Am 6. Juni 1950 hielt Martin Heidegger in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste seinen berühmten Vortrag "Das Ding". Da C. F. v. Weizsäcker erst am nächsten Tag anreisen konnte und Heidegger großen Wert auf seine Beurteilung des Vortrages legte, wurde verabredet, dass Heidegger im Hotelzimmer von Carl Friedrich seinen Vortrag wiederholen würde. Wie gesagt so getan.
Nach seinem Vortrag schaute Heidegger gespannt auf von Weizsäcker und sagte: "So, Herr Professor, was sagen Sie dazu?"
"Ach, mein lieber Heidegger, was könnte ich dazu sagen." Er schwieg eine Weile und schaute nachdenklich durch das Fenster. "Vielleicht folgendes: Als Mois (Freund Kumpel ...) morgens um acht Uhr durch die Stadt ging, kam er an einer Kneipe vorbei. Er schaute herein und sah an der Theke seinen besten Freund Sam mit einem großen Weißbier sitzen. Er schüttelte seinen Kopf und ging weiter. Als er zwei Stunden später zurückkam, sah er Sam noch immer mit einem Weißbier an der Theke sitzen. Nach dem Mittagessen hatte er wieder etwas in der Stadt zu erledigen. Er ging wieder an der Kneipe vorbei und Sam war noch immer da. Und auch als Mois wieder nach Hause ging, saß Sam noch immer an einem Weißbier. Jetzt reichte es ihm und er trat in der Kneipe ein. Er setzte sich neben Sam.
´Sam, warum sitzt Du den ganzen Tag mit Weißbier in der Kneipe? Was ist los?´
´Meine Frau.´
´Was ist mit deiner Frau, ist sie krank?´
´Nein. Sie redet.´
´Sam, geh nach Haus zu deiner Frau.´
´Aber sie redet und sie redet.´
´Es ist doch nicht schlimm, dass sie redet.´
´Es ist schrecklich: sie redet und sie redet und sie sagt ja nichts!´"
Als von Weizsäcker Martin Heidegger dann anschaute, lachte dieser auf. Es ist bezeichnend für Heideggers Charakter, dass er diese Anekdote gerne immer wieder weitererzählt hat.
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"Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt". (Wittgenstein)
Zumindest auf der Ebene des sprachlich vermittelbaren. Das beinhaltet nicht zwingend, dass es darüber hinaus nicht noch andere Kategorien gibt.
Entnommen: "Philosophischer Wegweiser" Verlag Karl Alber, Herausgeber Lukas Trabert
Kommentare 41
Das ist eine schöne Geschichte. Hauptsächlich, weil sie so vieldeutig bleibt. Ist H. Sam oder ist er Sams Frau, ist W. Mois? Ist die Geschichte ein freundlicher Rat, oder eine melancholische Parabel? Die Szene könnte eine von Sam Beckett oder Tom Bernhard sein. So zu denken, am Rande des Absurden, manchmal auch darüber, war damals wohl ganz naheliegend. Welch optimistische Zeiten.
:-))
Das ist eine herrliche Anekdote.Ich habe mich etwas rar gemacht aber 3-Schichten fordern auch Lebens-und Schlafenszeit.Hat das Buch noch mehrere solcher Geschichten zu bieten?
Im Buch kommen 101 Philosophen auf einer Doppelseite zu Wort mit ergänzenden 39 Anekdoten. Es werden immer die gleichen Fragen gestellt; das Prinzip ergibt sich aus Leseprobe vom Karl Alber Verlag, siehe hier.
Interessant auch dabei die verschiedenen Auffassungen und die Vielfalt der Meinungen.
Grüße
Tja, 1950 war noch vieles offen. H und W waren "nur" Philosophen und haben sich im Stil der 20er Jahre mit einander amuesiert.
Der eine war noch nicht "Nazi" und der andere noch nicht der Sohn des SS-Brigadefuehrers, Diplomaten und Botschafters beim Vatikan von 43-45.
Ja sicher, die unverbindlich-tiefschürfende Beschäftigung mit scheintoten Filosofen ist ein feiner und relativ ungefährlicher Zeitvertreib.
Schon mit einer gelben Weste wirst du ja sonst gern zur Zielscheibe von Kriegswaffen.
Ist aber schön, das wir einmal wieder darüber gesprochen haben.........
Haben wir ja nicht, du hast dich bloß ein wenig verirrt.
Schön.
Da fiel mir gleich Brechts "Weise am Weisen ist die Haltung" ein:
"Zu Herrn K. kam ein Philosophieprofessor und erzählte ihm von seiner Weisheit. Nach einer Weile sagte Herr K. zu ihm:"Du sitzt unbequem, du redest unbequem, du denkst unbequem." Der Philosophieprofessor wurde zornig und sagte:"Nicht über mich wollte ich etwas wissen, sondern über den Inhalt dessen, was ich sagte." "Es hat keinen Inhalt", sagte Herr K. "Ich sehe dich läppisch gehen, und es ist kein Ziel, das du, während ich dich gehen sehe, erreichst. Du redest dunkel, und es ist keine Helle, die du während des Redens schaffst. Sehend deine Haltung, interessiert mich dein Ziel nicht."
BB hat sich bei dieser Geschichte wohl was richtiges gedacht. Manchmal verrät sich äußerlich das innerlich Falsche. Skepsis gegenüber Gedanken, die sich umständlich winden, verklausulieren, ins Blumig-vage abdriften, in voller Rüstung auftreten und ihre Beweglichkeit verloren haben, verkrampft Zustimmung verlangen statt lässig ihren Charme ausspielen. Es ist sicher nicht die militärische oder sportliche Haltung, kein mens sana in corpore sano, es ist der hedonistische arme BB, der sich in der Rolle des Surabaya-Johnnys sieht (nimm doch die Zigarre aus dem Maul, du Hund).
Aber die Keunerparabel ist problematisch. Die Herrschenden nehmen lässig die ideologische Haltung ein, sie kostet sie keine Mühe, und auch für alle anderen ist das Jasagen einfacher als der Widerstand. In letzterem sitzt man unbequem, redet unbequem, denkt unbequem. In dieser Geschichte macht es sich K. zu bequem.
Es ist schwierig für den Leser, (zumal denjenigen, die philosophisch nicht so bewandert sind), Texte zu verstehen, die nicht einmal vom Ansatz des Schreibers her bemüht sind, Wert auf Verständlichkeit zu legen.
Jetzt könnte man sagen, abhängig von der Materie (Sachverhalt) ist das halt so, schließlich kommt man zur höheren Mathematik auch erst durch die "Niederungen". Das würde ich aber in der Philosophie nicht gelten lassen, es sei denn, die Schreiber haben von vorn herein ein anderes Ziel vor Augen, nämlich eher die Klärung eigener Gedanken und das Interesse der anderen Philosophen.
"Läppisch" lässt sich Philosophie nicht lesen und verstehen, aber ich erwarte schon, dass sich dem Schreiber zumindest anmerken lässt, dass er bei seinen geistigen "Höhenflügen" auch an den geneigten Leser denkt, der ggf. resigniert ein Buch frühzeitig beendet, da hinten runter fällt, was vorne eingeht!
Als abschreckendes Beispiel (wenn auch schon lange her), dazu die Phänomenologie von Hegel, die vielfach gerühmt, aber mir als schlechtes Beispiel in Erinnerung.
@miauxx: gerne gelesen.
Schade, daß Dich die Phänomenologie abgeschreckt hat. Mich hat sie, wie sehr viele Zeitgenossen des Philosophen, angetörnt. Vielleicht hängt das damit zusammen, mit welchem Fuß man aufgestanden ist. Aber Spaß beiseite. Hegel ist natürlich schwere Kost, angesichts des letzten Versuchs in der Philosophie alles Wissen und Denken unter einen Hut zu bekommen, eines Versuchs, der mit gutem Grund von den nachfolgenden Philosophen aufgegeben wurde und mehr oder weniger scheitern mußte, eine beeindruckende Leistung, und die Phänomenologie ist leichter verständlich als die Logik. Mir hat geholfen, daß ich ohne viel philosophisches Vorwissen, naiv herangegangen bin, mich gefragt habe, was muß das heißen, daß es für mich Sinn macht. So habe ich gelernt, begrifflich zu denken.
