Kommt und seht

No Masters Territories So lautet der Titel einer Ausstellung, die noch bis zum 28.8. im aus der Kulturen der Welt zu sehen ist. Es werden auch viele Filme der proletarischen Frauenbewegung gezeigt.

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Ganz langsam wird das Gesicht der älteren Frau vergrößert und schwebt dann ganz in Schwarzweiß über den Bildschirm, als wäre sie von einem frühbürgerlichen Maler verewigt worden. Doch es sind die Gesichter von proletarischen Frauen, die in den frühen 1970er Jahren nachts die Büros der Londoner City reinigten. Man sieht sie die Schreibtische abstauben und die Toiletten putzen. Doch vor allem sieht man hier, wie sich diese Frauen gewerkschaftlich organisieren, um ihre Arbeits- und Lebensbedingungen zu verbessern. Sie berichten daüber, wie sie kaum Schlaf finden, weil sie neben ihrer Nachtarbeit noch die Familienarbeit und Kindererziehung übernehmen müssen. Und man sieht in ihren Augen, dass sie sich von den mühsamen Prozess der Organisierung tatsächlich eine Verbesserung ihrer Situation versprechen. Sie werden immer selbstbewusster, schließlich sind sie als Night-Cleanerinnen Teil von großen Gewerkschaftsdemonstrationen. Die Gesichter, die im ganz in schwarz-weiß gehaltenen Film immer wieder groß zu sehen sind, spiegeln die Hoffnung der Frauen, die Selbstermächtigung, den Stolz, aber auch die Nachdenklichkeit oder den Widerspruch, wenn auf den Organisationstreffen an ihren Problemen vorbeigerdet wird. So wurde der Film Nightcleaners, der von dem linken Berwick Street Film Collective über den Arbeitskampf gedreht wurde, zu einem wichtigen Dokument dieses Kampfes vor 50 Jahren. Wer von den oft proletarischen Frauen, die im Film zu Wort kommen und denen man ihre Klassenherkunft ansieht und anhört, lebt heute noch? Das denkt man sich, beim Betrachten des 95minütgen Films. Aber auch die Frage, was ist von ihren Hoffnungen und der Selbstermächtigung geblieben, die in dem Film so deutlich in den Gesichtern der Frauen zum Ausdruck kommt. Wir wissen nur, dass der zweite Film, der die Fortsetzung ihres Kampfes dokumentieren sollte, nicht mehr zu stande kam. Wurde der Kampf wie so oft von der Gewerkschaftsbürokratie abgebrochen? Oder was waren die Gründe, dass die hoffnungsvollen Ansätze, die im Film zu sehen sind, versandeten? Es ist schade, dass wir darüber in einen zweiten Film nicht mehr erfahren. Aber immerhin hat das Berwick Street Film Collecitve 1975 den Film herausgegeben. Er ist heute ein Fenster in die frühen 1970er Jahre in Großbritannien als die Arbeiter*innenklasse sich zu organisieren begann, die träge Gewerkschaftsbürokratie oft ignorierte und dabei Unterstützung auch von einer sehr hetergonen außerparlamentarischen Linken erfahren. Der Kampf der Nightcleanerinnen steht da in einer Reihe mit dem Lucas-Plan beim britischen Konzern Aerospace, wo 1974 Arbeiter*innen konkrete Pläne entwickelten, wie sie statt Rüstungsgüter zivile Produkte herstellen könnten. Der Zyklus dieser Arbeiter*innenmacht zieht sich durch die siebziger Jahre. Ein zentraler ­Moment war der Streik der Beschäftigten der Firma Grunwick Film Processing Laboratories von 1976 bis 1978. Es war der längste Ausstand migrantischer Beschäftigter, den London je gesehen hatte, und die Streikenden ­waren überwiegend Frauen aus Asien, die eigentlich als schwer organisierbar galten. Mit dem Grunwick-Streik gelang es erstmals, die britischen Gewerkschaften für die Belange von Frauen aus Asien zu interessieren. Solidarität erfuhren sie zudem aus verschiedenen Teilen der außerparlamentarischen Linken. Auch Arthur Scargill, der Vorsitzende der National Union of Mineworkers, mobilisierte viele Bergleute, mit denen er sich am Solidaritätsstreik beteiligte. Mit dem fast einjährigen Bergarbeiterstreik endete diese Phase des Selbstbewusstseins des Proletariats. Niedergeschlagen wurde er von der thatcheristischen Konterrevolution. Die war so gründlich, dass viele der Beteiligten sogar am liebsten die Jahre vergessen wollten, als sie von einer anderen Welt nicht nur träumten sondern konkret an ihren Arbeisplatz dafür kämpften. Die Frauen aus dem Film Nightcleaners gehörten dazu. Der Film wird kaum noch gezeigt, als er in einer Ausstellung in Berlin-Kreuzberg vor einenigen Jahren zu sehen war, wurde er sogar entwendet. Schließlich ist hat er Kultstatus und wird heute vor allem unter der Rubrik feministische Kämpfe eingereiht.

