer Zeit, in der nicht alles auf die kapitalistische Verwertbarkeit getrimmt war, ablehnt. Diese Offenheit, die durchaus angenehm ist, weil sie die Betrachtenden fordert, prägen zahlreiche der 10 Installationen, die in diesem Jahr in Schloss Roskow zu sehen ist. Der rote Faden soll „Kindheit und Jugend in der globalisierten Welt des 21.Jahrhunderts“ sein, wie es im Vorwort des Katalogs heißt. Dort ist auch die UN-Kommission über die Rechte der Kinder abgedruckt. Da wird etwas viel Sinnzusammenhang hergestellt.

Lassen wir doch die Kunstwerke für sich selber sprechen. Dazu gehört der Kurzfilm La Dolce Syria, des im Berliner Exil lebenden Filmemachers Ammar Al-Beik, der Szenen aus den syrischen Bürger_innenkrieg mit Episoden aus Flimen von Federico Fellini mixt. Sokari Douglas Camp hat eine raumfüllende Metallskulptur hingestellt, die als Kombination aus Ölfässern und Stahl auf die fortgesetzte Umweltzerstörung internationaler Ölkonzerne in afrikanischen Ländern wie Nigeria hinweisen soll. Gleich einen ganzen Einkaufsladen hat die chinesische Künstlerin Jia entworfen, um auf das Schicksal der Kinder jener chinesischer Wanderarbeiter_innen im heutigen China zu erinnern, deren Nominalsozialist_innen schon längst auf den kapitalistischen Weg sind, Während die Eltern der Lohnarbeit hinterher reisen, müssen die Kinder in ihren Geburtsorten bleiben. Das wäre kein Problem, wenn es ein Erziehungssystem im Sinne der feministischen Kommunistin Alexandra Kollontai geben würde, in den Bezugspersonen die Eltern ersetzen Allein, im heutigen China müssen sich Verwandte und Großeltern um die verwaisten Kinder kümmern. Ein großes Plus auch dieser Ausgabe von Rohkunstbau ist ihr Kosmopolitismus. Die Kunst, die hier ausgestellt ist, kennt keine Grenzen. Wer die Ausstellung besuchen will sollte eine Tagesreise einplanen. Vom Bahnhof Brandenburg fährt am Wochenende, die Tage der Ausstellung lediglich um 13 Uhr ein Bus nach Roskow. Eine dreistündige Wanderung durch die Brandenburgische Landschaft ist eine gute Alternative und eine passende Vorbereitung für eine Ausstellung, die man nicht einfach kurz konsumieren sollte.

Peter Nowak

Link zur Ausstellung:

http://www.boell-brandenburg.de/de/rohkunstbau

0. Juli 2016 – 18. September 2016, Schloss Roskow
Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag, 12-18 Uhr
Eröffnung: 09. Juli 2016, 15.00 Uhr

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Geschrieben von

Peter Nowak

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