Unter Strom

Endmoräne Die alljährliche Exposition der Künstlerinnen aus Berlin und Brandenburg ist wieder sehenswert. Doch mehr gesellschaftlicher Biss wäre wünschenswert.

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Man kann dasVideo von Anette Munk leicht übersehen. Es ist in einen dervielen Räume in der ehemaligen Turbinenhalle in Rüdersdorf bei Berlinzu sehen und zeigt Kriegsgeräte begleitet von den Verkaufsphrasen der Spielzeugindustrie. Hier treffen tödliche Geschäfte aus Profitzwecken aufWohlfühlphrasen. Eine kleine Arbeit mit viel Gesellschaftskritik in der diesjährigen Ausstellung des Projekts Endmoräne. Wie in jeden Sommer haben auch in diesem Jahr 23 Künstlerinnen aus Berlin und Brandenburg eine kurzweilige Ausstellung zusammengestellt, die auch lustig ist und Freude macht. Nur die Gesellschaftskritik kommt manchmal etwas zu kurz. Daher freut man sich, wenn sie dann doch beispielsweise im schon erwähnten Video von Annette Munk zu finden ist. Beim Betrachten des10minütige Video von Ka Bomhardt mit dem bezeichnendenTitel „Die Rache der Natur am kleinen Dorf am Strom“ denkt man an die abgebaggerten Dörfer an der Lausitz oder rund um den Hambacher Forst. Man hat bei der Suche nach den Installationen, die ja bei der Endmoräne-Ausstellung immer an die Gebäude angepasst werden, auch Gelegenheit die alten noch erhaltenen gewaltigen Maschinen des ehemaligen Turbinenwerks zu bestaunen, dieheute ebenfalls Teil der Kunst geworden sind.Und wenn man dann in den Garten kommt, hat man den See vor sich. Allerdings ist das Nebelhorn, dass man von Zeit zu Zeit hört, Teil des Kunstwerks von Gunhild Kreuzer, die das Geräuschinstrument in einen alten Stahlturm am Rande der Turbinenhalle angebracht hat. Wie immer bei den Ausstellungender Endmoräne-Künstlerinnen gehört die Erkundung von Orten, die ansonsten zumindest legal nicht betreten werden dürfen, zu den besonderem Reiz des Ausstellungsbesuchs.

Besonders gefährdet für Investorenbefall

Nur leider, leider stehen die Orte der Ausstellung dann oft einige Jahre nicht mehr zur Verfügung. Immobilienfirmen haben aus Verwertungsinteresse ganz andere Pläne mit solchen Gebäuden. Das sieht man daran, wenn irgend eine Firma mit einem gmbh oder ähnlichen im Namen auf einmal ins Spiel kommen. Dahinter stehen genau solche Profitinteressen. Die alte Turbinenhalle ist besonders gefährdet für Investorenbefall, weil es direkt an den Stienitzsee grenzt. Er ist sicher nicht besonders groß und auch nicht besonders bekannt. Doch, wenn man bei schönen Wetter im Garten am See sitzt, möchte man nicht mit denen tauschen, die jetzt beengt an ihren Handtuch- und Strandburgen an der Ost- oder Nordsee oder am Mittelmeer sitzen. Am Stienitzsee muss man nicht einen Platz an der Sonne gegen andere erkämpfen. Es gibt Platz Genug. Nur schade, dass die Ausstellung schon um 18 Uhr geschlossen wird. Warum werden nicht die langen Sommerabende für Theater und Pantomime am See bis Sonnenuntergang genutzt? Schließlich gibt es keine unmittelbaren Nachbar*innen, die sich über Lärm beschweren können. Vielmehr ist in der näheren Nachbarschaft ein Strandbad, das nicht um 18 Uhr schließt. Stehen hinter den rigiden Schließungszeiten die Nutzungsbedingungen der Immobilienfirmen, die natürlich Kunst nur zu ihren Bedingungen fördern? Diese Fragen stellen sich, wenn man den Zaun sieht, den die Künstlerin Susanne Ahner auf dem Gelände vor dem Hafen am Stienitzsee errichtet hat. Es geht auf sehr aktuelle Diskurse über Zäune ein, die Geflüchtete abhalten soll, aber auch Seen vor neugierigen Besucher*innen abschirmen soll, wie es vor Jahren die Villenbesitzer*innenin Potsdam vorgemacht haben. Auch in der Nachbarschaft der Turbinenhalle gibt es nur noch wenig Möglichkeiten, direkt zum See zu kommen. An mehreren Stellen in der Nachbarschaft wird das Betreten des Geländes strikt untersagt. Ein Grund mehr, an diesen Wochenende zur Turbinenhalle am Stienitzsee zu kommen. Das ist die letzte Gelegenheit, die Ausstellung zu besuchen, die am kommenden Sonntag endet. Man sollte Zeit mitbringen, um die vielenInstallationen, die in allen Winkeln der alten Turbinenhalle oder der Umgebung versteckt sind, zu entdecken. Nicht alle haben eine solche Präsenz, wie der Energieknoten von Erika Stürmer-Alex, eine der Frauen, die beim Endmoräne-Team von Anfang dabei ist. Der gelbe Schlauch mit den beiden lippenstiftroten Endengehört zu den Kunstwerken, die sofort auffallen. Andere muss man suchen.Rüdersdorf ist schon seit Jahren nicht mehr an die Deutsche Bahn angeschossen. Von der S-Bahnstation Erkner fahren stündlich Busse, die ganz in der Nähe halten. Wer auch einen längeren Spaziergang nicht scheut, kann mit der kleinen Bahn fahren, die von Rüdersdorf mit den Berliner S-Bahnen verkündet. Der knapp 5 Kilometer lange Fußweg führt auch am Rüdersdorfer Museumsdorf vorbei, das von der Zeit kündet, als dort die Zementindustrie boomte. Auch die Turbinenhalle ist ein Zeugnis davon, noch. Dass auch darauf schon Investoren ihre Auge geworfen haben, zeigt, dass das Motto von Endmoräne durchaus doppeldeutig zu verstehen ist. Unter Strom heißt das Motto - man könnte es auch so übersetzen: Diese Kunst ist immer mehr unter Druck, auch weil die Plätze dafür immer rarer werden.

Peter Nowak

22. JUNI - 7. JULI 2019

Turbinenhalle am Stienitzsee
Berliner Str. 13A, 15378 Rüdersdorf / OT Hennickendorf

Homepage zur Ausstellung:

https://endmoraene.de/aktuelles-2/

Hier stehen aktuelle Anfahrtstipps:

https://endmoraene.de/%EF%BB%BFanfahrt/

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Geschrieben von

Peter Nowak

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