Sind im Kampf gegen Rechts Berufsverbote ein adäquates Mittel?

Lehrerin mit Campact-Kontakt In Brandenburg wurde eine Lehramtskandidatin entlassen, der vom Verfassungsschutz Mitarbeit beim rechten Compact-TV vorgeworfen wird. GEW und LINKE kritisieren jetzt, dass sie zu spät entlassen wurde. Hier mein Widerspruch:

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Ich brauche nun wahrlich keinen Verfassungsschutz, um das rechte Compact-Magazin als das zu erkennen, was es seit Jahren ist: eine Plattform für deutschen Nationalismus, für Relativierung des NS etc. Nun wird seit einigen Tagen darüber diskutiert, warum eine Lehramtskandidatin in Brandenburg, die angeblich für das Compact-TV mit Perücke gearbeitet hat, nicht früher vom Dienst suspendiert wurde. Doch mehr Sorgen, als über eine Lehrerin, die für Compact arbeiten, mache ich über Linke und Linksliberale, die plötzlich für Berufsverbote eintreten, wenn sie nur die "Richtigen", also die Rechten treffen. So monierte die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), dass die Lehrerin sofort entlassen wurde.

So heißt in einer Regionalzeitung:

"Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält die Entscheidung der Fachabteilung für falsch. Nach Ansicht des Landesvorsitzenden Günther Fuchs hätte das Ministerium die Lehrerin im befristeten Beamtenverhältnis nach der Mitteilung des Verfassungsschutzes sofort vom Dienst freistellen sollen. „Wenn es berechtigte Zweifel an der Verfassungstreue gibt, dann gibt es Klärungsbedarf“, sagte Fuchs. „Und diese Klärung muss nicht in der Schule stattfinden.“

Hat die GEW aus der jahrzehntelangen Berufsverbotspraxis in BRD, Westberlin und DDR nicht gelern? Warum rekurriert Fuchs auf Mitteilungen des Verfassungsschutzes (VS), der wie alle Geheimdienste dahin gehört, wo die Stasi gelandet ist, auf den Müllhaufen der Geschichte. Zumindest nach der Selbstaufdeckung des von Verfassungsschutzleuten fürsorglich beobachteten Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) schien die Forderung nach einer Auflösung des VS Konsens. Und jetzt sollen dessen Informationen darüber entschieden, ob eine Lehrerin entlassen werden soll?

Ähnlich widersprüchlich ist die Haltung der Brandenburger Linkspartei. Die hatte doch noch im letzten Jahr vor der Wiedereinführung der Regelanfrage des Verfassungsschutzes in Brandenburg gewarnt und klargestellt, dass solche staatsautoritäre Maßnahmen auch nicht mit den Kampf gegen Rechts begründet werden können. Das haben übrigens ehemlige linke Opfer von Berufsverboten auch immer wieder betont. Auch die LINKE in Brandenburg stößt jetzt ins Horn der GEW und echauffiert sich, dass die Lehrerin nicht schon früher vom Beruf freigestellt wird.

Wenn es um Gesinnung statt um konkrete Handlungen geht

Dabei haben weder GEW noch die Brandenburger LINKE Informationen geliefert, dass die Lehrerin sich in der Schule antisemitisch, rassistisch etc. geäußert hat. Das wäre ein Kriterium, um zu entscheiden, ob die rechte Lehrerin ihren Beruf weiter ausüben darf. Dazu braucht es auch keinen Staatsschutz und keine Staatsschutzlinke sondern couragierte Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen, die sich wehren, wenn rechte Ideologie verbreitet wird.

Nach den Presseberichten geht es hier um die Gesinnung einer Lehrerin, wie in den 1970er und 1980er Jahren. Damals mussten sich Lehrer*innen in Westdeutschland von autoritären Staatsapparaten gefallen lassen, nach ihren Mitbewohner*innen in der Wohngemeinschaft gefragt zu werden und auch ein in der Nähe einer linken Demonstration geparktes Auto konnte den Verdacht auf mangelnde Verfassungstreue erregen. Natürlich auch die Mitarbeit in inkriminierten- damals meistens linken - Zeitungen oder Rundfunkprojekten. Das nannten die Kritiker*innen damals Gesinnungsschnüffelei. Damit war die Verdächtigung, Sanktionierung und Entlassung von Personen, nicht wegen konkreter Handlungen, sondern wegen vermeintlicher oder tatsächlicher Nähe oder gar Mitgliedschaft in von den Staatsorganen inkriminierten Parteien, Organisation oder Medien. Wollen wir solche Methoden unter den Deckmantel Kampf gegen Rechts wieder beleben? Meine Antwort ist klar: Nein. Ich werde immer meine Stimme gegen Compact und Co. erheben. Ich werde Schüler*innen und Lehrer*innen unterstützen, die verhindern wollen, das rechte Ideologie an den Schulen verbreitet wird. Ich bin aber strikt dagegen, dass Lehrer*innen nicht auf Grund von konkreter Handlungen sondern wegen von Verfassungsschutzorganen gesammelten Informationen entlassen werden. Daher gilt für mich weiter die Forderung: Keine Berufsverbote, keine Gesinnungsschnüffelei und die Auflösung aller Verfassungsschutzämter. Rechte bekämpft man nicht mit autoritären Staatsapparten sondern mit Eigeninitiative und Selbstorganisation.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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