Little Rommel schwäbelt

Kongo Müller Die Theater Rampe Stuttart nimmt einen in der BRD verbotenen Film zum Anlass für einen lustigen Theaterabend. Doch der gesellschaftskritische des Filmes fehlt

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Kongo-Müller kennenheute nur noch wenige. Dabei sorgte er Mitte der 60er Jahre für einen Skandal. Das DDR-Filmduo Walter Heynowski und Gerhard Scheumann haben den Söldner, der sein Mordsgeschäft, das er in der Naziwehrmacht gelernt hat, in Afrika zur Vollendung brachte, an die Öffentlichkeitgezerrt. Sie mussten sich natürlich eine Legende ausdenken. Als vermeintliche Mitglieder eines westdeutschen Revanchistenvereins interviewtensie den Kongo-Söldner. Der musste sich nicht lange bitten lassen und erklärte unter den Einfluss von hochprozentigem Alkohol frank und frei, dass er in Afrika die westliche Freiheit verteidigt. Er redete so wie alle deutschen Nazis, die nach 1945 ihre Hassliebe auf die westlichen Alliierten entdeckt haben und nur da wieder weitermachen wollten, wo sie im Mai 1945 aufhören mussten. „Der lachende Mann“,sohieß der Film über Kongo-Müller, war ein sehr aufklärerisches Werk und ein frühes Dokument über den (west)deutschen Revanchismus, der sich Mitte der 60er Jahre schon wieder seinen Platz an der Sonne zurückerobert hat. Konsequenterweise war er in der BRD verboten. Jetzt hat die Künstlergruppe Theater Rampe Stuttgart Kongo Müller zum Subjekt ihres neuesten Theaterstücks mit den programmatischen Titel „Und es mag am deutschen Wesen die Welt genesen“ gemacht.

"Ich bin Laurenz Leky und möchte das alles hier unter bringen".

Mit einem vollgepackten Rucksackkommt ein junger Mann in Wanderoutfit auf die kleine Bühne des Berliner Theaterdissounter und stellt sich mit dem Satz vor: Ich bin Laurenz Lekyund möchte das alles hier unter bringen. In den folgenden 100 Minuten wird der Jungschauspieler ein Programm zwischen Theater, Slapstick und Kabarett bestreiten. Meistens ist es sehr witzig, nur gelegentlich redundant und manchmal war es regelrecht aufklärerisch. Am Anfang werden Szene aus dem Film „Der lachende Mann“ gezeigt und von Leky kommentiert. Wenn der Schauspieler dann seine Biographie mit der des Kongo-Müller vergleicht, ist es gelegentlichlustig, oft aber auch banal. Viel Raum nimmt die Afrika-Tour des Jungschauspielers und seinesRegisseurs Jan Christoph Gockel ein: Oft sieht man Lekybeim Googeln im Internet und manchmal auch mitten im Geschehen, so bei den Freudentänzen, die in Ostkongo ausbrechen, als die Falschmeldung vom Tod des ruandischenPräsidenten Kagame die Runde machen. Auch hier wechseln lustige Szenen mit Banalen ab und manchmal fragt man sich, warum Leky vor der Leinwand herum hampeln muss, als dort Straßenszenen im Kongo zu sehen waren.

Little Rommel mit grüner Vergangenheit

Doch bald kommt deraktuelle Teil des Abends und da wird schnell deutlich, dass die Einführung sehr zentral. Leky sieht den Kongo-Müller als Vorläufer einer deutschen Außenpolitik, die wieder um den Platz an der Sonnekämpft.Gut arbeitet Leky das Wirken des weitgehend unbekannten Martin Kobler heraus, der als Leiter der UN-Friedensmission im Ostkongo in den letzten Monaten für mehrere militärischeEinsätze gegen Akteure im verworrenen kongolesischen Bürgerkrieg verantwortlich zeichnet. In vielen Medien wurde berichtet,Kobler habe die militärische Komponente des UN-Einsatzes ausgeweitet und aus die UN-Mission militarisiert Da vergisst auch Leky nicht zu erwähnen, dass Kobler politische Erfahrungen im Büro von Josef Fischer gesammelt hat Fälschlicherweise bezeichnet Leky Kobler auch als früheren Pazifisten, was sich aber in dessen Biographie nicht nachvollziehbar ist. Kobler war Bundeswehrsoldat, hat also nicht verweigert. Aber oft wird eben das Etikett Pazifismus sofort gezogen, wenn es um die Vergangenheit der Grünen geht. Dabei hat der Büromitarbeiter Kobler nur den Werdegang seines Chefs Fischer nachvollzogen. Der hat schließlich deutsche Kriegseinsätze wieder möglich gemacht und damit auch der Karriere von Kobler den Weg geebnet. Deutschlands neues Afrika-Engagement führte über das Bombardement Jugoslawiens. Diese Zusammenhänge aber zieht Leky nicht, so wie er von wirtschaftlichen und politischen Interessen Deutschlands nichts wissen will. Dafür konstruiert er ein ominöses deutsches Wesen, dass in Kongo-Müller genauso wirken soll, wie in Kliensmann, Kobler und vielleicht sogar ins uns allen? Zumindest Leky selber stellte sich ja Leky am Beginn des Stücks so ostentativ in die Tradition des Kongo-Mülles, dass er förmlich in dessen Biographie kriecht.

