Kriminalisierte Künstler*innen in Deutschland

Grup Yorum Es ist gut, dass die Ermittlungen gegen das Zentrum für politische Schönheit eingestellt wurden. Doch sie sind nicht die einzigen kriminalisierten Künstler*innen hier

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Es gab in den letzten Tagen empörte Reaktionen, als bekannt wurde, dass ein wohl rechtslastiger Staatsanwalt seit Monaten gegen die sich selbst als Künstler*innen bezeichnende Gruppe Zentrum für politische Schönheit (ZPS) wegen Bildung einer kriminellen Organisation ermittelt. Es ging um deren Einquartieren in der Nachbarschaft des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, dessen Leben sie angeblich auch gründlich ausspioniert haben. Eine Aussage, die sie später dementierten. Man muss die Kunst und auch den Kunstbegriff des ZPS nicht mögen, um die Einstellung des Verfahrens zu begrüssen. Doch leider erwecken vor allem die liberalen Unterstützer*innen der ZPS den Eindruck, es sei eine einmalige Situation, dass Künstler*innen in Deutschland mit Kriminalisierung rechnen müssen.

Der Irrtum des Heribert Prantl

So erklärte der liberale Publizist Heribert Prantl in einem Interview mit dem Deutschlandfunk:

Im Interview mit dem Deutschlandfunk erklärte er zu dem Verfahren gegen das ZPS:

Es ist nicht merkwürdig; es ist ungeheuerlich. Mir ist so was in meiner Praxis, weder als Richter und Staatsanwalt - die Zeit war nur kurz, aber immerhin bin ich jetzt seit 33 Jahren rechtspolitischer Journalist und politischer Journalist - mir ist so was nie untergekommen. Es gibt keinen Fall, bei dem eine Staatsanwaltschaft gegen eine Künstlergruppe wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung ermittelt. Das ist absurd! Es führt überhaupt kein juristischer Weg dahin. Der 129 StGB (Strafgesetzbuch), um den es hier geht, das ist eine Vorschrift; da ermittelt man gegen extreme Rockerbanden. Da ermittelt man gegen Leute, die des Todschlags verdächtig sind, des Mordes, des Raubes, der Vergewaltigung, der großen und groben Drogendelikte.

Heribert Prantl, Deutschlandfunk

Doch Prantls Aussagen entsprechen nicht der Wahrheit. So geht die deutsche Politik und Justiz seit Jahren zum Beispiel gegen die linke türkische Band Group Yorum repressiv vor (Wenn eine Band zum Sicherheitsrisiko erklärt wird). Es gibt sogar Schreiben aus den Bundesinnenministerium, in dem Szenarien ausgearbeitet werden, wie Auftrittsverbote der Band in Deutschland gerichtsfest durchgesetzt werden können. So wird auch Druck auf die Veranstalter*innen ins Gespräch gebracht. Diese Strategie hat Erfolg: Die Konzerte der Bands werden verhindert, wenn sie doch stattfinden, wie zweimal in Fulda, durften die Veranstalter*innen keinen Eintritt verlangen, keine Spenden sammeln und auch keine CDs und Platten der Band verkaufen (Verbote, Schikanen, finanzielle Verluste). Dabei lautete das Motto des Konzerts "Gemeinsam gegen den Rassismus". Selbst das Organisieren von Konzerten wurde in mehreren 129b-Verfahren gegen in Deutschland lebende türkische Linke als Beweis für das strafbare Verhalten der Personen herangezogen.

Nun gibt es für die Aussage Prantls zwei Erklärungen. Entweder er kennt die Fälle nicht, was allerdings für einen auf die Justiz und Rechtsprechung fokussierten Publizisten merkwürdig wäre. Oder Prantl sieht die Band Group Yorum nicht als Künstler, weil sie sich eindeutig links positionieren. Nun handelt es bei Group Yorum unzweifelhaft um eine Band, die in der Türkei vor vollen Sälen spielt. Ihr gelingt es, die zersplitterte linke Opposition im Konzertsaal zu einen.

Das schnelle Ende der Ermittlungen gegen das ZPS zeigt, was möglich ist, wenn es eine große Bewegung gegen Repression gibt und sich auch Liberale daran beteiligen. Daher sollten jetzt alle die, die sich in den letzten Tagen so vehement für die Kunstfreiheit des einsetzten, diese auch für Grup Yorum einfordern. Wie wäre es, wenn Heribert Prantl offiziell als Anmelder eines Konzerts der Band auftritt.

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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