Die Solidarischen Füße

Feminist Worldmaking and the Moving Image heißt auch das Ausstellungsprojekt, das noch bis 28. August im Haus der Kulturen (HdKW) der Welt zu sehen ist. In der großen Halle des HdKW sind auf Monitoren über 80 Filme zu sehen, die in sich der Frauenbefreiung widmen. Daneben laufen im Kino des HdKW immer besondere Filme auf der großen Leinwand. Mittwoch ab 15.20 Uhr ist dort Nightcleaners zu sehen. Aber auch für die große Halle sollte man sich viel Zeit nehmen auf der Entdeckungsreise zu den Filmen über die Kämpfe von Frauen. Da stößt mensch auf den 11minütigen Film Solidary der kanadischen Filmemacherin Joyce Wieland. Sie dokumentiert einen Arbeitskampf, mit dem sich 1972 und 1973 Frauen einer Keksfabrik in Ohio gegen schlechte Arbeitsbedingungen und Niedriglohn von Frauen wenden. Die Filmemacherin zeigt nur die Füße der Menschen, die sich an den Demonstrationen während des Streiks beteiligten. Der Film endet mit der kämpferischen Rede einer Arbeiterin, die die Zusammenarbeit der Klasse gegen die Macht des Kapitals einfordert. Da erinnert man sich, dass es auch in der BRD in den 1970er Jahren Frauen gegen den Gendergap, wie der Niedriglohn von Frauen bald genannt wurde, kämpfen. Filme wie „Keiner schiebt uns weg“, der den langen Kampf der Heinze-Frauen für gleichen Lohn für gleiche Arbeit dokumentiert, hätte auf jeden Fall in die Ausstellung bepasst. Aber auch die angebotenen Filme sind gerade deswegen sehenswert, weil sie auch die proletarische Frauenbewegung mit einbeziehen und sich eben nicht nur auf einen postmodernen Feminsmus beziehen, der immer neue Opfergruppen kennt, die es zu theraphieren gibt. Die Filme hingegen zeigen Frauen, die sich dagegen gewehrt hätte, als Opfer oder vulnerable Personen oder wie die neumodischen Begriffe des woken Kapitalismus lauten, bezeichnet zu werden. Sie betonten gerade ihre Stärke, weil sie sich organisierten, weil sie sich mit Kolleginnen trafen und ihre Probleme, auch mit nervigen Männern in der Linken selber lösten. Ich kann nur empfehlen, auf Entdeckungsreise in die Filmwelt der Frauenkämpfe zu gehen. Ich gebe nur einige wenige Hinweise. Der Film „Miss Universum in Peru“ der Grupo Chaski zeigt die zwei Welt in Peru der 1980er Jahre. Während in Lima die weiße Oberschicht die Wahl der Miß Universum zelebrierte und dabei viel Propoganda über westliche Werte ausstieß, trafen sich indigene Frauen aus ganz Peru zum Kongress der Bauern-Föderation.

Zwei getrennte Welten

Im Film wird auch durchhaus humorvoll gezeigt, dass es zwischen den zwei Welten keine Verbindung gibt, dass die alte Welt im Kampf untergehen muss. So war es auch 1917 in Russland. Die Welt des absterbenden Feudalismus mit seinen skurillen Begleiterscheinungen wie einen Wundermönch Rasputin ging mit der Oktoberrevolution unter. Die neue proletarische Macht erklärte den 8. März zum Kampf der Frauen. Ein Kurzfilm in der Ausstellung zeigt, wie damals im Auftrag der Sowjetmacht Filme produziert wurden, die die Sache der Frauenbefreiung in der Bevölkerung populär machen sollte. Dort wurde auch gezeigt, dass am 8. März die Pfaffen und Bourgeoisie dumm aus der Wäsche gucken, weil die Frau ihren Feiertag kämpferisch begehen . Esfir Shub gehörte zu den Pionierinnen des sowjetischen Films, mit Schwerpunkt Frauenbefreiung. In der Ausstellung ist der Film „Internationaler Frauenkongres in Moskau 1946 zu sehen, dessen Titel schon den Inhalt ausdrückt. Der Aufbruch von 1917 war durch die stalinistische Konterrevolution fast erloschen, die Frauenorganisationen sind zu bürokratischen Organisationen geworden. Und trotzdem glimmt unter der Asche noch das Feuer der Revolution, wenn Frauen aus aller Welt sich mit Befreiungskämpfen solidarisieren und die Widerstandskäpferinnen gegen den Nazismus ehren. Sehr beeindruckt hat mich auch ein Film 10minütiger Film zur Beerdigung von Simone De Beauvoir, wo Grussadressen von feministischen Kollektiven aus aller Welt eingetroffen sind. Ich kann nur empfehlen, nutzt die letzte Woche kommt und seht.



Peter Nowak

Infos zur Ausstellung:

Jun 19–Aug 28, 2022

No Master Territories

Feminist Worldmaking and the Moving Image

Haus der Kulturen der Welt

Mittwoch - Montag 12 - 20 Uhr,

jeden Montag ist der Eintritt für Alle frei,

https://www.hkw.de/en/programm/projekte/2022/no_master_territories/start.php

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Geschrieben von

Peter Nowak

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