Kann man mit einem 90 minütigen Fernsehauftritt einen monatelangen Trend umdrehen? Wohl eher nicht. Kann man damit die lähmende Atmosphäre eines richtungslosen Wahlkampfs verändern? Das schon eher. So gesehen ist es nicht wirklich entscheidend, ob nach dem TV-Duell Angela Merkel in der Bürgergunst eine Winzigkeit vorne lag, oder doch eher Peer Steinbrück.
In dem medialen Interpretationsfeuerwerk, das sofort nach Sendungsende gezündet wurde, ging völlig unter, dass der Wahlkampf möglicherweise doch an einem Wendepunkt angelangt ist. Und zwar nicht, weil es Steinbrück gelang, Merkel vor den Kamera zu zwingen, einer PKW-Maut eine Absage zu erteilen. Oder weil Merkel schlagfertiger war, als es darum ging, mit welcher Koalition die nächste Regierung gebildet werden solle ("Erst kommt das Land"). Das waren die Sandkastenspiele für diejenigen, für die das TV-Duell nichts anderes als eine umformatierte Casting Show darstellt.
Nein, an diesen Tag wird man in den Wahlkampfzentralen von CDU und SPD wohl aus einem anderen Grund noch länger denken und vor allem aufmerksam auf die nächsten Umfragen schauen. Denn dieser Abend war für die SPD die einzige Gelegenheit in diesem Wahlkampf, einer großen Zahl Menschen zu präsentieren, wohin die Reise gehen soll. Bisher wurden ihre Themen von den Patzern Steinbrücks und den Tollpatischkeiten der Wahlkampfzentrale überdeckt. Inhaltlich drang die SPD nicht durch. Da hilft auch kein Haustürwahlkampf.
Merkel umgarnt ihren Gegner
Ganz unbeteiligt an dem bisherigen Wahlkampfdesaster der SPD ist allerdings auch die CDU nicht. Sie hat sich bisher äußerst geschickt, weil hauptsächlich unscheinbar verhalten. Nur keine Angriffsfläche präsentieren! Merkel führte diese Strategie im TV-Duell am Sonntagabend zur kühlen Perfektion. Ihre Botschaft war: Bei mir habt ihr's gut. Und wenn sie doch einmal von dem bollerigen SPD-Kandidaten in Bedrängnis gebracht wurde – was durchaus vorkam – dann wies sie darauf hin, dass man doch bereits sehr gut miteinander in der großen Koalition gearbeitet habe. So umarmt man seine Gegner.
Steinbrück wiederum ließ sich zwar nicht von Merkel, dafür aber mehrfach von den Moderatoren aus dem Konzept bringen (was an dem armrudernden Stefan Raab und der bissigen Anne Will lag). Doch darauf kam es am Ende gar nicht an. Wichtiger war wohl, dass der Knappsprecher Steinbrück keine Gelegenheit ausließ, um sein Programm im Stakkato runterzubeten. Und wenn es nicht ganz zur Frage passte, machte ihm das auch nichts aus. Am Ende wusste man über Steinbrück und die SPD mehr als vorher. Was aus Sicht der SPD sicherlich als Erfolg verbucht wird.
Doch nicht nur für die Kampa ist das eine gute Nachricht, sondern auch für den Wähler: Endlich gewinnt dieser Wahlkampf an Profil. Und nicht nur das. Merkel hat nach den repräsentativen Erhebungen offenbar deutlich weniger Unentschlossene für sich gewinnen können als Steinbrück. In der CDU ist das durchaus mit Besorgnis registriert worden. Tut sich am Ende doch noch etwas in den Umfragen? Immerhin haben den beiden 17 Millionen Menschen zugeschaut.
Die Bemerkung des Abends kam dann aber nicht von einem der zahlreichen Politprofis, die angetreten waren, um im Anschluss die Deutungshoheit über das TV-Duell zu erobern, sondern von Paul Breitner. Der saß bei Günther Jauch offenbar in seiner Eigenschaft als normaler Wähler. Ob er sich jemals in seinem Stimmverhalten von einem TV-Duell habe beeinflussen lassen? Breitners Antwort: "Nein."
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