Quatsch mit Sinn und Verstand

Monolofestival Im toten Winkel rund um den Berliner U-Bahnhof Klosterstraße wird ein Mal Jahr Kultur geboten, bei der es auf die kleinen Gesten und nicht die großen Worte ankommt

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Im Zentrum vom Ost-Berlin, nur wenige Minuten vom Alexanderplatz entfernt, gibt es noch einen toten Winkel, in dem scheinbar die Allmacht des Kapitals und seiner Verwertungsgesetze noch keine Gültigkeit haben. Keine schicken Retorten-Cafés finden sich rund um den U-Bahnhof Klosterstraße, aber auch keine Spielsalons. Hier gibt es noch Raum und Platz, um Quatsch zu machen. Das ist nicht etwa eine despektierliche Bemerkung. „Ich mache Quatsch“ sagt die die Künstlerin Antje Pfundtner. Das war Teil ihrer knapp einstündigenPerformance, die sie im Rahmen des am vergangenen Sonntag zu Ende gegangenen Monolog-Festivals vorführte. Das zehntätige Festival gehört zu den Kulturereignissen, dass nicht aufviel Lärm und Glamour setzen. Seit 6 Jahren hat es im Theaterdiscounter, einer dieser Kultureinrichtungen im erwähnten toten Winkel rund um die U-Bahnhof Klosterstraße, seinen festen Platz. Das Monologfestival ist kein Ort der großen Töne, sondern der kleinen Gesten und Bewegungen. Das Publikum beobachtet die Künstler*in bei ihrer Arbeit. Antje Pfundtner hat diese Situation in dem Stück „Platz nehmen“ besonders gut auf den Punkt gebracht, das am Samstag Premiere hatte. Schon der Titel ist Teil des Programms. Wenn die Aufforderung zum Platznehmen kommt, wird dem Theaterpublikum signalisiert, sich auf ihre Plätze zu begeben und dem Treiben auf der Bühne zuzuschauen. Pfundtner sagt aus der Perspektive der Künstler*innen: „Für gewöhnlich erheben sich Bühnenmenschen dann, wenn das Publikum Platz nimmt, um ihnen zuzuschauen und zuzuhören.“

Mietdemonstrant*innen im Angebot

Doch Pfundtner läuft schon im Kreis, wenn die Zuschauer*innen den Raum betreten. Um den Rücken hat sie ein Brett gebunden, Während das Publikum Platz nimmt, erzählt die Performerin, dass sich in den USA prominente Personen Menschen mieten, die auf bestimmten Demonstrationen für sie Präsenz zeigen. Auf den Schildern, die sie dort tragen, stehen dann die Namen der Auftraggeber*innen. Pfundtner macht sich dann Gedanken, wiedie Mietdemonstrant*innen bezahlt werden und ob die Schilder der Namen der Auftraggeber*innen größer sind, als die auf den das Anliegen der Demonstrationen zu lesen ist. Und welche Anliegen es denn sind, für die Promiente Demonstrant*innen mieten, fragt Pfundtner auch noch. Die Antwort lässt sie offen. Aber man kann sich schon vorstellen, dassprominente Stars und Sternchen gern einen Platz bei Umweltevents, einer Protestaktion gegen Trump aber wohl eher seltener bei gewerkschaftlichen Aktivitäten mieten. Übrigens sind diese Mietdemonstrant*innen unbedingt zu unterscheiden, von den Berliner Mietrebellen, die seit dem gleichnamigen Film (https://mietrebellen.de/film ) von Matthias Coers legendär sind. Die rebellischen Mieter*innen vertreten sich alle selber und haben weder Interesse und noch die Mittel etwa Obdachlose zu mieten, die dann für die Teilnahme an einen Protest einen Tag in der warmen Wohnung schlafen könnten. Bei der Namensgebung des Films hat Matthias Coers nicht mal daran gedacht, dass der Titel womöglich noch mal missverstanden werden kann.

Am Ende blieb die Musik ein großes Rauschen

Die Episode mit den Mietdemonstrant*innen war ein Punkt auf dem Plan, den Antje Pfundtner bei ihrer Vorführung abharkte. Fast gegen Ende holte sie den Plan noch mal raus und sah, dass sie noch einen Punkt vergessen hatte. Auch hier machte sie deutlich, dass Kunstproduktion Arbeit ist. Die erledigte Pfundtner mit großer Leichtigkeit und Witz, so dass es nie langweilig wurde. Es war Quatsch mit Verstand und oft kam dieKritik nicht zu kurz, wenn mensch sie denn hören wollte. Im Anschluss wurde auf Heal the World-Disco Songs gespielt, die den Klimawandel zum Thema hat, auch wenn sie einmal in einen ganz anderen Zusammenhang entstanden ist. Den Anfang machte Hard Rain von Bob Dylan. Auch viele andere selten gehörte Songs wurden gespielt, doch bald verlor das Publikum die Interesse. Man unterhielt sich lieber, widmete sich den Getränken oder exzellenten Kürbissuppe, die kredenzt wurde. So war diese Disco auch eine Antwort auf die Frage, welche Bedeutung Musik bei der Rettung der Welt hat. Es ist ein großes Hintergrundrauschen auch bei den Klimaprotesten.So bot das Monologfestival 10 Tage den Beweis, dass Gesellschaftskritik Spaß machen kann und Quatsch im besten Sinne ist. Es bot ein großes Potpourri vom „Zentrum für politische Schönheit“über Schorsch Kamerun bis Kollektiven wie copy & Waste. Möge der tote Winkel rund umdie Klosterstraßenoch lange erhalten und ein Ort dieser Kunst bleiben.

Peter Nowak

Link zum Monologfestival 2019:

https://theaterdiscounter.de/stuecke/monologfestival-2019

Link zur Aufführung:

http://www.antjepfundtner.de/urauffuehrung-platz-nehmen-22-11-2019-monologfestival-berlin/

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

Avatar

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden