Mit Snikers und Schlüssel ins Paradies

Märtyrer Museum, Eine Ausstellung im Berliner Bethanien echauffiert die Rechte, die sie nicht gesehen haben. Kritik aber verdient sie trotzdem.

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Die französische Botschaft protestiert und die Rechtspopulistin Beatrice Storch hat die Justiz eingeschaltet. Dass ist für eine Kunstaktion eigentlich die beste Publicity. Daher ist es erstaunlich, dass die Ausstellung des dänischen Künstler_innenkollektivs „The other Eye of The Tiger“ schlecht besucht ist. Noch bis heute Abend hat ihr Märtyrer-Museum im Berliner Bethanien geöffnet. Täglich zur vollen Stunde könnten dort Besucher_innen knapp 40 Minuten eine Lektion in Märtyrerkunde nehmen. Dazu müssen sich der Schuhe entledigen und werden in ein mit Gardinen abgegrenztes Kabinett geführt. Dort sind im Halbdunkel in einer sakralen Atmosphäre Konterfeis von Menschen zu sehen, die nun wirklich nichts miteinander zu tun haben.

Mit Snikers ins Paradies

Sokrates ist darunter, irgendwelche Christ_innen, die angeblich für ihren Glauben gestorben sind und die Sozialistin, Atheistin Rosa Luxemburg und der gläubige US-Bürgerrechtler Martin Luther King sowie ein durchgeknallter US-Bürger namens Marshall Applewhite, der einer Gruppe namens Havens-Gate anleitete. Sie glaubte, mit Nike-Schuhen und T-Shirt komme man besser ins Paradies. Als 1997 ein Komet sich der Erde näherte, meinten er und seine Jünger_innen, nun stünde das Himmelstor offen und verübten Massenselbstmord. Doch für Aufregung sorgte, dass mit Mohammad Atta und Omar Ismael Mustafa zwei aktuelle islamistische Attentäter ins Kabinett der Märtyrer aufgenommen wurden. Der eine flog eines der Flugzeuge am 11.9.2001 ins World Trade Center, der andere schoss im Pariser Club Bataclan auf Party-Gäste. Nun ist der Vorwurf, hier würden Islamisten verherrlicht absurd. Klar, der sakrale Rahmen könnte eine Art Anerkennung bedeuten. Aber insgesamt wird versucht, das anhand dieser und anderer Personen in die Märtyrerlogie einzuführen. Doch hier genau hierin besteht die Schwäche der Installation. Es gibt eben keinen gemeinsamen Begriff vom Märtyrer. Das wird in der Installation deutlich. Da wird ein 11jähriger Junge erwähnt, von dem nur ein zerfetzter Workman und ein Schlüssel übrig geblieben ist. Er hat im Krieg zwischen Iran und Irak einen irakischen Panzer gesprengt, kam dabei selber um und wurde von Ajatollah Chomenie zum Vorbild erklärt. Tausende Kinder und Jugendliche sollten ihm nacheifern und gingen mit einem Schlüssel um den Hals in den Tod. Der Schlüssel sollte das Tor zum Paradies aufschließen. Hier wird der menschenfeindliche Charakter des islamischen Regimes besonders deutlich. Doch diese Hintergründe vermittelt die Installation nicht, die sich in eine fragliche Wissenschaft der Märtyrerlogie verbeißt.

Was hat Rosa Luxemburg dort zu suchen?

Was hat aber eine Rosa Luxemburg dort verloren? Sie war keine Märtyrerin und hat sich auch nie so verstanden. Sie war eine Jüdin und Sozialistin, die von den Freikorps im Auftrag der sozialdemokratischen Parteiführung erschlagen wude. In dem Begleittext wird erfreulicherweise darauf hingewiesen, dass Luxemburgs Mörder „pro-nazistisch“ waren. Tatsächlich trugen die Freikorps bereits das Hakenkreuz auf dem Helm und waren die Vorläufer der NS-Bewegung. Sebastian Haffner war einer der wenigen Chronisten, der mit den Morden an Luxemburg und Liebknecht und den vieler namenloser Arbeiter_innen den Beginn des Massenmordes im NS sieht. Doch Luxemburg war keine Märtyrerin. Wird sie nur vom Künstler_innenkollektiv dort aufgenommen, damit auch eine Linke dort erwähnt wird? Wir wissen es nicht. Trotzdem ist die Kunstinstallation interessant und bestimmt wird niemand verherrlicht. Es lohnt sich, es zu besuchen und auch kritisch nachzufragen, was die Künstler_innen bezwecken. Die Intervention der Rechtsaußen Beatrice Storch, die schon öfter mit Zensurversuchen auffällig wurde, aber sollten wir klar zurückweisen.

Peter Nowak

HIer Infos zur Ausstellung:

(https://www.eventbrite.de/e/martyrermuseum-tickets-38225499498?aff=erelexpmlt)

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Geschrieben von

Peter Nowak

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