Der neue Maschinenmensch

Transhumanismus: Utopie oder Hybris? Warum sehen manche einen Fortschritt darin, wenn sie das Menschliche mit der Maschine verschmelzen wollen?

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http://www.jungewelt.de/serveImage.php?id=66693&type=l&ext=.jpgTransformer Hongkong Foto: Siu Chiu / Reuters

Was ist Transhumanismus und was ist das Ziel dieser neuen Bewegung, die wie nicht anders zu erwarten in Kalifornien ihre zahlungskräftigen Förderer hat? Einen kleinen Überblick kann man sich über diesen Link verschaffen, der auch die wissenschaftlichen Gebiete nennt, die mit der sogenannten Mensch-Maschinen-Schnittstelle von Bedeutung sind.

Es ist nicht zu bestreiten, dass neue Techniken auch neue Möglichkeiten bieten, menschliche Behinderungen auszugleichen und menschliche Fähigkeiten zu erweitern. Und es ist anzunehmen, dass alles was möglich sein wird auch gemacht werden wird. Also abhängig von unserem ethischen Stand wird es zu unserem Vorteil gereichen (damit ist kein ökonomischer gemeint) oder völlig aus dem Ruder laufen.

In dem Artikel, der im Anschluss von mir verlinkt wird, sind klare Positionen bezogen worden, was unser Menschsein von den Annahmen dieser Utopisten trennt. Allerdings kann ich der Behauptung: "Da Menschen künstliche Intelligenz entwickeln, produzieren und programmieren, sind sie im Besitz von Theorien über diese künstlichen informationsverarbeitenden Systeme. In der Intelligenzhierarchie stehen sie so immer eine Intelligenzstufe höher als die von ihnen geschaffenen Systeme." nicht ganz folgen, da die Theorien alleine ab einer bestimmten Komplexität nicht mehr ausreichen werden, um die sich selbst verbessernden Systeme noch zu verstehen.

Auch in der Kognitionswissenschaft beschäftigt man sich mit Theorien über den menschlichen Verstand, die auf der Basis der immer besseren Kenntnisse der "Hardware" des Gehirns und der Verbindungen zum Körper, gehaltvollere Theorien ermöglichen. Wenn es allerdings stimmt, was die Autoren schreiben: "Das Bewusstsein ist, daran ändern neue Erkenntnisse der Hirnforschung nichts, Eigenschaft und Entwicklungsprodukt der Materie.",dann sehe ich einen Widerspruch zu den späteren Ausführungen, denn warum sollten dann menschliche "Konfigurationen der Materie", mit den Kenntnissen aus den Forschungen am Menschen selbst, nicht zu neuen Formen führen können, die den Menschen auf "höhere" Stufen heben könnte, die der "natürlichen Evolution" verschlossen bliebe?

Anders formuliert, warum sollte das, was wir uns als denkende Wesen antizipierend realisieren, nicht dem über Milliarden Jahre währenden Prozess der Natur überlegen sein, zumal wir uns als die Spitze der Evolution betrachten?

Da ich keine Grenzen der Entwicklung annehmen kann, solange wir uns nicht selbst die Grundlagen zerstören, können wir auch nicht vorhersehen, was noch möglich sein wird. Solange wir Menschen Fragen stellen und die Neugierde uns nicht verlässt, werden wir uns nicht freiwillig limitieren. Jedenfalls gibt es keine sicheren Voraussagen, wie die Experimente an uns selbst verlaufen werden.

Ich würde das Gebiet der KI davon abgrenzen wollen, auch wenn es in enger Verbindung zum Transhumanismus steht. KI wäre für mich eine völlig neue Entwicklung, die der Mensch extern nutzt, mit diversen Formen der Kommunikation, aber keiner Verschmelzung!

Allerdings wird in beiden "Baustellen" gearbeitet und je mehr die Grenzen aufweichen, je mehr Implantate eingesetzt werden, je mehr "Schnittstellen" bedient werden, umso fragwürdiger werden unsere alten Weltbilder. Schon heute wissen wir, dass Menschen ihre künstlichen Prothesen als ihre eigenen betrachten; sie entwickeln ein "Gefühl" dafür: genauer sie identifizieren sich damit. Ab wann ist der Mensch dann noch Mensch?

Dazu nun mehr in dem ausgezeichneten Beitrag Transhumanismus, Überlegungen zu einer Ideologie, die den Menschen überwinden will. (jw vom 29.11.2014/ Beilage)

Helga E. Hörz, emeritierte Universitätsprofessorin, bis 1990 Leiterin des Lehrstuhls Ethik an der Humboldt-Universität Berlin und Mitglied der UN-Kommission »Zum Status der Frau«. Von 1987 bis 1990 war sie Direktorin der Sektion Philosophie an der Humboldt-Universität. Als Frauenrechtlerin und Philosophin hält sie Vorträge und publiziert Bücher.

Herbert Hörz, Professor, Ehrenpräsident der Leibniz-Sozietät der Wissenschaften zu Berlin (früher Gelehrtensozietät der Akademie der Wissenschaften der DDR). Von 1989 bis 1992 Vizepräsident der Akademie der Wissenschaften der DDR. Mitglied der European Academy of Sciences and Arts.

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