Tod nach Zwangsräumung

Rosemarie F. Margit Englert hat in dem Buch "Rosemarie F.Kein Skandal" die Hintergründe aufgearbeitet, die zum Tod eionier Schwerkranken Renterin vor 2 Jahren führten.

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Man kann Menschen auf vielerlei Arten töten, beispielsweise in dem sie aus der Wohnung geräumt werden, wie die 67 schwerkranke Rentnerin Rosemarie F. vor zwei Jahren. Sie starb nur 2 Tage nach einer Zwangsräumung, die sie gemeinsam mit solidarischen Menschen politisch verhindern wollte. In dem Film Mietrebellen (http://mietrebellen.de/ ) ist die Rentnerin bei Demonstrationen zu sehen. In einer Szene hält sie ein Schreiben in die Kamera, das ihre angekündigte Zwangsräumung enthält.

Zum zweiten Jahrestag ihres Todes hat die Sozialwissenschaftlerin Margit Englert unter dem Titel „Rosemarie F. Kein Skandal „ im Verlag „Edition Assemblage“ ein Buch rausgebracht, dass die im Untertitel versprochenen „Einblicke in den sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex“ vollständig einlöst. Die Autorin lernte die Rentnerin im Berliner „Bündnis Zwangsräumung verhindern!“ ( http://zwangsraeumungverhindern.blogsport.de/) kennen, in dem sie Unterstützung bei dem Kampf gegen ihre Räumung suchte. Zu den Treffen brachte sie auch die Unterlagen und amtlichen Dokumente, die Grundlage des Buches geworden sind. Darunter befinden sich auch viele Schreiben, die die Rentnerin an die Wohnungseigentümerin Birgit Hartig richtete, um ihre Räumung zu verhindern. Margit Englert sehr sensibel mit den persönlichen Daten der Rentnerin umgegangen. Sie hat schon im Vorwort deutlich gemacht, dass es in dem Buch nicht um das Leben der Rentnerin geht, sondern um die Verhältnisse, die zu ihren Tod führten. “Denn es ist klar, was Rosemarie wiederfahren ist, ist kein Einzelschicksal. …. Es geht in diesem Text also nicht darum, Rosemarie als einen besonderen oder außergewöhnlichen Menschen herauszustellen“.

„Kapitalanlage in beschleunigten B-Lage“

Im Titel wird deutlich, dass es der Autorin um die kapitalistischen Verwertungsinteressen geht, die zum Tod der Rentnerin führten. „Wenn der Tod Rosemaries zum Skandal erhoben wird, lässt es sich leicht zurücklehnen und zur Tagesordnung übergehen. Und auf der Tagesordnung steht halt, Gewinne mit Immobilien zu machen, oder sich mit gutem Einkommen in Berlin eine der freiwerdenden Wohnungen zu nehmen, oder sich vorbildlich um die eigene Altersversorgung zu kümmern, durch Investition in Immobilien“, begründet Englert ihre Kritik an einer kurzatmigen Skandalisierungspolitik. Bestätigt wird sie in ihrer Einschätzung durch eine aktuelle Studie, die von Stadtforscher_innen an der Humboldt-Uni erstellt wurde, kommt flächendeckend für ganz Berlin zu demselben Ergebnis. Die Studie trägt den Titel "Zwangsräumungen und Krise des Hilfessystems. Eine Fallstudie in Berlin." und wird am 23. April offiziell veröffentlicht.

Engert beschreibt die ProfiteurInnen und VerlierInnen der aktuellen Berliner Wohnungspolitik. Detailliert beschreibt sie die Geschichte der Berliner Siedlung im Bezirk Reinickendorf, in der F. gewohnt hat und geht dabei zurück in die Weimarer Republik als die Siedlungen gebaut wurden. Schon damals konnten sich die einkommensschwachen Teile der Bevölkerung die Wohnungen dort nicht leisten, weist Englert gestützt auf historische Dokumente nach und verweist die Parole „Licht, Luft und Sonne für alle“, mit der der Bau begleitet wurde, in den Bereich des Mythos. Detailliert schildert Englert dann, wie diese Wohnanlage in den letzten beiden Jahrzehnten zur „Kapitalanlage in beschleunigter B-Lage“ geworden ist. Aus Miet- wurden Eigentumswohnungen. Die Wohnung von Rosemarie F. wurde von der Geschäftsfrau Birgit Hartig erworben, die gemeinsam mit ihren Ehemann die Räumung der Rentnerin vorantrieb. Gestützt auf die Dokumente schildert Englert, wie Jobcenter und Eigentümer die Rentnerin um ihre Wohnung brachten. „Der (Neo)liberalismus nutzt Sozialbehörden, die immer noch vorgeben, ärmere Menschen vor dem Verlust der Wohnung schützen zu wollen, als Instrument der Entmietung“, lautet Englerts Resümee. Die im Untertitel des Buches versprochenen „Einblicke in den sozialstaatlich-immoblienwirtschaftlichen Komplex“ liefert die Autorin auf den knapp 130 Seiten.

Am zweiten Jahrestag ihres Todes, am Freitag, den 10. April um 19 Uhr wird das Buch von Margit Englert im Cafe am Schäfersee in der Residenzstraße 43 in Berlin-Reinickendorf vorgestellt Dort hatte das Bündnis Zwangsräumung verhindern gemeinsam mit Rosemarie Fließ noch wenige Tage vor ihren Tod eine Nachbarschaftsveranstaltung zu Verhinderung der Räumung organisiert. Schon ab 14 Uhr organisiert die Initiative "In Gedenken an die Opfer der Agenda 2010! eine Kreuzaktion auf dem Franz Neumann Platz in Reinickendorf in unmttelbarer Nähe zum Veranstaltungsort.

https://kreuzaktionen.wordpress.com/2015/04/01/kreuz-aktion-zum-2-todestag-von-rosemarie-fliess-am-10-april-2015/

Peter Nowak

Englert Margit, Rosemarie F. kein Skandal, Einblicke in den sozialstaatlich-immobilienwirtschaftlichen Komplex, April 2015, Edition Assemblage, 134 Seiten, 7.80 Euro
ISBN 978-3-942885-83-6

http://www.edition-assemblage.de/rosemarie-f-kein-skandal/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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