Nun, um zu Brecht zu kommen. Der ist ja ein Meister des Einfachen, das schwer zu sagen ist. „Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral“, das ist die schlagendste Kritik des bürgerlichen Moralismus, die man sich denken kann. Das ist natürlich gemeint in der Parabel. Aber Brecht war ein eifriger Leser Hegels, alles andere als ein Hegelverächter. So wird wohl nicht dessen Schreib- und Denkweise gemeint gewesen sein. Das entsprach offensichtlich noch dem „so einfach wie möglich, so kompliziert wie nötig“.
Meine Verwunderung und Irritation wurde ausgelöst durch das Prädikat „unbequem“, denn kritisches Denken ist immer unbequem. Und wir haben ja nicht erfahren, ob die dunkle Rede eine verdunkelnde war oder einem schwer faßbaren Inhalt galt. Und die Weisheit könnte ja im Gehen und nicht im (schrecklich utilitaristischen) Zielerreichen bestehen.
Sicher - gnadenlos von Brecht. "Kritik der bürgerlichen Moral", die, freilich, wie hier, mit einer Kritik des bürgerlichen Intellektualismus zusammenfällt. Vielleicht war Brecht zu wenig Philosoph, als dass er mit den möglichen Windungen von Sprache, mit dem sprechenden Denken als einer Disziplin um ihrer selbst willen, etwas anfangen konnte. Klar und direkt zu einem klaren und direkten Ausdruck, der dabei trotzdem Kunst bleibt. Lutz Herden sprach ja kürzlich in seiner Besprechung des jüngsten Fernseh-Doku-Dramas über Brecht von einer "plebejischen Sprachkraft [...], wie man sie seit Luther nicht mehr kannte." Die gewundenen Worte des "Weisen" interessieren K. nicht, können uns (Brecht) nicht interessieren, da sie so 'fertig haben'; uns nicht mehr erreichen. Sie haben so, im überkommenen Gewand, eben nichts von widerständiger Unbequemlichkeit. Sie sind unverständlich für das (bzw. ein beabsichtigtes) Publikum einer neuen Zeit. Man kann hier auch ruhig einmal an Adorno und seine Forderungen an Dichtung und Musik nach '45 denken - nur freilich ganz ohne Klassenstandpunkt, sondern als bürgerliche Umwendung. Bei Brecht ist es Klassenstandpunkt; wie auch in der Musik bei Eisler, dem etwa die Zwölftönmusik und sein vorübergehender Lehrer Schönberg zu, um im Wortbilde zu bleiben, "unbequem" geworden sind.
Ob der Mois - C.F. v. Weizsäcker (?) - nur vergeblich versuchte, einem eitlen Schwätzer - dem Heidegger (?) - aus dem Weg zu gehen?
„Kritik des bürgerlichen Intellektualismus“, zweifellos. Aber „bei Eisler, dem etwa die Zwölftönmusik und sein vorübergehender Lehrer Schönberg zu, um im Wortbilde zu bleiben, "unbequem" geworden sind“? Nein, ich bin mir sicher, daß das nicht zutrifft. Eines der schönsten Werke Eislers, die „14 Arten, den Regen zu beschreiben“ hat er seinem Lehrer gewidmet. Und die rein instrumentalen Werke sind ausnahmslos Schönberg verpflichtet (kleine Sinfonie, deutsche Sinfonie, Kammersinfonie, Septette, Nonette). Freilich ist die Zwölftönigkeit unauffällig, wird ganz im Sinne einer erweiterten Tradition verstanden. Eisler ist ein sanfter, verführerischer Revolutionär, der mit sinnlicher Lust operiert, nicht mit elitärem Affront. Aber er hat sich nie vereinseitigt. Das Gute ist im Einfachen wie im Hochkomplexen zu finden und zu verwirklichen. Daß der Kampf gegen die Dummheit in der Musik vorrangig bei den Massen, dem Massengeschmack anzusetzen hat, will ich nicht bestreiten.
„Wichtig ist, dass Philosophie „zeitgemäß“ ist, dass auf ihr abgesägte Politiker und Star-Politikwissenschaftler aus Harvard über die „Weltlage“ parlieren, österreichische Populärphilosophen über lebensnahe Themen sprechen, der Kultursoziologe Andreas Reckwitz sein neues Buch vorstellen kann, Eva von Radecker allen mal erklärt, was Hannah Arendt eigentlich wollte (damit man es nicht selbst herausfinden muss), Soziologen und Historiker, Wissenschaftler also derjenigen Kulturwissenschaften, die der Empirie am nächsten sind, darüber diskutieren, ob Denken Grenzen sprengen kann, über Freiheit und das Universum und mich nachgedacht wird, in Formaten, die man jederzeit interessant, aber keinesfalls irritierend finden wird.
Ständig rüttelt irgendeiner wach, erklärt jemand endlich mal, was man schon immer wissen wollte, diskutieren irgendwelche Modephilosophen – „kontrovers!“ – über ewige Menschheitsfragen, die dank solcher Diskussionen auch kontrovers bleiben, so dass man sie nächstes Jahr wieder ins Programm aufnehmen kann. Reinhard Mehring, der auf der Tagung in Siegen zu Heideggers ‚Schwarzen Heften‘ als willfähriger Eiferer im Sinne der Veranstaltung aufgefallen ist – Heidegger in Bausch und Bogen nach der Maßgabe der Faye-Schule zu verdammen – darf über Heidegger aufklären. Ranga Yogeshwar spricht über Marx. Gregor Gysi auch, aber wo sind eigentlich Andreas Arndt oder David Harvey?
Sätze wie „Utopien können schneller Realität werden, als wir denken“ offenbaren in ihrer Gedankenlosigkeit den intellektuellen Tiefgang der Veranstaltung: Wo aus „Utopien“ „Visionen“ werden, die „Realität werden“ können, da kann man sich zurücklehnen. Ranga Yogeshwar ist ja da, um einzuordnen, wie realistisch das alles ist. Der Autor von Titeln wie „Business im Land der aufgehenden Sonne“ und „Kamasutra im Management“, Volker Zotz, arbeitet fleißig gegen die Differenzierung an, die Philosophen wie Heiner Roetz oder Rolf Elberfeld geleistet haben, wenn er „Konfuzius für den Westen“ fit macht: „Noch über zwei Jahrtausende später kann diese Lehre den oft nach Orientierung suchenden Menschen im Europa unserer Tage viel geben.“
Puh, na dann ist ja gut. Ich dachte schon, ich müsste mich jetzt mit einer Welt auseinandersetzen, die ganz anders ist als meine, mit einem Denken, das über die Schüler des Meisters tief in der chinesischen Gesellschaft der Zeit der streitenden Reiche verwurzelt ist, auseinandersetzen.
[…]
Dass dem Germanisten Precht Hegel nie etwas gesagt hat, ist eine negative Bildungserfahrung, die er sicherlich mit vielen anderen teilt. Man kann an Philosophen scheitern, das ist nicht ungewöhnlich. Aber daraus folgt eben nur, dass Precht, daraus folgt nicht, dass Hegel gescheitert ist. Philosophie muss nicht verständlich sein, sie ist es. Sie ist vollkommen verständlich – sie ist nur sehr schwer. Und diese Kompliziertheit überwindet man nicht, indem man sich von Experten erklären lässt, was eigentlich gemeint ist. Man überwindet sie nur, indem man liest – und mit anderen, die auch lesen, darüber spricht.
[…]
Philosophie ist das langsame, mühsame Erlernen von Tanzschritten. Philosophie ist Kung-Fu, mit vielen Lehrern. Sie ist überwältigend und unmenschlich – man muss sich mit einem ganz fremden Denken beschäftigen, man muss es besser kennenlernen als man sein eigenes Denken jemals kennengelernt hat. Man muss so denken können, wie der Philosoph denkt, den man liest. Und dann, wenn man dort angelangt ist, muss man ihn verlassen. Und alles beginnt von vorne. Weil man nie weiß, wie fremd ein Denken ist, baut sich die Gewissheit, die Erfahrung und wiederkehrende Formen und Figuren mit sich bringen, nur sehr langsam wieder auf und bleibt stets fragwürdig. Nicht mal den Begriffen kann man vertrauen.
Philosophie ist, bei aller Gemeinschaft mit anderen Philosophen und Philosophinnen, also auch sehr einsam. Sie muss es sein, weil nur in der Einsamkeit die Radikalität ihrer Fragestellung wirken kann. Wer ständig nur Leute um sich hat, die einem versichern, dass die Welt schon so ist wie sie ist, der kann keine radikalen Fragen stellen. Oder wenn er es tut, dann wirkt er auf seine Umgebung seltsam, komisch, weltabgewandt.
[...]
Den Gipfel, daran führt kein Weg vorbei, erreicht man nur, indem man ihn selbst besteigt. Indem man die dünne Luft dort oben auszuhalten lernt, indem man lernt, der eigenen Kraft zu vertrauen, die Steigeisen richtig zu setzen, die Kletterhaken fest zu verankern und die Seile richtig zu knoten. Indem man Schritt für Schritt nach oben geht und nicht versucht, den Gipfelsturm auch wörtlich so zu verstehen. Es gibt keinen Gipfelsturm, aber man kommt umso besser voran, je höher man geht. Dennoch reicht ein Schritt und man landet im Nichts.“
(Auszüge aus: Zur phil.cologne – und warum sie nichts mit Philosophie zu tun hat, von Daniel-Pascal Zorn)
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Robert Brandom gibt sich so gar keine Mühe allgemeinverständlich zu schreiben. Keine Seite aus „Expressive Vernunft“ liest man einfach so runter und wer das Problem hat zu meinen, er sei zu schlau für diese Welt, der kann sich mal an Brandoms dickem Buch versuchen, es lehrt einen Demut. Irgendwann will man weinen, wenn man den Anspruch hat, das zu verstehen. Klar, es gibt noch andere Dinge, die man nicht mal eben so versteht, aber philosophisch rangiert Brandom da mit ein paar andren an der Spitze, Habermas ist dagegen Aufwärmtraining und bei dem fragen Spötter ja gerne, wann die deutsche Übersetzung heraus kommt.
Aber selbst bei Brandom, der alles andere als ein Schaumschläger ist, gibt es noch relativ leichtere und schwerere Passagen, zu Letzteren zählt diese:
„Die Existenz-Festlegung ist eine Spezies der substitutionalen Festlegungen. Sie lässt sich als einzelne quantifikationale Festlegung auffassen, die eine besondere Art der Beschränkung für die vindizierenden Substituenten beinhaltet, welche den Inhalt dieser Festlegung bestimmen. Allgemein gesprochen ähnelt die für existenziale Festlegungen charakteristische Substituenten-Beschränkung der sortalen Beschränkung, die bei quantifizierenden Festlegungen im Spiel ist - und noch allgemeiner, beim Gebrauch jedweder Ausdrücke mit singulärer referentieller Absicht.“ (Robert Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. 2000, Suhrkamp, S. 615)
🎈Aber daraus folgt eben nur, dass Precht, daraus folgt nicht, dass Hegel gescheitert ist. 🎈
Smart!
Haben Sie sich verbloggt und wollten eigentlich einen Artikel formulieren?🈵
Nee, es ging doch darum, wie schwer oder leicht, verständlich oder unverständlich Philosophie sein darf.
Im Grunde bin ich da bei Zorn und auch wieder nicht. Ich bin milder als er, weil ich die Vermittlung von Philosophie in Form von populären Appetithappen durchaus auch schätzen kann, aber der tiefere Sinn ist auch m.E., dass man dadurch die Zahl der Menschen erhöht, die es irgendwann ernst meinen, mit demThema und da bin ich dann zu 100% bei Zorn. Der Text ist auch nicht von mir, sondern von ihm.
Philosophie und auch Spiritualität werden dann irgendwann sehr ernsthaft und anspruchsvoll und es gibt keine leichte Vermittlung. Es geht nicht mal eben auf einer halben Seite zu sagen, was Brandom denn auf 1000 Seiten geschrieben hat oder was das Ergebnis von 20 Jahren Zen-Meditation ist.
Weil man das Ergebnis nicht versteht, wenn man den Weg nicht gegangen ist. Wenn man denkt, man würde es verstehen, macht man alles noch viel schlimmer. Wir haben das in breiter Front bei der Esoterikwelle erlebt, wo Aussagen von Weisen und erleuchteten Meistern auf das Bewusstsein gelangweilter Hausfrauen traf und das Ergebnis war eine Katastrophe.
Man mag ja Heidegger als Schwätzer bezeichnen, Hegel als jemanden, der nicht schreiben kann, die Frage ist, wer von den Kritikern denn überhaupt etwas von den Genannten gelesen hat.
Wenn dann Leute, die nicht mal Sekundärquellen studiert haben, sich ein letztgültiges Urteil anmaßen, dann wird es immer bitter.
🎈Philosophie und auch Spiritualität werden dann irgendwann sehr ernsthaft und anspruchsvoll und es gibt keine leichte Vermittlung.🎈
Ach, wissen Sie, ernsthaft und anspruchsvoll kann auch heiter und unterhaltsam sein. Sehe ich keinen Widerspruch.
Leichte Vermittlung ist Zufall und hat für mich immer einen Hauch von Manipulation.
Eins meiner Lieblingsbeispiele im Zusammenhang mit Spiritualität ist Osho, der es sich zurechnete, den Humor in die Spiritualität eingeführt zu haben. Wenn man ihn liest, ist er mit leichter Sprache knallhart und präziseund dann schiebt er einen Witz ein, um etwas zu verdeutlichen. Er konnte spontane Erleuchtung induzieren.
Lao Tse (wenn es ihn tatsächlich jemals gegeben hat) war einer der genialsten Denker überhaupt, was ich z.B. von Konfuzius nicht behaupten würde.
Mit Philosophien konnte ich mich nie anfreunden. Viele von ihnen wirken auf mich einengend und engstirnig, womit ich Ihnen insgesamt wohl unrecht tue. Jean-Paul Sartre finde ich gut, aber der Existentialismus liegt mir auch.🕉
"Es geht nicht mal eben auf einer halben Seite zu sagen, was Brandom denn auf 1000 Seiten geschrieben hat (...) und "Weil man das Ergebnis nicht versteht, wenn man den Weg nicht gegangen ist. Wenn man denkt, man würde es verstehen, macht man alles noch viel schlimmer."
Das wievielte Leben leben sie also? Denn abgesehen vom rein zeitlichen Problem bleibt nur die nüchterne Erkenntnis, dass die Beschränkung auf bestimmte Philosophen (Autoren) entweder eine gründliche Kenntnis ermöglicht oder in der Breite nicht den gleichen Anspruch anmelden kann.
Denn wer kann von sich schon behaupten, die gleiche Energie in die Durchdringung kantischer Gedanken eingebracht zu haben (als ein Beispiel), wie Schiller es getan hat und zwar über mehrere Jahre. Und das hätte auch rein gar nichts geändert mit einem verfügbaren Wikipedia.
Und genau deshalb frage ich auch @Nil zu Ken Wilber, da sie sich gründlich mit ihm auseinandergesetzt hat.
"Aber er [Eisler] hat sich nie vereinseitigt."
Das stimmt. Auch in der DDR, für die sich Eisler immerhin entschieden - die österreichische Staatsbürgerschaft jedoch behaltend - und sogar die Hymne komponiert hatte, war er durch die 'Oberen' nicht nur wohlgelitten. Aber es stimmt auch, dass sich Eisler im Zuge seiner Politisierung nach links, nunja, 'gezwungen' sah, sich von Schönberg und der allzu bürgerlichen Kulturwelt zu distanzieren. Vielleicht hat er damit - These - auch noch besser zu Brecht gepasst, als Weill; mit seiner Kampfmusik war er vielleicht auch radikaler als Brecht. Bei allem, oh doch, Affront, hat er aber dennoch - da haben Sie wieder recht - seine musikalischen Wurzeln und Prägungen nicht verleugnet. Nur war ihm so etwas wie Zwölftönigkeit eben nicht das Mittel der Wahl für einen musikalischen Fortschritt oder ein neues Publikum. Es galt Eisler nicht die bloße Konzentration auf den Materialstand, wie eben bei Schönberg oder nachher einem Adorno, sondern stets auf den Ausdruck. Dieser wäre vielleicht die Entsprechung zur Haltung, die der Herr K. (Brecht) bei dem "Weisen" vermisst.
