Mit einem Paukenschlag endete am Sonntag in der Schweiz ein Volksbegehren, das von der rechtskonservativen Eidgenössisch Demokratischen Union und der rechtspopulistischen Schweizer Volkspartei (SVP) initiiert worden ist, und den Bau von Minaretten verbieten will. 57 % sprachen sich dafür aus, dass Volksbegehren fand in 22 Kantonen Zustimmung. Noch vor einigen Wochen sah es in Umfragen so aus, als würden sich mehr als zwei Drittel der Schweizer gegen die Initiative aussprechen, gegen die sich die Gewerkschaften, die Unternehmerverbände und die gesamte Zivilgesellschaft aussprachen.
Unterstützung für das Volksbegehren kam neben den unterstützenden Parteien vomgesamten rechten Rand. Denn die SVP wandelte sich unter den Kapitalfunktionär Blocher von einer bieder-konservativen Honoratiorenpartei zu einer Rechtspartei neuen Typs. Längst ist sie neben der FPÖ in Österreich oder die Lega Nord in Italien die Formation, die im gesamten rechten europäischen Lager Vorbildcharakter hat. Dort wird nämlich nach einem rechten Weg gesucht, der möglichst wenigKompromisse an den Zeitgeist machen muss, sich auf große Teile der Bevölkerung und auch der Wirtschaft stützen kann und trotzdem immer den Eindruck vermittelt,man schaue dem Volks aufs Maul.
Nach der erfolgreichen Initiative wird die SVP bei der europäischen Rechten noch an Ansehen gewinnen. Sowohl die NPD, zu der die SVP aber ob ihres Schmuddelimages auf Distanz bleibt, als auch die Pro-Bewegung versuchen schon länger, mit Hetze gegen Moslems auf Stimmenfang zu gehen. Der Trend wird sich jetzt noch verstärken. Auch in norditalienischen Gemeinden, wo die Lega Nord regiert, sind die Bürgerrechte der Moslems teilweise schon massiv eingeschränkt worden.
Man braucht nur die hetzerischen Plakate anzusehen, mit denen die SVP für das Minarett-Verbot geworben hat, und auf dem Minarett-Türme als Raketen stilisiert wurden und eine totalverschleierte Frau abgebildet ist, um zu erkennen, dass in der Kampagne sämtliche Stilmittel der extremen Rechten mit Erfolg verwendet worden sind. Was in der politisch relativ stabilen Schweiz klappt, wird in anderen europäischen Ländern bald Nachahmer finden. Dabei werden sich auch die sogenannten Parteien der Mitte bald an den Wettbewerbbeteiligen, wer am effektivsten gegen Moslems hetzen kann, denn das darf man ja nicht den Rechtsaußenparteien überlassen. Auch in der Union haben sich schon erklärte Moslem-Hetzer in Stellung gebracht.
Das Wahlergebnis hat die illusionslose Klarheit gebracht, dass die Barbarei des Kulturkampfes wieder in Europa eine Chanche hat. Manche hoffen, in dieser Situation auf den Europäischen Menschenrechtsgerichtshof, der diese Entscheidung als mit den Menschenrechten unvereinbar, aufheben kann. Doch vor solchen Illusionen sei gewarnt. Die Rechte würde sofort eine Kampagne gegen die EU und ihre Organe beginnen, die angeblich in die Staatssouveränität eingreift. Die Barbarei des Kulturkampfes und Rassismus, die mit dem Schweizer Ergebnis deutlich sichtbar wurde, kann nur besiegt werden, wenn es gelingt, unter den Arbeitern und Erwerbslosen eine Front dagegen aufzubauen. Wenn die Proletarier aus den unterschiedlichen Ländern deutlich machen, dass es egal ist, zu welchen Gott sie beten oder ob sie überhaupt religiös sind, dass sie aber für das Leben vor dem Tod hier auf Erden zusammenhalten müssen, kann das Gift des Kulturkampfes überwunden werden. Dann aber würden Konzernherren wie Blocher nicht mehr so ruhig in ihren Sesseln sitzen und die nächste rassistische Kampagne vorbereiten.
Peter Nowak
Kommentare 14
"Wenn die Proletarier aus den unterschiedlichen Ländern deutlich machen, dass es egal ist, zu welchen Gott sie beten oder ob sie überhaupt religiös sind, dass sie aber für das Leben vor dem Tod hier auf Erden zusammenhalten müssen, kann das Gift des Kulturkampfes überwunden werden. Dann aber würden Konzernherren wie Blocher nicht mehr so ruhig in ihren Sesseln sitzen und die nächste rassistische Kampagne vorbereiten." - Tja, leider haben die Bodensätzigen, das salt of the earth kaum noch Medienmacht. Die quatschen uns zu. Und wie viele plappern alles nach, lassen sich vor jeden Karren spannen. Es reicht ein kurzer Blick in die Runde...
Kluge und mutige Schweizer
Den Schweizern eine psychische Störung zu unterstellen ist dumm und eine Verkennung der Ursachen.
Kopftuch und Minarett sind im 21 Jh. Symbole für Unfreiheit und Gewalt geworden und die Mehrheit der Schweizer grenzt sich dagegen ab.
Seit der Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam 1990 soll die Scharia wieder Basis der Gesetzgebung in allen islamischen Ländern sein. Steinigungen, Frauenrechte, demographische Entwicklungen usw., alles ist bekannt. Die Schweizer haben sich als gut informiert und nicht korrupt gezeigt, ohne sich von den üblichen Rechts-Links-Verdächtigungen einschüchtern zu lassen.
Also mal abgesehen davon, daß die Proletarier aller Länder heute noch maximal Proleten aller Länder sind, die außer ihren Grundbedürfnissen (fressen, saufen, sex) für nichts mehr zu haben sind, dokumentiert sieser Beitrag auch darüber hinaus ein Schubladendenken, vor dem mir schon immer graust. Was soll das denn? Klar, die Rechte hat da gewonnen. Aber: Haben wir als Linke (v.a. als Marxisten) nicht die verdammte Pflicht, alles Religiöse sehr kritisch zu betrachten? Religion ist Opium fürs Volk, sprach der Karl schon 200 Jahre vor uns.
Minarette verbieten ist - na ja - vermutlich nicht sehr wirksam aber setzt ein Zeichen gegen Islamisten, die derzeit auf der Welt ihr Unwesen treiben.
Logisch und folgerichtig ist allerdings für Linke auch, dann gegen das Kreuz in Klassenzimmern und die Schamanen der evangelischen und katholischen Kirche vorzugehen. Jedem sein Glaube, ja. Aber nicht in Schulen und nicht in der Öffentlichkeit. Deshalb: Reißen wir als nächstes die Kirchtürme ein!
skepacabra.wordpress.com/ (ganz gute Adresse).
Das Minarett als Symbol für Unfreiheit und Gewalt. Ich zittere vor Angst.
Sollte man nicht, bevor man noch Kirchtürme einreißt und vielleicht als nächstes Bilder von Robespierre aufhängt, zunächst einen Blick auf die "Dialektik der Aufklärung" werfen?
Ooooch, sagten da der Hassprediger, der türkische Prügelvater und der arabische Frauenunterdrücker, ohne Minarett macht das alles keinen Spaß mehr - werden wir halt auch weltoffen und tolerant wie die Mehrheit der muslimischen Lahmärsche.
Na also - geht doch!
Natürlich wäre eine Kritik alles Religiösen sehr wichtig für eine emanzipatorische Welt, aber dass Minarett-Verbot in der Schweiz hat damit nichts zu tun. Dort soll gerade das christliche Abendland vor den Moslems gesichert werden. Bei einer radikalen Religionskritik müßte natürlich die besonders christliche EDU, eine der das Volksbegehren tragende Parteien selber Gegenstand der Kritik sein.
