Wenn sich Postautonome an den Feuertonnen von Lützerath wärmen

Perspektive der Klimabewegung Viel wird in letzter Zeit über die Krise der Klimabewegung geredt. Massenblockaden und andere Aktionen sind schon berechenbar geworden und trotz vielen Diskussionen geht alles seinen kapitalistischen Gang.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Da ist es gut, wenn über Perspektiven diskutiert wird .Diesen Anspruch haben auch die Genoss*innen aus der Interventionistischen Linken und dem Bündnis Umsganze, die in der aktuellen Ausgabe des Wochenend-ND einen Beitrag liefern. Schon die Überschrift "Schafft zwei drei viele Lützeraths weisst für sie den Weg. Sie orientieren sich an dem Dorf ganz im Westen von NRW, das im Januar 2023 von der Polizei geräumt und mittlerweile abgerissen wurde. Es war Monate zuvor von der Klimagerechtigkeitsbewegung zum Symbol für ihren Kampf erklärt worden. Aber wieso wird ausgerechnet eine Symbolpolitik, die zu einer offensichtlichen Niederlage führte, als Perspektive benannt? Was heißt denn zwei, drei viele Lützeraths? Sind dass dann Dörfer, die militant verteidigt und trotzdem geräumt werden? Und warum wird dann nicht wenigstens der Hambacher Forst als Symbol benannt, in dem ja tatsächlich noch Besetzer*innen leben, der aber auch akut bedroht ist. Die geschrumpfte Zahl der Besetzer*innen hat dazu aufgerufen, sie in ihrem Kampf zur Verteidigung des Waldes zu unterstützen. Trotzdem wird der Hambacher Forst in dem Artikel mit keinen Wort erwähnt, obwohl doch die Kampfform ihren Vorstellungen entsprechen dürfte. Auch dort kann man sich an Feuertonnen wärmen.

Ws aber die größere Kritik ist. Durch diese Konzentration auf irgendwelche Dörfer wird vergessen, ,dass de Kampf um eine emanzipative Klimapolitik nur mit einer großen Zahl von Menschen gewonnen werden kann. Deshalb ist es erfreulich, dass sich seit einigen Jahren Klimaaktivist*innen und Lohnabhängige in Initiativen zusammenfinden. Die bekannteste dieser Initiativen heißt "Wir fahren zusammen", wo sich Beschäftigte des Öffentlichen Nahverkehrs und Klimaaktivist*innen zusammengefunden haben. Konfliktreicher ist die Kooepraton zwischen einigen Beschäftigten von VW-Wolfsburg und einer Gruppe von Klimaaktivist*innen mitten in der VW-Stadt. Auch dort gab es schon lebhafte Diskussionen und auch Erfolge, wenn eine Erweiterung der Produktionsstätten von VW verhindert wurde. Natürlich ist diese Arbeit auf mühselig, die Mühen der Ebenen eben, und oft nicht besonders revolutionär. Aber wenn die Genoss*innen de IL und Ums-Ganze ehrlich sind, werden sie auch zugeben, dass manche Gespräche bei den Feuertonnen von Hüttendörfern längst nicht so revolutionär sind. Der Film Vergiß Meyn Nicht - ein Vermächtnis des bei Fotoarbeiten im Hambacher Forst verunglückten Medienaktivisten Steffen Meyn, gibt hier einen sehr ehrlichen Einblick auch in die Mühen der Ebene solcher Besetzungen. Nur soll das hier gar nicht gegeneinander diskutiert werden. Solche Besetzungen haben ihren Sinn und können gesellschaftliches Bewußtsein schaffen. Die Priorität sollte aber die Kooperation mit den Beschäftigten haben.

Was ist das deutsche Industrieproletariat?

Da gibt es aber im Text der Genoss*inenn von IL und Ums-Ganze leider sektiererische Tendenzen. So wird nicht nur mit Recht die NGOisierung von Teilen der Klimabewegung und die Leisetreterei mancher bekannter Klimaaktivst*innen vor den Grünen kritisiert. Da wird auch der Diskussion um die neue Klassenpolitik Verantwortung für die Flaute in der Klimabewegung gegeben. So heißt es da;

"Ein Grund, warum die Linke einen solchen Schritt nicht gehen konnte, war die Diskussion um Neue Klassenpolitik. Statt auf die Aktionen der Letzten Generation einen draufzusetzen und eine antikapitalistische Position stark zu machen, fragten sich große Teile der radikalen Linken besorgt, ob auch alle pünktlich zur Arbeit kommen würden. Das Ergebnis der Diskussion um Neue Klassenpolitik war nicht vielmehr als eine Rückbesinnung auf die, an die imperiale Lebensweise geketteten, Bedürfnisse des deutschen Industrieproletariats."

Hier wird ein autonomer Mythos tradiert, der schon vor 40 Jahen falsch war. Das Industrieproletariat in Deutschland war schon in den 1960er Jahren multikulturell. Bei VW Wolfsburg arbeiteten viele Arbeiter*innen aus Italien und gerieten durchaus in Konflikt mit den deutschen Beschäftigten mit NS-Hintergrund. Auch im Ruhrgebiet und vielen anderen Industriestandorten schufteten Arbeiter*innen aus Polen, der Türkei und aus anderen Staaten. Warum werden diese Menschen durch das falsche Gerede vom deutschen Industrieproletariat unsichtbar gemacht? Und wenn dann propagiert wird, die könnten ruhig im Stau stehen, um die muss man sich nicht mehr kümmern, und dann irgendwelche Floskeln vom City-Strike einfließen lässt, der nichts erklärt, dann holt man sich ganz klar eine Niederlage ab. Und es sind auch nicht nur die Lohnabhängigen des deutschen Industrieproletarias, die dann im Stau stehen. Viel gravierender, auch die prekär Beschäftigten Pflegekräfte, um nur ein Beispiel zu nehmen, sind dann betroffen. Und für die kann das wesentlich gravierendere Folgen haben, als für rechtlich abgesicherte Arbeiter*innen der Fossilindustrie.

Schafft eins, zwei viele GKN

Um sochen Fehldeutungen zu verhindern, sollte der Kontakt mit den Lohnabhängigen gesucht werden. Das braucht dann nicht bei Aktionen im Rahmen von Verdi enden. In Italien kämpfen Klimaaktivist*innen und Lohnabhängige von GKN gemeinsam für den Erhalt einer besetzten Fabrik. Im Film "Der laute Frühling" von Johanna Schellhagen weist da eine Perspektive. Es wird wohl noch etwas dauern, bis wie im Film Lohnabhängige und Klimaaktivist*innen gemeinsam die VW-Werke besetzen, umnutzen und gemeinsam gegen die Polizei verteidigen. Aber die Grundlagen werden bei den Kämpfen heute gelegt. Die Parole sollte also lauten: Schafft ein, zwei viele GKN, auch in anderen Ländern. Und auf Feuertonnen brauchen die Aktivist*innen von IL und Umsganze auch dann nicht verzichten. Bei Arbeitskämpfen standen sie immer auch vor den Fabriktoren und die Gespräche dort waren teilweise sogar interessanter als in den Hüttendöfern.

Peter Nowak

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden