Zwischen Realität und Sciene Fiction

Foreign Affairs, Zoo In der knapp einstündigen Aufführung werden Fragen zu den Grenzen der Vernunft gestellt

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Zwischen Realität und Sciene Fiction

Bild: Screenshot

Eine Mischung aus Labor und Büro ist auf der Kleinen Bühne der Berliner Festspiele aufgebaut. Dort inszeniert das Teatro de Chile "Zoo", eine Darbietung, irgendetwo zwischen einem wissenschaftlichen Seminar und einer Science Fiction-Komödie angesiedelt. Es geht um die Tzoolkmen, eine Ethnie in der unwirtschaftlichen chilenischen Provinz Feuerland, die bereits Charles Darwin zu einer rassistischen Attacke animiert haben soll, nachdem er ihnen auf seiner Weltreise begegnet war. Er nannte sie „die niedrigsten und elendsten Kreaturen", denen er je begegnet ist. Die Tzoolkmen schienen bereits vor fast 100 Jahren ausgestorben, aber zwei Exemplare seien überraschenderweise noch gefunden worden, die nun in dem Labor untersucht und vorgeführt wurden. Sie sollten bunte Stifte sortieren, Taue knoten und sich am Feuer erfreuen. Dafür müssen sie alberne Übungen machen, die klar an die „Menschenzoos“ erinnert, mit denen noch im letzten Jahrhunderten Menschen aus anderen Kontinenten in Europa ausgestellt wurden.

Abschied von der Vernunft

Im zweiten Teil wird der Abschied von Vernunft und Aufklärung beschworen und das Hohelied auf eine Welt gesungen, in dem die Menschen die Natur nicht erklären, sondern einfach Teil von ihr sein sollen, in der man Reden nicht verstehen, sondern nur noch hören soll. Es ist die ganze regressive Litanei, die heute oft auch von einer alternativen Szene verbreitet wird, die die Indigenen vor allem dafür vergöttern, weil die angeblich unbelastet von Vernunft und Ratio sind und nur in und mit der Natur leben. Eine ganze Reihe von Linken hat sich so von Vernunft und Fortschritt verabschiedet, ist beim Ethnokitsch und New Age-Plunder gelandet und unternimmt Schamenreisen nach Peru. Sie kann man sehr gut verunsichern, wenn man nachweist, dass die angeblich wissensfeindlichen Indigenen Wissenschaftler an einer chilenischen Universität sind.

Der knapp über ein stündige Theaterabend verunsichert auch gleich auf mehrfache Weise. „Was wir auch sagen, es stimmt nicht“, dieser Satz wird mehrmals in dem Stück wiederholt. Am Ende bleibt für die Zuschauer offen, wo die Grenze zwischen Realität und Sciene Fiction ist oder ob diese Grenze eine Illusion ist.

Faschistischer Brandschlag vor dem Theater?

Verunsichert steht man beim Verlassen der Vorführung am Eingang der Berliner Festspiele vor einem eingezäunten Bereich, in dem ein Haufen angekokeltes Holz liegt. Brandgeruch liegt in der Luft. Auf einem Infoblatt gibt es Aufklärung. Der verbrannte Holzraufen sind die Überreste der sechs Meter hohen Pappmaché-Arbeit "Our Paper Soldier" des russischen Künstlerkollektivs Chto Delat. Sie trug ein Schild mit der Aufschrift "Antifaschistische Aktion". "Ein politisches Kunstwerk mit klar antifaschistischer Position wird zu einer Zeit, in der faschistisches Gedankengut international einen ungeahnten Aufschwung hat, nach kürzester Zeit zerstört", erklärte der Leiter des Festivals Foreing Affairs Matthias von Hartz. Es ist auch bedenklich, dass dieser Angriff auf eine unabhängige Kultur kaum jemanden in den Medien interessierte. Schließlich feiert sich die schwarz-rold-goldene Schlandnation gerade wieder einmal vor den Bildschirmen selbst. Da gilt als Spaßbremse, wer sich darüber aufregt, dass beim Spiel Deutschland-Frankreich "Blitzkrieg, Blitzkrieg" gegröhlt wurde und vor einem Theater eine antifaschistische Skulptur in Flammen aufgeht.

Peter Nowak

Zoo
von Manuela Infante
Regie: Manuela Infante, Bühne, Kostüme und Licht: Rocio Hernandez, Claudia Yolin.
Mit: Cristián Car Vajal, Héctor Morales, Ariel Hermosilla, Rafael Contreras, Katy Cabezas. Dauer: 1 Stunde, keine Pause

http://www.teatrodechile.cl/en

Zum weitren Programm von Foregin Affairs

http://www.berlinerfestspiele.de/de/aktuell/festivals/foreign_affairs/ueber_festival_fa/aktuell_fa/start.php

Hinweis eine der wenigen Meldungen zum Brandschlag auf die Skulptur Our Paper Soldier:

http://www.monopol-magazin.de/artikel/20108666/Anschlag-auf-Skulptur-von-Chto-Delat-in-Berlin.html

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Geschrieben von

Peter Nowak

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