Eine Korrektur zu Hermannitou: Marx sprach von Religion als Opium des Volkes und nicht für das Volk. In seiner Vorstellung war Religion eben nicht in erster Linie von Oben aufgesetzt, sondern die notwendig falsche Erklärung, die sich Menschen von einer falsch eingerichteten Welt machten. Daher müsste die Welt so eingerichtet werden, damit die Religion nicht mehr notwendig ist. Ein reiner Kampf gegen die Religion, ohne die Hintergründe zu bekämpfen, ist hingegen nutzlos.
Ich stimme zu. Religion bekämpfen ist eh so gut wie nicht möglich, aber sie zu privatisieren und die Kirchensteuer ebenso abzuschaffen wie alle anderen Finanzierungsmöglichkeiten, die Baghwan,Scientology, Mormonen oder Jehovas Zeugen über wasser halten (oder gehalten haben) ist möglich. Und natürlich eine überaus aktive Auseinandersetzung mit dem Kreationismus und der anti-aufklärerischen Welle (gegen Darwin etc), die sowohl von Christentum als auch vom Islam über uns rollt.
@ mustermann:
Wenn wir damals schon die klugen und mutigen Schweizer gehabt hätten, wären die Türken sicher nie bis Wien vorgedrungen, und noch davor hätten die Mauren es auch nie bis Spanien geschafft.
Dann wären wir in Europa wenigstens unter uns und könnten schön mit römischen Ziffern rechnen und brauchten keinen Kaffee zu trinken, sondern könnten schön unseren europäischen Kräutertee schlürfen, tagein, tagaus.
Ich bin kein mutiger und kluger Schweizer, sondern ein mutiger und kluger Deutsche, der sich auch nicht von den üblichen Rechts-Links-Verdächtigungen einschüchtern läßt.
Und darum sage ich Ihnen ganz klar und deutlich, daß jemand, der eine Haltung unterstützt, die in einem angeblich demokratischen Land, in dem angeblich Freiheit der Religionsausübung gilt, den Bau von Gotteshäusern verhindert oder (auch baulich) einschränkt, meiner Ansicht kurz vor dem äußersten rechten Rand des politischen Spektrums angesiedelt ist.
In der Schweiz ist halt eine ganze Menge großer Käse.
Und die Löcher in der Schweiz sind auch nicht nur im Käse. Aber das ist nicht nur in der Schweiz so - hierzulande würde man auch fündig.
@ Hermanitou:
>Reißen wir als nächstes die Kirchtürme ein! - Das finde ich ein genauso schlechtes Mittel wie das Verbot des Minarettbaus.
Die religiöse und die Gedankenfreiheit, die ich mir selbst herausnehme, wenn ich die Existenz eines Gottes ablehne, billige ich anderen Menschen zu, wenn sie an einen solchen (und meinetwegen auch zwölf oder noch mehr)glauben wollen.
Wie wäre es denn, wenn wir uns alle miteinander darauf einigen könnten, in Frieden miteinander und in gegenseitigem Respekt vor den Ansichten und dem Glauben anderer zu leben?
Dieser antireligiöse Beißreflex kommt mir immer genauso undemokratisch und dogmatisch vor wie der religiöse Beißreflex: Beide sind die verschiedenen Seiten derselben Münze.
Und als Ausdruck der Unterdrückung Andersglaubender oder -denkender ist beides ein Merkmal von diktatorischem Gedankengut.
"Religion ist Opium fürs Volk."!?! - Herrje, Du Simpel, Marxist? Oha, lies noch oder überhaupt mal nach:
Marx/Engels-Werke, Bd. 1, 378ff.
Yep. Allerdings hat Lenin dann tatsächlich "Opium für das Volk" daraus gemacht.
Ich halte die Verdammung von Spirituatlität ehrlich gesagt für eines der Grundprobleme des sozialistischen Weltbildes:
Der Mensch soll sich in einer noch nicht menschenwürdigen Übergangsgesellschaft für ein fernes Ziel abrackern, das er selbst nicht mehr erleben wird. Nach dem Tod ist Schicht im Schacht. Und sterben tut ohnehin jeder für sich allein.