Wahrscheinlich ist Philosophie nie leicht verständlich - auch wenn sich schwer ein Maß für leichte Verständlichkeit an- oder festlegen lässt. Sagen wir doch, es ist nicht Philosophie, wenn es die allgemeine, auf einen Allgemeinbildungsdurchschnitt abzielende Verständlichkeit einer Bedienungsanleitung für handelsübliche Gegenstände hat. Wozu dann auch die Ratgeberliteratur, die heute als Philosophie verkauft wird, zählte. Das klingt nun zwar elitär ... aber machen wir uns nichts vor: Weisheit, unabhängig davon, ob sie ein anachronistisches Konzept ist oder doch nicht, kann sich nicht in der Prosa einfacher Lösungsvorschläge und five-minutes-Konzepten darlegen. Aber freilich gibt es auch hier Spreu und Weizen. Nicht alles, was sich wortreich, mit kumulierendem Fremdwortschatz und/oder Wortschöpfungen, in Hypotaxe und/oder Manierismen wie verstellter Grammatik verbreitet, muss gute oder überhaupt Philosophie sein. Philosophie ist, Denken zum Gespräch zu machen bzw., ins Gespräch zu bringen. Philosophie in Form von Selbstgesprächen in der Form monografischer Ungetüme zu hunderten von Papierseiten (gut, heute auch in Form von einigen kB übersetzem ASCII-Text) ist eine neuzeitliche Form und hat wohl erst darin zu Solitären geführt. Ursprünglich war es ja doch das Gespräch. Das will, und da hat der Zorn vollkommen recht, geübt sein - ja, es ist sogar eine Übung! Und das nimmt dann auch wieder etwas vom Anschein des Elitären. Wer sich der Übung, dem Philosophieren, stellen will, muss sich herausfordern. An konkrete Formen und Erscheinungsweisen ist das nicht per se gebunden.
PS: Philosophie und Spiritualität würde ich nicht so ohne Weiteres nebeneinander stellen.
Mit dem Zitat von Brandom habe ich ein Problem, denn entweder ist es vergleichsweise einfach, nur unverhältnismäßig kompliziert verklausuliert, oder es behauptet etwas, was nicht naheliegend ist und daher näherer Begründung bedarf. Die erste Merkwürdigkeit ist die Konstellation von Begriffen aus ganz unterschiedlichen Sphären. Es scheint sich um eine logische Überlegung zu handeln, da von Existenz und Quantität, also sagen wir vom Existenzquantor, die Rede ist. Auch der Unterschied von substitional und quantifikational läßt sich noch logisch verstehen. Aber hat „vindizieren“ einen logischen Sinn? Und werden mit Substituenten Variablenklassen gemeint oder ist das eine chemische Metapher? Was heißt es, daß die „Substituenten-Beschränkung der sortalen Beschränkung“ ähnelt, mehr noch „jedweder Ausdrücke mit singulärer referentieller Absicht“? Soll nun Existenz formal oder doch inhaltlich gebraucht werden? Macht er einen Unterschied zwischen einem Einzelexemplar und einem Unikat?
Ich konzediere, daß mir der Kontext fehlt, aber so ist es undeutlich formuliert. Vielleicht auch nur schlecht übersetzt.
Ich würde das etwas zurückhaltender formulieren, denn Eisler hat ja in vollem Ernst seine Sinfonien und Kammermusikwerke geschrieben. Aber auch ich sage ja, daß er aufgrund seiner politischen Haltung eine gewisse Präferenz für Arbeiterchöre und Kampflieder hatte.
Ich möchte noch hinweisen auf einen Irrtum, der sehr verbreitet ist und den ich in den abschließenden Sätzen evt formuliert finde. Ja, Adorno hat vom Materialstand gesprochen. Und das ist von den seriellen Technokraten dankend angenommen – aber eben gründlich mißverstanden worden. Adorno ist geradezu das Gegenteil eines Technokraten. Er denkt tatsächlich sehr historisch, daher ist für ihn wie weitgehend in der künstlerischen Community (heute ist der Fortschrittsoptimismus selten geworden) eine Musik, die unterhalb des erreichten Niveaus der künstlerischen Reflexion bleibt, veraltet, und das ist selbstverständlich ein Werturteil. Adorno ist der Meinung, daß man nicht naiv musikalisch verbrauchtes Material verwenden kann. Andrerseits ist seine Wertschätzung von Weill darin begründet, daß das verbrauchte Material eben gerade als verbrauchtes vorgeführt wird, in dieser reflektierten Form geht es. Und er zieht eine Parallele von cinematographischer, literarischer und musikalischer Collagetechnik. So auch wertet er die Trivialismen in Mahlers Musik.
Aber wir kennen ja die musikalischen Urteile zum Jazz, zu Sibelius und Richard Strauß. Die positive Bewertung der kompromißlosen seriellen Musik darf jedoch nicht technizistisch verstanden werden. Auch in der Kunst geht es für Adorno um historische Wahrheit. Wahr ist diese Musik, weil sie der Welt ihre Melodie vorspielt, spiegelt, den Zwang und Totalitarismus der Naturbeherrschung, der technischen Zurichtung der Welt. So wie im Expressionismus Schönbergs (zB Erwartung) sich die unheile Welt und das zerrissene Individuum spiegelt. Für Schönberg war trotz seiner Bedeutung für das Komponieren der Wiener Schule die Zwölftontechnik immer nur Technik, eine sehr sinnvolle Technik, die allerdings nicht aus sich heraus schon gute Musik erzeugt. Für mich gibt es keine Zweifel, daß er damit recht hat.
„Ach, wissen Sie, ernsthaft und anspruchsvoll kann auch heiter und unterhaltsam sein. Sehe ich keinen Widerspruch.“
Ich auch nicht. Ernsthaftigkeit verstehe ich nicht als Humorlosigkeit. Humorlosigkeit ist oft ein Zeichen der Ideologen, die verbissen ihren Weg gehen. Wenn sie 'Humor' haben, dann ist es die Verächtlichmachung anderer, ein sich lustig machen und so weiter. Dass Humor meint, sich und die eigenen Ideen nicht zu verbissen zu feiern, sondern eine Distanz auch dazu einzunehmen, scheint mir ein guter Gradmesser zu sein.
„Eins meiner Lieblingsbeispiele im Zusammenhang mit Spiritualität ist Osho, der es sich zurechnete, den Humor in die Spiritualität eingeführt zu haben. Wenn man ihn liest, ist er mit leichter Sprache knallhart und präziseund dann schiebt er einen Witz ein, um etwas zu verdeutlichen. Er konnte spontane Erleuchtung induzieren.
Lao Tse (wenn es ihn tatsächlich jemals gegeben hat) war einer der genialsten Denker überhaupt, was ich z.B. von Konfuzius nicht behaupten würde.
Mit Philosophien konnte ich mich nie anfreunden.“
Muss man ja auch nicht. Jeder hat so seinen Weg und eine wesentliche spirituelle Erkenntnis ist, dass jeder Weg in Ordnung ist, weil er zu dem, der ihn geht optimal passt. Darum finde ich es auch in Ordnung, wenn sich jemand nicht in einen Bereich verbeißt, hat er aber Geschmack an etwas gefunden, ist es gut die Spreu vom Weizen zu trennen und Philosophie-Imitationen sind genau so ärgerlich, wie die anderen.
„Fakten, Fakes, Fiktionen“ Thread nachgehen. Wenn bspw. jemand sagt, er glaube an Reinkarnation oder ein Leben nach dem Tod, muss ja geklärt werden, wie das Funktionieren soll.
„Denn abgesehen vom rein zeitlichen Problem bleibt nur die nüchterne Erkenntnis, dass die Beschränkung auf bestimmte Philosophen (Autoren) entweder eine gründliche Kenntnis ermöglicht oder in der Breite nicht den gleichen Anspruch anmelden kann.“
Jein. Es geht eher darum, was man begriffen hat und wenn auch der Prozess des sich Einlassens auf einen neuen Denker immer wieder bei Null beginnt, so ist der empathische Prozess etwas, was sich immer besser einschleift. Also vom vorschnellen, irritierenden und erregenden „Stimmt doch gar nicht“ wegzukommen und einfach mal die eigenen Vorurteile in den Griff zu kriegen. Ansonsten tut sich das nicht so viel, weil, wenn ich Kant maximal verstehen will, ich mich ja auch mit dem Umfeld beschäftigen muss, der Frage, wie Kant auf diese oder jene Idee gekommen ist und schon sitzen den anderen mit im Boot, auch auf dem Weg der Spezialisierung.
Sorry, da habe ich nicht alles erwischt, der Anfang noch mal:
„Das wievielte Leben leben sie also?“
Keine Ahnung, aber die Frage finde ich sehr spannend. Um daraus wirklich eine Frage zu machen und keine Aussage, muss man unter anderem die Fragen klären, denen wir im „Fakten, Fakes, Fiktionen“ Thread nachgehen. Wenn bspw. jemand sagt, er glaube an Reinkarnation oder ein Leben nach dem Tod, muss ja geklärt werden, wie das Funktionieren soll.
🎈[...] eine wesentliche spirituelle Erkenntnis ist, dass jeder Weg in Ordnung ist, weil er zu dem, der ihn geht optimal passt.🎈
Ja, die indische Auffassung. Hab das mal einem erfahrenen Yogi so verkauft: wenn man in Paris zum Eifelturm will, ist es egal, welches Taxi man nimmt - das rote, grüne, oder blaue - Hauptsache man behält den Turm im Auge und kommt irgendwann an oder wenigstens nahe.
Erstaunlicherweise sind wir uns einig! Was für ein Zustand! Na, das kriegen wir schon wieder hin ...🈵
„Wahrscheinlich ist Philosophie nie leicht verständlich - auch wenn sich schwer ein Maß für leichte Verständlichkeit an- oder festlegen lässt.“
Philosophie ist Empathie (oder ein Teil davon), es ist die Fähigkeit, die Welt durch die Augen eines anderen zu sehen. Eine merkwürdige Sprache ist ja nicht nur der Zeit geschuldet, sondern dem Denken des Denkers. Hier drückt sich auch aus, wie es in jemandem aussieht, zumindest in einem Winkel seiner Psyche. Man kann dann immer noch überlegen, ob der Schreibstil wohl kompensatorisch ist. Wittgensteins Paragraphenreiterei, ich glaube nicht, dass sie seinem Inneren entsprochen hat.
„Sagen wir doch, es ist nicht Philosophie, wenn es die allgemeine, auf einen Allgemeinbildungsdurchschnitt abzielende Verständlichkeit einer Bedienungsanleitung für handelsübliche Gegenstände hat. Wozu dann auch die Ratgeberliteratur, die heute als Philosophie verkauft wird, zählte. Das klingt nun zwar elitär ... aber machen wir uns nichts vor: Weisheit, unabhängig davon, ob sie ein anachronistisches Konzept ist oder doch nicht, kann sich nicht in der Prosa einfacher Lösungsvorschläge und five-minutes-Konzepten darlegen.“
Ich finde Elitarismus top und meine, wir haben deutlich zu wenig davon. Das modische Elitenbashing wirft ja nun alles in einen Topf, ohne mal zu klären, um welche Elite es denn gehen soll: Monetäre, intellektuelle, Machtelite … . Denn Begriffe erst gar nicht zu klären, sondern wirr zu verwenden und ihnen dann 5 verschiedene Bedeutungen zu geben, führt entweder zu nichts, oder dazu, dass man nachher tun muss, was man vorher besser getan hätte, differenzieren. Da Empörung heute aber zum Selbstwert stilisiert wird, sind Begriffe, die irgendwie für alles stehen halt voll im Trend. Gegen Neoliberalismus, das Patriarchat, Eliten und Hierarchien geht immer. Der eigene Arzt soll dann aber der möglichst beste sein, warum geht man denn nicht ganz solidarisch zu jedem x-beliebigen?
„Aber freilich gibt es auch hier Spreu und Weizen. Nicht alles, was sich wortreich, mit kumulierendem Fremdwortschatz und/oder Wortschöpfungen, in Hypotaxe und/oder Manierismen wie verstellter Grammatik verbreitet, muss gute oder überhaupt Philosophie sein.“
Richtig. Dummes Zeug bleibt auch dummes Zeug, wenn es geschraubt und mit überheblichem Gestus daherkommt. Man selbst sollte nur in der Lage sein, das entscheiden zu können und nicht erneut glauben zu müssen. Dabei muss man wieder von den eigene Vorurteilen abstrahieren, lernt sie (und damit sich) aber auch besser kennen, Auch das bedingt sich, lernt man andere bessere kennen, lernt man sich besser kennen.
„Philosophie ist, Denken zum Gespräch zu machen bzw., ins Gespräch zu bringen. Philosophie in Form von Selbstgesprächen in der Form monografischer Ungetüme zu hunderten von Papierseiten (gut, heute auch in Form von einigen kB übersetzem ASCII-Text) ist eine neuzeitliche Form und hat wohl erst darin zu Solitären geführt.“
Der eine so, der andere so, ich denke, das ist eine Typenfrage. Wer vielleicht nur einen guten Text raushaut und den nicht mal diskutiert, kann dennoch Großes leisten, wenn sich andere daran abarbeiten können. Aber schon in dem Sinne, dass das große Gespräch der Philosophie weiter geht, ja.
„Ursprünglich war es ja doch das Gespräch. Das will, und da hat der Zorn vollkommen recht, geübt sein - ja, es ist sogar eine Übung! Und das nimmt dann auch wieder etwas vom Anschein des Elitären. Wer sich der Übung, dem Philosophieren, stellen will, muss sich herausfordern. An konkrete Formen und Erscheinungsweisen ist das nicht per se gebunden.“
Richtig. Philosophie ist einerseits radikal demokratisch und auf der anderen Seite radikal elitär. Jeder darf mitreden, muss sich aber auch der Kritik stellen und zur technischen Seite gehört eben auch, dass man scannt, ob eine Text konsistent ist und Fehlschlüsse beinhaltet.
„PS: Philosophie und Spiritualität würde ich nicht so ohne Weiteres nebeneinander stellen.“
Machen viele nicht, Für mich gehen Philosophie, Psychologie und Spiritualität fließend ineinander über, bzw. sind drei Bereiche die teils getrennt sind und teilweise Schnittmengen bilden. Empathie ist z.B. ein durchgehendes Element aller drei Bereiche.
"Erstaunlicherweise sind wir uns einig!"
Sind wir doch relativ häufig!? Sie haben sich nur einmal über mich geärgert, das war aber ein Missverständnis.
Ansonsten ist es ja ohnehin so, dass man sich je nach Thema mal diesem, mal jenem annährend und vom anderen entfernt. Zum Glück.
„Auch der Unterschied von substitional und quantifikational läßt sich noch logisch verstehen. Aber hat „vindizieren“ einen logischen Sinn? Und werden mit Substituenten Variablenklassen gemeint oder ist das eine chemische Metapher? Was heißt es, daß die „Substituenten-Beschränkung der sortalen Beschränkung“ ähnelt, mehr noch „jedweder Ausdrücke mit singulärer referentieller Absicht“? Soll nun Existenz formal oder doch inhaltlich gebraucht werden? Macht er einen Unterschied zwischen einem Einzelexemplar und einem Unikat?