Unterschied zu Heynowski und Scheumann

Hier wird auch der Unterschied zu dem Vorgehen Walter Heynowskis und Gerhard Scheumanns deutlich. Das Filmduo thematisierte, wie Wehrmachtssoldaten an Massakern in Afrika beteiligt sind und damit von alten Kameraden in Stiftungen und anderen deutschen Auslandsorganisationen Rückendeckung finden. Schließlich verteidigt man ja gemeinsam die westliche Freiheit, wie auch Kongo-Müller im Neusprech der im Kalten Krieg wieder verwendungsfähigen Nazis betont. Es wäre tatsächlich eine interessante Frage, zu untersuchen, wie heute Kobler und Co, sowie diverse NGO in Afrika deutsche Interessen verteidigen. Doch genau das ist Lekys Frage nicht. Für ihn steht im Mittelpunkt, dass Kobler ebenso wie Kliensmann schwäbeln, wenn sie ihren Weltmachtanspruch anmelden und verkünden, dass wer im Fußball wie in der Weltpolitik noch mitspielen will, an Deutschland nicht vorbeikommt. Eine Kritik an den Verhältnissen ist damit aber nicht mehr verbunden. Das Publikum lacht und denkt sich, wie weit wir es wieder gebracht haben. Selbst, wenn Kobler von afrikanischen Gesprächspartnern wegen der gemeinsamen Herkunft aus Stuttgart als Little Rommel bezeichnet wird, ist eine Kritik damit nicht mehr verbunden. Schließlich galt Rommel ja immer als der gute Nazi und in den 50 und 60er Jahren wurde er von alten und jungen Kameraden immer wieder zum Vorbild stilisiert. Eine kritische Generation hat diesem Rommelbild die simple Realität entgegengestellt. Auch er trug wie sämtliches Militärpersonal mit dazu bei, dass das Nazisystem funktionierte: Es ist den britischen Truppen zu verdanken, dass Rommels Afrikafeldzug scheiterte, was auch eine Überlebensgarantie der in Palästina lebenden Juden bedeutete. Im Jahr 2014 ist es aber in Deutschland wieder ein Pluspunkt, mit Rommel in Verbindung gebracht zu werden. Und wenn am Ende des Theaterabends Leky auch mal ein kritisches Wort zu Kongo-Müller verliert, dann wird deutlich, wie weit er von dem gesellschaftskritischen Impetus von Walter Heynowski und Gerhard Scheumann entfernt ist. Ihn stört an Kongo-Müller, dass er an das erinnert, was für ihn an der Vergangenheit hassenswert war. Dass für ihn die deutsche Teilung an wichtiger Stelle steht, ist bezeichnend. Auch Kongo-Müller und seine Freunde waren natürlich auch für eine Überwindung der deutschen Teilung zu ihren Bedingungen. Das war schließlich der Grund für ihren Kampf für die vielstrapazierten westlichen Werte. Heynowski und Scheumann standen für das, was vielen Zeitgenoss_innen Kongo-Müllers an der DDR besonders hassenswert war: dass sie immer wieder die Kontinuitäten des deutschen Imperialismus benannte und sie auch an Kongo-Müller festmachte. Ohne die deutsche Teilung hätte es ihren Film nicht gegeben.

Netter Kabarettabend und nachher den Film

Anders als Leky versuchen sie in ihn nicht hineinzukriechen sondern auf Distanz zu bleiben. Genau diese Distanz wird im Theaterstück nicht sichtbar. Allerdings hat es doch das Verdienst, an den weiterhin sehenswerten Film „Der lachende Mann“ zu erinnern, der vielen nicht bekannt ist. Und das Stück ist bis auf einige Längen unterhaltsam und witzig. Wer einen lustigen Kabarettabend erleben will, wird mit dem Theaterbesuch zufrieden sein. Zum kritischen Verständnis sollte man den Film „Der lachende Mann“sehen.

Peter Nowak

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Peter Nowak

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