Man sollte sie nicht nur im Theater loben

Bühne „Illegale Helfer“ der Regisseurin Maxi Obexer handelt von Zivilcourage und sollte eine Aufforderung zum Handeln sein

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Denia Nironen, Friedemann Eckert und Andrea Thelemann als bürokratische Flüchtlingshelfer
Denia Nironen, Friedemann Eckert und Andrea Thelemann als bürokratische Flüchtlingshelfer

Foto: HL Böhme

In den letzten Tagen war Bundesinnenminister Thomas de Maiziere heftig in die Kritik geraten und sogar mit Rücktrittsforderungen konfrontiert worden, weil er in einem Interview unterstellt hatte, dass 70 % der ärztlichen Atteste für Geflüchtete aus Gefälligkeit ausgestellt würden. Wie könne man nur den Berufsstand der Ärztinnen und Ärzte so in ein schlechtes Licht rücken, lautete unisono die Kritik an dem Minister.

Nun ist es schon bezeichnend, dass es auch die scheinbar so wortgewaltigen Kritiker_innen des Innenministers für ehrenrührig halten, wenn Ärzt_innen tatsächlich ihre Möglichkeiten nutzen würden, um möglichst vielen Migrant_innen mittels Attest vor der Abschiebung zu bewahren. Schließlich ist ja Krankheit oft kein fest umrissener Befund, und daher gäbe es sicher genügend Spielräume, die die Mediziner_innen nutzen könnte. Sie wären dann „Illegale Helfer_innen“ also Menschen, die sicher nicht erst den Gesetzestext studieren, wenn sie mit dafür sorgen, dass Migrant_innen in dem Land bleiben können, in dem sie leben wollen.

„Illegale Helfer“ heißt auch das Theaterstück der österreichischen Autorin Maxi Obexer, das zurzeit im Reitstall des Potsdamer Hans Otto Theaters aufgeführt wird. Auf einer Drehbühne treten Menschen aus der viel zitierten Mitte der Gesellschaft auf, mit Berufen, in denen sie zumindest begrenzt Einfluss darauf nehmen können, ob ein Mensch bleiben darf oder gehen muss. Dazu gehören Richter_innen, Anwält_innen oder eben Ärzt_innen, die eigentlich im Staatsapparat reibungslos funktionieren, ihren Job und keinen Ärger machen sollen.

AfD-Politiker wollte Premiere verhindern

Die Darsteller_innen auf der Bühne machen auch ihren Job, aber nicht im Sinne der Gesetzgeber_innen. Sie haben die Brutalität der Abschiebemaschinerie erkannt und wollen nach ihren Möglichkeiten dafür sorgen, dass sich Menschen ihr entziehen können.

Da ist der Sacharbeiter einer Ausländerbehörde, der sich weigert, die Abschiebeformulare abzustempeln. Da ist der Richter, der schwer verständliche Gerichtsentscheidungen ignoriert und Geflüchtete und ihre Helfer_innen freispricht. In seiner Urteilsbegründung bezeichnet er die als Schlepper diffamierten als Menschen, die eine sozialnützliche Dienstleistung ausüben und Anspruch auf ein angemessenes Honorar haben.

Gleich in der ersten Szene wird ein couragierter Helfer in einer Zwangsjacke von der Bühne getragen. In diesen Kontext werden auch immer wieder Ärzt_innen und Pflegepersonal erwähnt, die als illegale Helfer_innen aktiv sind. In der politischen Debatte der letzten Wochen gab es keine Stimmen, die Ärzt_innen, die sich in diesem Sinne betätigen, den Rücken stärkten. Auf der Theaterbühne sind solche Diskussionen einstweilig noch möglich.

Doch wie lange noch? Ein Potsdamer AfD-Politiker hat bereits versucht, die Premiere des Stücks zu verhindern, weil dort angeblich zu gesetzwidrigen Handlungen aufgerufen werde. Es wäre wünschenswert, wenn – ganz gegen die Intention der Ordnungspolitiker_innen der unterschiedlichen Fraktionen – die Besucher_innen des Stücks den Illegalen Helfer_innen nicht nur im Theater applaudieren würden, sondern sie sich im Alltag zum Vorbild nehmen.

Peter Nowak

Deutsche Erstaufführung
Illegale Helfer
Maxi Obexer

http://www.hansottotheater.de/spielplan/premieren-2015-2016/illegale-helfer/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden