Widerstand gegen die Rezepte des Doktor Rösler

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Die Bundesregierung zeigt sich noch unschlüssig über Umfang und Tempo der Umgestaltung des Gesundheitssystems. Sie befürchtet Widerstand aus der Bevölkerung, wenn sie den wirtschaftsliberalen Rezepten des Doktor Rösler folgt.

Tatsächlich hat der Begriff Kopfpauschale ein mobilisierendes Potential, meint eine Sprecherin des Online-Kampagnendienst Campact, deren Unterschriftenaktion gegen die Kopfpauschale auf eine gute Resonanz gestoßen ist. Auch der DGB bereitet zurzeit eine Kampagne gegen die Kopfpauschale vor. Der Druck von der Basis ist enorm, meint ein DGB-Verantwortlicher.

Die Geschäftsführerin des Vereins Demokratischer Ärztinnen und Ärzte Nadja Rakowitz sieht in der Gesundheitsreform ein Mobilisierungspotentials, das noch über die Proteste gegen die Agenda 2010 hinaus reichen könnte. Während sich damals viele nicht betroffen fühlten, ist das bei der Kopfpauschale anders.

Allerdings rät Rakowitz, die in den letzten Wochen auf vielen Veranstaltungen gegen die Gesundheitsreform aufgetreten ist, sich nicht auf den Kampf gegen die Kopfpauschale zu beschränken. Dann könnten die schon in Kreisen der Bundesregierung diskutierten Modelle einer stufenweisen Umgestaltung des Gesundheitswesens zu einer Beruhigung der Lage führen. Zum anderen würden auch die ökonomischen Hintergründe ausgeblendet, die Doktor Röslers Rezepten zugrunde liegen. Es ist der Trend zur Ökonomisierung des Gesundheitswesens, der durch die Wirtschaftskrise beschleunigt wird, weil das anlagensuchende Geldkapitel im Gesundheitsmarkt Verwertungsmöglichkeiten sieht. Schließlich gibt es im deutschen Gesundheitswesen noch große Bereiche, die nicht vollständig in das Kapitalverhältnis einbezogen sind. Eine große Mehrheit der Bevölkerung ist der Meinung, dass es so bleiben soll. Das ist ein guter Ausgangspunkt, um zu fragen, warum Bereiche wie Bildung oder auch der Arbeitsmarkt nach kapitalistischen Gesichtspunkten funktionieren müssen.

Das Thema Gesundheit hat also in vielerlei Hinsicht Potential für politischen Widerstand. Das zeigte sich Mitte April bei einem Treffen der AG Gesundheitspolitik des Bündnisses „Wir zahlen nicht für Eure Krise“ in Berlin.Dort hatte sich ein Bündnis von sozialen und gesundheitspolitischen Gruppen zusammengefunden, die selten gemeinsam agieren. Ihre Anregungen sollten in eine mögliche Kampagne einfließen. So betontOle Baumann vom BerlinerBüro für medizinische Flüchtlingshilfe, das sich um die gesundheitliche Versorgung von Menschen ohne Papiere kümmert,dass es in diesem Bereich heute in Deutschland schon eine Drei- oder Vierklassenmedizin gäbe. Das werde aber ausgeblendet, wenn vor der Gefahr einer Zweiklassenmedizin gewarnt wird. Die Vorsitzende derGesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung Pro Familia Gisela Notz betont die Wichtigkeit, die Forderung nach kostenfreien Zugang zu Verhütungsmitteln in die Kampagne einzubeziehen, weil Frauen mit geringen Einkommen bei der Familienplanung eingeschränkt sind. In solchen Diskussionen wird die Basis geschaffen für den Protest gegen ein wichtiges Projekt der wirtschaftsliberalen Elite. Die Erfolgsaussichten sind nicht schlecht. Es ist sogar möglich, dass die Bundesregierung nach einen für sie desaströsen Ausgang der Landtagswahl in NRWihre Gesundheitspläne schon beerdigt.

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Geschrieben von

Peter Nowak

lesender arbeiter

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