"Wir haben den Wunsch, die Okkupanten zu töten.“

Ukrainischer Nationalismus In der Ukraine sind die Erb*innen jener politischen Kräfte an der Macht, die mit den Nazis kooperierten und vor 80 Jahren mit dafür sorgten, dass die Ukraine Jugendfrei wurde. Darüber wird aber in Deutschland kaum gesprochen

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Über die Grenz-Erfahrung im Osten der Ukraine weiß der Osteuropa-Korrespondent der Taz Bernhard Clasen in der aktuellen Ausgabe zu berichten. Es geht um die Stadt Konotop, deren Bürgermeister Artjem Semenichin mit martialischen nationalistischen Sprüchen gegen Russland in der allgemeinen Vorkriegsstimmung gegen Russland nicht besonders auffällt:

„Deutschland hat uns verraten, ich meine nicht das deutsche Volk, ich meine die absolut gewissenlose deutsche Führung“, wettert Semenichin. Die deutschen Politiker, redet er sich in Rage, seien käuflich, angefangen mit Gerhard Schröder der sich dann an Wladimir Putin verkauft habe. „Merkel und Scholz führen fort, was Gerhard Schröder angefangen hat, nämlich Deutschland vor dem russischen Gas in die Knie zu zwingen.“ Absolut gewissenlos handelten die deutschen Politiker. Allein schon das Angebot, der Ukraine 5.000 Helme zur Verfügung zu stellen, während Länder wie Tschechien, Großbritannien, die USA echte Waffen lieferten, sei ein Hohn. „Wenn ich Selenski wäre, würde ich diese 5.000 Helme mit Fallschirmen über dem Bundestag abwerfen. Sollen sie doch selbst diese Helme tragen.“

Bürgermeister von Konotop Artjem Semenichin in der Taz

In Anschluss plaudert Semenichin aus dem nationalistischen Nähkästchen:

„Wir sind von Kosakenblut. Wir haben es in den Genen, unser Land zu verteidigen.“ Während des Zweiten Weltkriegs seien lokale Einheiten der UPA, der Ukrainischen Aufständischen Armee, im Gebiet von Konotop aktiv gewesen. Und da gab es die Tradition, alle zwei oder drei Monate von Moskau entsandte Kommunisten zu erstechen. Deren Leichen habe man dann vor dem Stadtrat abgelegt. Und genau so ein Schicksal müssten auch weitere Okkupanten befürchten, sagt er. „Wir Ukrainer sind ein stolzes Volk. Wir lieben die Freiheit und werden nicht aufgeben.“

Bürgermeister von Konotop Artjem Semenichin in der Taz

In der Reportage erfahren wir, dass dieser Bürgermeister Mitglied der faschistischen Swoboda-Partei ist und sein Amtszimmer ein Foto von Stephan Bandera schmückt. Dass hier der Bürgermeister einer faschistischen Partei sich so äußert, wie man es von einer solchen Partei erwartet und sich auf den berüchtigten ukrainischen Nazikollaborateur Stephan Bandera bezog, der seinen zeitweiligen Bündnispartnern an Antisemetismus nicht nachstand wird auch in dem Artikel nicht erwähnt. Dann müsste man am Selbstverständnis der heutigen Ukraine rütteln und sich eingestehen, dsss die Gründung ein später Erfolg der Nazis ist. Die politischen Kräfte, die bereits damals für einen eigenen ukrainischen Nationalstaat außerhalb der Sowjetunion eingetreten waren, biederten sich den Nazis an und leisteten Hilfsdienste bei den Massenmorden an ukrainischen Jüdinnen und Juden, wie am 29 und 30 September 1941 in der Schlucht von Babi Jar wenige Kilometer von der Kiewer Innenstadt.

Ukranischer Geschichtsrevisionsmus und ihre deutschen Nachbeter*innen

Heute wollen viele mit der Ukraine Stalingrad doch noch revidieren und den zweiten Weltkrieg für Deutschland noch gewinnen. Dazu gehört Julia Frank, die in einen Taz-Beitrag schon mal austestet, wie weit man 80 Jahre nach den Überfall auf die Sowjetunion wieder gehen kann. Selbst geschichtsrevisionistische Anklänge findet man in ihren Text, wenn sie die Weigerung der deutschen Außenministerin nach Waffenlieferungen an die Ukraine kritisiert.

„Baerbocks jüngste Äußerung in Kiew, dass Deutschland keine Waffen in die Ukraine liefern könne aufgrund der historischen Verantwortung gegenüber Russland, zeugt davon, wie weit Berlin von der Lage vor Ort entfernt ist. Für Ukrainer*innen, deren Land während des Zweiten Weltkriegs von Nazideutschland okkupiert wurde und einer der Hauptschauplätze des Holocausts war, wirkte das wie Hohn.“

Julia Friedrich, taz

Friedrich will damit negieren, dass Deutschland mitnichten die Ukraie sondern die Sowjetunion angegriffen hat. Sie rekurriert damit ausgerechnet auf den ukrainischen Nationalismus, der zumindest mit den Nazis kooperierte. Heute sind in vielen westukrainischen Städten Straßen nach den ukrainischen Nationalisten Stepan Bandera enannt, der ganz offen mit den Nazi zusammenarbeitete Der Antisemitismus war eine gemeinsame Klammer. Vor allen in westukrainischen Städten, die heute Hochburgen des Nationalismus sind wie Lviv, ist der Kult um Bandera besonders groß. Als gescheiterter Nazikollaborateur floh Bandera ins Naziregime und lebte in München bis 1959, als er vermutlich einem KGB-Anschlag nicht überlebte. Bandera ist nicht nur in Russland sondern auch in großen Teilen der Ostukraine verhasst. Das macht auf eine Banalität aufmerksam, die aber häufig vergessen wird. Es gibt „die“ Ukraine gar nicht, die jetzt angeblich vor den russischen Einfluss bewahrt werden muss. Wenn in deutschen Medien ist, ist immer von der Maidan-Ukraine die Rede. Es ist daher auch nicht verwunderlich, dass auch ein faschistischer Bürgermeister einer ukrainischen Provinzstadt seinen Bandera über den Schreibtich hängen hat. Verwunderlicher ist schon, dass Bernhard Clasen, da nicht ganz deutlich formulier: Hier sitzt ein ukrainischer Faschist vor seinen historischen Vorbild und damit ist er in der aktuellen Ukraine nicht allein.