Ich konzediere, daß mir der Kontext fehlt, aber so ist es undeutlich formuliert. Vielleicht auch nur schlecht übersetzt.“
Puh, und das am Sonntag Morgen. Bei der Qualität der Übersetzung bin ich mir auch nicht so ganz sicher, aber zu seiner Zeit war wohl niemandem klar, was Brandom so richtig wollte. Das Buch ist ein einziger großer Kontext, Brandom will Kant, Wittgenstein und Frege zusammenschrauben und im Grunde klären, was wir tun, wenn wir sozialen Praktiken nachgehen, also uns unterhalten und einander beurteilen. Für Brandom ist – Sellars folgend – das was uns charakterisiert, 'das Spiel des Gebens und Nehmens von Gründen' und das ist ein diffiziles Spiel von normativen Festlegungen (die wir qua Aussage oder Handlung tätigen können), aus denen logisch inhärent (inferentiell) weitere Festlegungen folgen. Für Brandom ist alles ein normatives Spiel, aber eben auch die Frage, ob und wann unsere Festlegungen berichtigt oder gerechtfertigt sind. Wer sagt; „Wie Einstein schon 1905 feststellte ,,,“ ist dazu im Grunde nur berechtigt, wenn er auch tatsächlich kapiert hat, was Einstein da schrieb, aber andererseits kann und muss man das Rad nicht immer wieder neu erfinden, d.h. wir können im Alltag Berechtigungen zu allgemein anerkanntem Wissen (dass die Erde rund ist) erben und wer alles bezweifelt, muss, je nach den normativen Richtigkeiten der Gesellschaft eben seinerseits den Zweifel begründen.
Insofern greifen soziale oder deontische Größen, die deontische Kontoführung (im Grunde der „Ruf“ den jemand hat) ist etwas, auf das bei Brandom immer wieder verwiesen wird, wobei der Punkt gar nicht so stark von ihm betont wird, und logische Größen ineinander, hier in der Tradition von Wittgenstein.
Substituenten sind, Frege folgend, das logische Herzstück des Buches und bilden den unfassbar schweren Mittelteil. Frege hat ja Begriffe vom Wort gelöst, für ihn wäre [die erste deutsche Kanzlerin] ein Begriff und wenn man diesen mit [Angela Merkel] substituieren kann, ohne dass ein semantischer Rest entsteht, wie er bei [eine bedeutende deutsche Politikerin] entstehen würde, logisch identisch. Aber Formeln und Praktiken spielen Brandoms Ansatz zufolge ja auch nur eine dem Normativen nachgeordnete Rolle, da der Empirismus sich nicht selbst begründet oder rechtfertigen kann, wie wir drüben ja auch feststellten.
Logische Fehler der Begründung zu machen, Festlegungen einzugehen und diese nicht einzulösen, ist etwas, wodurch der soziale Kontostand sinkt. Hegel versucht er im übrigen in die Sprache sozialer Normen zu übersetzen, der Weltgeist wäre für ihn eine soziale, normative Tradition.
Den Ansätzen semantischer Referenzialität erteilt Brandom eine Absage, das ist eine andere recht zentrale Stelle bei ihm, die ich hier mal zitieren kann, aber vielleicht könnten wir sie besser drüben besprechen, oder? Egal, wie es gerade passt, hier die Stelle:
„Noch sagen Philosophen Sätze wie „Die Wahrheit ist eine, doch der Meinungen sind viele“ oder „Die Wahrheit ist eine Eigenschaft, die einmal in der Sprache der Physik definierbar sein wird“, die außerhalb der Reichweite der vorgelegten Analyse von „wahr“ liegen. Und entsprechend wurden zwar Ansätze darüber geliefert, worauf sich jemand mit einer Äußerung bezieht, doch über die Relation der Referenz wurde nichts gesagt. Die anaphorische Analyse gibt nicht an, wie Sätze zu verstehen sind wie „Die Referenzrelation ist eine kausale, physikalische Relation“. Der Grund liegt auf der Hand. Anaphorisch betrachtet hat zwar „... ist wahr“ die syntaktische Oberflächenform eines Prädikats und „... bezieht sich auf“ die einer Relation, doch spielen sie nicht die entsprechende grammatische und semantische Rolle. Grammatisch sind es Operatoren, die anaphorischen Nachfolger bilden – nämlich Prosätze und anaphorisch indirekte Beschreibungen. Philosophen haben die gewöhnliche Rede mit „wahr“ und „bezieht sich auf“ fälschlicherweise auf Grundlage einer missverstandenen grammatischen Analogie zu Prädikaten und relationalen Ausdrücken aufgefasst (was freilich wegen der Oberflächenform verständlich ist), haben eine Eigenschaft der Wahrheit und eine Relation der Referenz als die semantischen Korrelate der anscheinend prädikativen und relationalen Ausdrücke hypostasiert. Es wurden dann konkurrierende Therorien über die Beschaffenheit dieses merkwürdigen semantischen Prädikats und dieser Relation aufgestellt. Diese Suche ist aus dem selbem Holz geschnitzt wie die Suche nach denen Gegenständen, die jenem Ausdruck entsprechen, der die syntaktischen Oberflächenrolle eines singulären Terminus spielt – z.B. quantifizierende Ausdrücke wie „jemand“ oder „jedermann“ oder „es“ in „Es regnet“. Eine genauere Betrachtung (substitutions-inferentiellen) Gebrauchs dieser Ausdrücke zeigt, dass die scheinbare Analogie zu den singulären Termini irreführend ist; und eine genauere Betrachtung des (anaphorischen) Gebrauchs von „wahr“ und „bezieht sich auf“ zeigt, dass die zunächst verlockende Angleichung an Ausdrücke von Eigenschaften oder Relationen irreführend ist. Wenn man die anaphorische Analyse dessen vertritt, was von „wahr“ und „bezieht sich auf“ ausgedrückt wird, muss man also auf den reifizierenden Zug in Richtung einer Wahrheitseigenschaft und einer Referenzrelation verzichten. Dieser Ansatz zieht also implizit eine Grenze zwischen der gewöhnlichen Rede von Wahrheit und Bezug und verschiedenen spezifisch philosophischen Erweiterungen, die auf einem theoretischen Missverständnis dessen beruhen, was solches Reden ausdrückt. Gewöhnliche Aussagen darüber was wahr und falsch ist und worauf sich ein Ausdruck bezieht, sind so, wie sie sind, völlig in Ordnung; die anaphorische Analyse erklärt, wie sie zu verstehen sind. Doch Wahrheit und Referenz sind philosophische Fiktionen aufgrund grammatischer Missverständnisse. Es ist kein Mangel des anaphorischen Ansatzes, dass er für die fundamental verqueren Aussagen dieser Art nichts zu bieten hat. Eine Behauptung als wahr zu betrachten muss zuallererst als das Übernehmen einer normativen Einstellung verstanden werden – eine Behauptung gutzuheißen und damit eine Festlegung anzuerkennen. Diese normative Einstellung wird vorausgesetzt, wenn eine objektive Eigenschaft zugeschrieben werden soll, und ist nicht etwa anhand von dieser zu erklären.“ (Robert Brandom, Expressive Vernunft, 1994, dt. Suhrkamp 2000, S. 463f)
Was es mit den Sortalen auf sich hat, habe ich total verdrängt, weil ich es schon beim Lesen kaum verstanden habe, wiederum zentral – und strittig und irgendwie kurios – ist aber die meilenweit weg scheinende Frage, nach der Beziehung zwischen Anapher und Deixis und für Brandom spielt die Anapher die grundlegende Rolle, d.h. ein deiktisches Spiel, wie das Zeigen auf etwas, kann man nur spielen, wenn man es als einen Akt in einem zuvor beherrschten normativen Spiel spielt. Das passt zur Gesamtstrategie, da das Geben und Verlangen von Gründen ebenfalls ein normatives Spiel ist und dasjenige, was uns auszeichnet. Sein Vorhaben ist, die impliziten Regeln dieses Spiels explizit zu machen. In „Zeigen“ wurde versucht, das auf Fragen runterzubrechen, die dann wieder lebensnah sind und in die man sich leicht hineinversetzen kann, die aber von Brandom inspiriert sind.
"Das wievielte Leben" bezog sich nicht auf einen für mich müßigen Gedankengang über Reinkarnation (Gedankenspiel), sondern auf die reale zeitliche Verfügbarkeit, die für Lesen überhaupt noch in einer durchschnittlichen Lebenszeit sinnvoll möglich und verkraftbar ist. Es bleibt immer nur bei einer subjektiven Auswahl und die Zeit im Arbeitsleben ist eh limitiert. Nimmt man dazu noch die wichtigsten Denker aus anderen Fachbereichen, die einen interessieren, dann wird es noch klarer.
