SPD schaufelt sich eigenes Grab

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Die Sozialdemokraten haben mit ihrer mehrheitlichen Ablehnung der Wahlrechtsreform gezeigt, dass sie nicht mal in eigener Sache ums Überleben kämpfen





Mitder großenMehrheit von 493 Stimmen haben die Regierungsparteien einen von der Bundestagsfraktion der Grünen eingebrachten Antragzur Änderung des Wahlrechts am 3.7.09 abgelehnt. 97 Abgeordnete, vor allem aus den Reihen der Grünen, der Linkspartei und einige Sozialdemokraten haben den Antrag zugestimmt, 5 haben sich enthalten.

Die Antragssteller beziehen sich dabei auf ein Urteil des Bundsverfassungsgerichtes vom 3.Juli 2008. Demnach ist das zur Zeit gültige Wahlrecht teilweise verfassungswidrig, weil durch die Vergabe der Überhangsmandateeine Partei mit vielen Zweitstimmen bei der Sitzvergabe im Bundestagbenachteiligt ist.

Die Richter hatten dem Gesetzgeber eine Übergangsfrist bis zum 30.Juni 2011 für die Änderung des Wahlrechts gewährt, was bei Juristen und Kommentatoren des Urteils zu Kritik führte.

Nach Auffassung der Grünen wäre eine Änderung des Wahlrechts ohne großen Aufwand noch vor der nächsten Bundestagswahl möglich. Die Unionsparteien, die vom bestehenden Wahlrecht profitieren, wollen die vom Bundesverfassungsgericht gewährteFrist ausschöpfen und die Reform auf die nächste Legislaturperiode verschieben.

Der Ausgang der Abstimmung versprach kurze Zeit etwasSpannung, nachdem führende SPD-Politiker laut darüber nachdachten, die Koalitionsdisziplin am Ende der Legislaturperiode bewusst zu verletzen und für den Antrag der Grünen zu stimmen.Damit wäre ein Dissens innerhalb der großen Koalition erstmals durch ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten deutlich geworden. Bisher galt bei zentralen Gesetzen der Grundsatz, dass kein Koalitionspartner den anderen überstimmt. Die Befürworter dieser Konfliktlinie erklärten, dass es auch öffentlich vermittelbar wäre, dass die SPD nichtdem Bestand eines Wahlrechts zustimmt, das sie massiv benachteiligt.


Verheerendes Signal für den Wahlkampf

Doch die Parteiführung war zu einem solchen Konflikt nicht bereit und beugte sich der ablehnenden Haltung der Union. Sie setzte damit am Wahlkampfbeginn dasSignal, dass sie den Koalitionsfrieden mit der Union auch in der nächsten Legislaturperiode bewahren will. Nur könnte gerade dieAnwendung des alten Wahlrechts dazu beitragen, dass einebürgerliche Mehrheit ohne die SPDmöglich wird. Denn das alte Wahlrecht mit seinen Überhangmandaten ist ein Trumpf in der Hand der Union,

So heißt esim Spiegel:


„Laut einer "Schätzung mit Simulationen" des Friedrichshafener Politologen Joachim Behnke dürften bei der nächsten Wahl so viele dieser Mandate entstehen wie bei keiner Bundestagswahl zuvor. Dabei würde die SPD, selbst wenn sie zwei Prozentpunkte besser abschneidet als in den aktuellen Umfragen, im Schnitt nur zwei bis drei Überhangmandate erhalten - die CDU dagegen 21. Und selbst die CSU käme, erstmals in ihrer Geschichte, auf drei zusätzliche Sitze.Die Wahrscheinlichkeit, dass es für Schwarz-Gelb zur Regierungsbildung reicht, so Behnke, liege ohne die Berücksichtigung von Überhangmandaten bei derzeit 66 Prozent, mit bei knapp 90 Prozent. Grund dafür sei eine "historisch einmalige Situation": Die Union erreicht aktuell in Umfragen nur 36 Prozent, und ist damit so weit unter der 50-Prozent-Marke wie erst einmal zuvor eine stärkste Partei bei einer Wahl; dennoch hat sie einen zweistelligen Vorsprung vor der zweitstärksten Partei, der SPD. Genau diese Konstellation begünstigt die Bildung von Überhangmandaten dramatisch - zugunsten der stärksten Partei.“

Dass dieSPDnicht mal mehr genug Überlebenswillen aufbringt, um sich mit aller Macht für eine Änderung des Wahlgesetzes einzusetzen, zeigt wie schlecht es um diese Partei bestellt ist.Alle rationalen Argumente hätten dafür gesprochen, mit den Grünen gegen das alte Wahlrecht zu stimmen. Schließlich ist die Legislaturperiode zu Ende, der Wahlkampf hat begonnen und der Bezug auf einen Koalitionsfrieden ist völlig absurd. Hinzu kommt noch, dass die SPD mit ihrer Kampagne gegen ein teilweise verfassungswidriges Wahlrecht durchhaus auf Zustimmung gestoßen wäre. Die Union wäre unter Rechtfertigungsdruck gekommen,dass sie aus recht eigensichtigen Gründen eine Reform verschieben will. Aber die SPD ist selbst dazu nicht mehr fähig. Wer es noch nicht geglaubt hat, dem ist mit der Abstimmung zur Wahlrechtsreform klar geworden: diese SPD braucht niemand mehr fürchten. Die hat sich schon selbst aufgegeben. Verheerendere Signale hätte die Partei an ihre Mitgliedschaft am Beginn des Wahlkampf nicht aussenden können.



Peter Nowak



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Geschrieben von

Peter Nowak

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