Jugoslawiens und der Sowjetunion schälen wie eine Zwiebel

Schon bei den Maidan-Protesten 2014 wollten ja auch viele grünalternativen Sympathisant*innen dort pardou keine Faschisten erkennen. Und der damalige Bundesaußenminister Walter Steinmeier begrüsste auch die anwesenden Swoboda-Minister als Freunde der neuen prowestlichen Ukraine. Davon hat er sich auch als Präsident nicht distanziert. Das aber gerade das grünen-nahe Spektrum da besondere Anstrengungen bei der Verteidigung der Maidan-Ukraine an den Tag legt, hat historische Gründe, die gerne mal analytisch aufgearbeitet werden sollten. Seit den Gründungstagen der Grünen forderte eine relevante außenpolitische Strömung die Zerstörung des Systems von Jalta. Es ist benannt nach dem Konferenzort, in dem mit dem kurz vor der Zerschlagung des Nationalsozialismus die Staatschefs der Alliierten die europäischen Nachkriegsgrenzen festgelegt hatten. Klar war es ei autoritärer Akt von Politikern, die über das Schicksal von Millionen Menschen entscheiden, was generell zu hinterfragen ist. Wenn aber in der Nachkriegs-BRD dem System von Jalta der Kampf angesagt wurde, waren bestimmte rechte Strömungen nicht weit, die noch immer davon träumten, auf diese Weise doch noch vollenden zu können, woran Hitler und seine Clique gescheitert war, die Zerstörung der Sowjetunion und Jugoslawiens . Als dieser Wunschtraum 1991 eintrat, sahen sich diese Strömungen natürlich auf der Seite der Sieger. In Texten, der sich Nationalrevolutionäre nennenden Rechten wurde in den 1960 und 1970er Jahren als Ziel ausgegeben, die Sowjetunion und Jugoslawien "zu schälen wie eine Zwiebel", damit war die Zerschlagung der in rechter Diktion als unnatürlich bezeichneten Staatengemeinschaften gemeint. Beide Ziele wurden relativ schnell nach der Zerschlagung des Systems von Jalta blutige Realität und die deutsche Politik leistete dabei kräftige Schützenhilfe. Sowohl die Sowjetunion als auch Jugloslawien waren den Prodeutschen verhasst, weil sie wesentlich zur Zerschlagung des Naziregimes beigetragen haben.

Warum keine antideutsche Kritik am Ukraine-Hype?

Es gab in den 1980er Jahren eine minoritäre schlaue Linke im Umfeld der Monatszeitung Konkret, die damals die "Zerschlagt das System-von Jalta" Parolen als das bezeichnete, was sie waren: ein Versuch, den zweiten Weltkrieg doch noch für Deutschland zu gewinnen. Mit der sogenannten Wiedervereinigung erweiterete sich diese minoritäre Linke zur antideutschen Strömung. Man kann ihr Vieles kritisch vorwerfen. Ihr Verdienst bestand aber darin, dass sie nicht mitsang, wo späte Siege der deutschen Achse gefeiert wurden. Daher gehörte sie zu denen, die vielleicht manchmal zu unkritisch gegenüber dem serbischen Nationalismus waren. Aber die Verteidigung der Republik Jugoslawien gehört zweifellos zu ihren Verdiensten. Genauso wurde in den frühen 1990er Jahren erkannt, dass die Bildung neuer sinnloser Staaten (Rosa Luxemburg) in Osten Europas nichts Anderes als ein später Sieg Deutschlands ist. Dabei geht es überhaupt nicht darum, Putin und seinem Regime irgendwelche positiven Seiten abzulügen. Es geht nicht um die Parteinahme für das heutige Regime in Russland.

Eine Frage, an die, die gelegentlich ein T-Shirt mit dem Logo Stalingrad tragen

Manche tragen ab und an T-Sirts mit der Aufschrift Stalingrad. Damit wollen sie bestimmt nicht dne Stalismus glorifizieren, aber die Stadt feiern, bei der Niederlage der deutschen Achse ihren Anfang nahm. Die Träger*innen der Stalingrad-Shirt müssten sich die Frage stellen, ob es für sie mehr als eine kleine modische Provokation ist. Oder sind sie bereit,einen antideutschen Mindeststandard nicht zu verlassen, der darin besteht, nicht auch noch mit bei den Siegen Deutschlands mitzufeiern und keine Hand zum Applaus dafür zu rühren? Das hieße konkret, keine Unterstützung für die Maidan-Ukaine, dafür die Benennung von deren historischen Vorläufer*innen, ihren Bündnispartner und ihres Antisemitismus . Wer über die Maidan-Ukraine redet, der darf über Stephan Bandera nicht schweigen. Heute wollen die Freund*innen der Ukraine sogar dann nicht über diesen Nazi-Kollaborateur reden, wenn er über den Schreibtisch eines amtierenden Bürgermeisters hängt. Denn am Furore gegen die Russen, da sind sich die alten und neuen Freund*innen der Maidan-Ukraine ja einig.

Peter Nowak

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Geschrieben von

Peter Nowak

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