Eine kleine Überschlagsrechnung wöchentlicher Lesezeit, mit plus und minus intellektueller Potentiale macht das schnell erkennbar. Da bedurfte es jetzt keiner neuen "Baustelle" über Reinkarnation. Was übrigens auch keine Lösung wäre, da zum einen mit keiner Wissensübertragung verbunden und in der jeweiligen Lebensperiode vor ähnliche Herausforderungen gestellt (Limitierung).
„"Das wievielte Leben" bezog sich nicht auf einen für mich müßigen Gedankengang über Reinkarnation (Gedankenspiel), sondern auf die reale zeitliche Verfügbarkeit, die für Lesen überhaupt noch in einer durchschnittlichen Lebenszeit sinnvoll möglich und verkraftbar ist.“
Ich weiß.
„Es bleibt immer nur bei einer subjektiven Auswahl und die Zeit im Arbeitsleben ist eh limitiert. Nimmt man dazu noch die wichtigsten Denker aus anderen Fachbereichen, die einen interessieren, dann wird es noch klarer.“
Das ganze Leben ist subjektive Auswahl, das zu erkennen, heißt ein gutes Argument gegen die Objektivierungstendenzen parat zu haben. Wenn man sich in die Welt der Weine eingräbt, man kann aber auch Essen oder Musik nehmen, gelangt man irgendwann über das „schmeckt mir (nicht)“ Kriterium hinaus und kann anhand bestimmter Parameter zu einem Urteil gelangen, dass der Wein gut ausbalanciert ist und ihn unter den Aspekten trinken, dass diese Rebsorte in dieser Region (mit der Behandlung) eben so schmeckt.
Dieses eher intellektuelle Wissen verändert aber die Trinkerfahrung und an wagt sich auch an primär fiese Töne heran. Dennoch bleibt man ein Stück weit vermutlich Kind seiner geschmacklichen Herkunft und kann beim subjektiven „schmeckt mir“ gut andocken. Wird schon seinen Sinn haben, dass es mit Geschmäckern in der Philosophie ähnlich ist.
„Eine kleine Überschlagsrechnung wöchentlicher Lesezeit, mit plus und minus intellektueller Potentiale macht das schnell erkennbar.“
Konstante Überforderung macht ja keinen Sinn, ein Ankommen sehr wohl.
„Da bedurfte es jetzt keiner neuen "Baustelle" über Reinkarnation. Was übrigens auch keine Lösung wäre, da zum einen mit keiner Wissensübertragung verbunden und in der jeweiligen Lebensperiode vor ähnliche Herausforderungen gestellt (Limitierung).“
Die Großrechnung wäre dann, dass man mit bestimmten Themen durch ist, die dann einfach von Anfang an nicht mehr interessieren. Das ist auch Wilbers Ansatz. Die Frage der Reinkarnation ist in dem Moment interessant, wo man sie nicht platt behandelt. Platt hieße: Körper trifft auf Seele, wird mit dieser für ein Leben verklebt, im Tod löst sich die Seele und verklebt dann danach mit einem anderen Körper. Das Problem des Dualismus erscheint mir hier gravierender, denn wie wir hier Wissen tradieren, das wissen wir im Grunde auch nicht. In Wilbers Ansatz wird die Weltseele betont, die einerseits sehr gut, weil unpersönlich ist, genau das ist aber auch die Schwierigkeit und hier liegt ein schwerer theoretischer Bruch in Wilbers Konzeption der Holon-Theorie, die leider dualistischer ist, als Wilber gemerkt hat. Aber die Frage, was denn nun ein Subjekt ist, dass Kontakt zur Weltseele hat, wie es um seine Persönlichkeit bestellt ist hat Wilber selbst gut beantwortet. Auch ein erleuchteter buddhistischer Meister lebt als der Mensch der er ist, einen bestimmten Aspekt des Ganzen, den mitfühlenden oder zornigen Aspekt der Gottheit.
Aber ich habe verstanden, dass gemeint war, man müsse sich bescheiden. Aus einer bestimmten Sicht ist das so, aus einer anderen eben nicht. Da hat man Zeit, viel Zeit. Aber wir wissen gar nicht genau was Zeit ist, auch die Physik ist da in einigen Teilen inzwischen bei Kant angekommen oder gehen sogar noch weiter und reden von einer generellen Gleichzeitigkeit aller Ereignisse, Es gibt auch einen festen Begriff dafür, der mir leider gerade entfallen ist, vielleicht fällt jemandem spontan ein, wie diese andere Zeitkonzeption heißt.
Gut, der Kontext ist die Differenz von ontischer und deontischer, also von rein syntaktischer und semantischer Logik. Also der Differenz im „ist“, von „ist“ und „=“ oder „≡“. Das ist so berechtigt wie hier im Zitat umständlich ausgedrückt. Ich habe mich immer gewundert, was für einen Aufwand die analytischen Philosophen mit dem Referenzsatz „alle Schwäne sind weiß“ (oder war es „… sind schwarz“) betrieben haben, das ist noch viel weniger nachvollziehbar als dieses Problem des semantischen Gehalts. „Wie Einstein schon 1905 feststellte ...“ ist ja selbst eine Feststellung, deren Wahrheit davon abhängt, ob Einstein recht hat, also daß Einsteins Feststellung eine solche ist, und zwar eine wahre, und daß die Behauptung, daß Einstein 1905 festgestellt hat bzw die Feststellung behauptet hat, wahr ist.* Russell hat aus dieser Mehrdeutigkeit auf die Notwendigkeit der Typenlogik geschlossen. Die axiomatische Methode hat sich dann wieder davon emanzipiert. Erhalten geblieben ist von der Typologie die Differenz Logik/Mathematik und Metalogik/Metamathematik sowie Formalismus/interpretierter Formalismus.
Bei Frege ist es eine Unterscheidung von extensionaler und intensionaler Größe, was aber nichts anderes ist als von allem Inhalt gereinigter Form und Inhalt. Daß der Inhalt genau das ist, was wir mit „Bedeutung“**, also dem Begriff für etwas, das gedeutet werden muß, beschreiben, in der naivsten Form, indem wir auf etwas hindeuten, mit dem Finger zeigen. Die Frage ist, ob Brandom uns da weiterführen kann. Da bin ich skeptisch, lasse mich aber gern eines Besseren belehren.
Kurz: Noch sehe ich nicht, daß das Denken über diesen einfachen Sachverhalt, daß ich, wie ja richtig beschrieben wird, mithilfe von kollektiven Festlegungen, Bedeutungen erzeuge und ordne. Und selbstverständlich spielt hier das Kriterium der Kompatibilität von Erfahrung und Gedankenordnung eine Rolle, also ein Parallelismus von unterstelltem Sein und angemessenem Bewußtsein.
Daß sich „A ist (a u b u c u …)“ und „“A ist (a u b u c u ...)“ ist wahr“ unterscheiden, wird in dem längeren Zitat richtig beschrieben, das folgt Freges Analyse.
* N.B.: das ist nicht genau das, was Brandom sagt
** bei Frege: Sinn. In seiner unglücklich gewählten Terminologie ist Bedeutung der Wahrheitswert eines Ausdrucks. Er unterscheidet die semantische Bedeutung der Bezeichnung für ein sprachlich identifiziertes Objekt und die semantische Zuschreibung von Eigenschaften des Objekts.
Aber zurück zu Pauls Anekdote. Man könnte ja sagen, „das, worüber man reden kann, ist es nicht wert, beredet zu werden bzw ist langweiliges, nerviges Geschwätz, und das, worüber man nicht reden kann, wäre es wert, ist aber unmöglich, ist haltlose Spinnerei. Worüber redet nun Sams Frau? Welcher Rede entflieht Sam? Worauf läuft Moisens Rat hinaus? Wie ging das Gespräch weiter zwischen W und H, nach dem sich H ausgelacht hatte?
Hier möchte ich bemerken, daß ich solch souveräne distanzierte Reflexivität und so viel Humor beiden Denkern, insbesondere aber H nicht zugetraut hätte. Ich teile schließlich Adornos Vorbehalte.
Danke Wolfgang, dass Du auf den Inhalt zurückkommst. Wenn einer Heidegger verstanden hat, dann wohl Hannah Arendt, die sich intensiv mit seiner Philosophie auseinandergesetzt hat, siehe hier, (mit eindrucksvollen Fotos).
Ich poste die Antwort im "Fakten ..." Thread, ich will den Beitrag hier nicht sabotieren.
"Ich finde Elitarismus top"
Ich nicht. Allerdings sollten Menschen, die in der Lage sind, etwas Hervorragendes zu leisten, auch in die Lage versetzt sein, dies zu tun und entsprechende Anerkennung zu ernten. Sie betonen ja "Empathie" als Paradigma in der Übung des Philosophierens. Ein "Elitarismus" würde für mich "Empathie" ausschließen; er begründete Exklusivität, die unweigerlich in eine Machtelite umschlagen müsste.
"Die positive Bewertung der kompromißlosen seriellen Musik darf jedoch nicht technizistisch verstanden werden. Auch in der Kunst geht es für Adorno um historische Wahrheit."
Ja, da würde ich nicht widersprechen. Es geht bei Adorno wie bei Eisler um "historische Wahrheit"; deswegen habe ich weiter oben auch den Adorno neben Eisler ins Spiel gebracht. Am Ende ging/geht es aber ja doch um die Mittel. Dass sich darin die beiden dann grundlegend unterscheiden, hat natürlich mit ihrer grundlegend verschiedenen politischen Orientierung zu tun. Für Eisler konnte sich ein Dreiklang gar nicht verbieten. Und in Adornos Horizont konnte das Populäre keinen Platz finden.
„grundlegend verschiedenen politischen Orientierung“? Das würde ich nun nicht sagen. Im Gegenteil trennen Heidegger und Adorno verschiedene politische Orientierungen, aber Eisler und Adorno waren Marxisten, der eine offener, der andere verschämter. Und sie haben musiktheoretisch zusammengearbeitet, Komposition für den Film. Und Film war für Adorno durchaus Massenkultur. Es ist also komplizierter. Selbstverständlich war Adorno idiosynkratischer gegen verbrauchtes Material, hatte größere Schwierigkeiten, sich aufs ganz einfache einzulassen. Aber er war ja von der Leichtigkeit etwa des Einfachen bei Mozart und Schubert hingerissen. Freilich mit Märschen und Kollektiven hatte er so seine Probleme, da dürfte der Konsens zwischen beiden brüchig geworden sein.
Machmal gibt es auch etwas umsonst: betrifft aber nicht die geistige Verarbeitung. :-)
"Wirklichkeit oder Konstruktion?
oder auch als Buch in Form einer pdf-Datei hier. (aber nur mit Anmeldung)
„Sie betonen ja "Empathie" als Paradigma in der Übung des Philosophierens. Ein "Elitarismus" würde für mich "Empathie" ausschließen; er begründete Exklusivität, die unweigerlich in eine Machtelite umschlagen müsste.“
Philosophie ist ja schon mal ersichtlich die Lust, sich auf das Denken, den Denkstil eines anderen einzulassen. Freilich ist das, was man manchmal vorfindet ein allzuschnelles Haltmachen bei den ersten, eigenen Assoziationen. Man findet einen bestimmten Denker dann doof, weil er so komplizierte, lange Sätze schreibt, sich so wirr ausdrückt, zu sehr vereinfacht, den „falschen“ Ausgangspunkt wählt … und all das ist wohl unvermeidlich aber man kann es überwinden, wenn man denn will. Viele wollen nicht, sondern begnügen sich damit bei einem Philosophen einen „Fehler“ (oder was sie dafür halten) gefunden zu haben und dann der Welt zu erzählen, dass Philosophen auch nur mit Wasser kochen und ohnehin nur Mist schreiben.
Sich diese seine Vorurteile wieder und wieder zu bestätigen, füllt das Leben vieler Menschen aus und der Schritt sich mal auf den anderen einzulassen, die eigenen Vorurteile mal einen Moment ruhen zu lassen und tatsächlich verstehen zu wollen – und im besten Fall zu verstehen – wie dieser Denker die Welt sieht, empathisch zu sein, der fällt dann aus, oft lebenslänglich. Anders herum formuliert: Wer das kann, gehört zu einer Minderheit.
Aber von der Philosophielektüre mal kurz abgesehen, ich sehe nicht, dass wir aktuell in einer Zeit leben, die sich übermäßig dadurch auszeichnet, dass die Menschen hoch empathisch sind. Auch hier scheinen es eher wenige zu sein. Dass die Würde des Menschen unantastbar ist, dass allen Menschen Buddhanatur zukommt, ist das breiter Konsens? Nein, es ist eine elitäre Position, wer das nicht nur aufsagen kann, sondern konkrete Inhalte damit verbindet, die über das hinaus gehen, was irgendwer mal tun müsste, gehört zu einer moralischen Elite und nicht jene, die anderen erklären, wie sie zu leben, zu fühlen und zu denken haben. Elite ist der, der sich a) für andere interessiert und sie b) sein lassen kann. b) allein schafft man auch auf dem Boden eines prinzipiellen Desinteresses an anderen. Und weil: „Tu, was du willst, du interessierst mich sowieso nicht“ dann doch etwas verräterisch klingt, nennt man diese Haltung gerne „Toleranz“.
Denn es ist durchaus ein Missverständnis zu glauben, Empathie erschöpfe sich darin, stets für alles, was jemand sagt und tut Verständnis zu haben. Man kann ja auch mit mehr als einem Menschen empathisch sein und erkennen, wie jemand unter dem Verhalten eines anderen leidet. Selbst unter Psychotherapeuten gibt es die Idee, jemand der zu wenig Liebe erhalten habe, müsse nun, als Ausgleich nur mit prinzipieller Annahme überflutet werden, um seinen frühen Mangel auszugleichen. Keine Grenzen, keine Restriktionen, nichts, was die wunde Seele wieder verletzen könnte, das Band zu knüpfen ist alles. Kernberg, Psychoanalytiker und Psychiater, weist darauf hin, dass Empathie mit dem, den man behandelt, die Basis jeder Behandlung darstellt, sich dies allerdings nicht darin erschöpft, zu erkennen, wie es dem anderen jetzt geht, sondern auch empathisch mit dem Bereich des Patienten zu sein, der eine andere Sicht- und Verhaltensweise jetzt nicht annehmen kann, man versteht, warum der andere jetzt so ist, wie er ist und an die Grenzen stößt, an die er stößt, aber man sieht in ihm jemanden, der das Potenzial hat, diese Grenzen zu überwinden. Ein elitäre Sichtweise, aber keineswegs eine exklusive. Im Gegenteil, man wünschte sich, mehr Therapeuten könnten sie einnehmen.
Zuletzt: Dass wir alle Menschen sind, ist eine Aussage, die an Banalität und Allgemeingültigkeit kaum zu überbieten ist. Die Aussage hat neben der deskriptiven aber in aller Regel auch noch eine normative Seite, gemeint ist (die stille Aufforderung), dass wir uns und auch den beliebigen anderen, dann auch so behandelt wissen wollen. Mir scheint es – leider – eine Rarität zu sein, zur zweiten Position durchzudringen, so einfach sie doch zu sein scheint. Überall dort, wo Empathie mehr als ein Lippenbekenntnis sein soll, scheint es sehr schnell, sehr elitär zu werden und es würde der elitären Position echter Empathie widersprechen, würde man sich eifersüchtig wünschen, sie allein für einen exklusiven Kreis vorbehalten zu wollen.
>> Und in Adornos Horizont konnte das Populäre keinen Platz finden.<<
Wer in nahezu großbürgerlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und als Kind unterm häuslichen Flügel sich räkelte, wenn Frau Mama mit befreundeten Künstlern konzertierte, trägt schon eine gewisse Verachtung in sich, die später aufschien als er sich abschätzig über Studierende äußerte, in deren Aussprache er dialektale Bestandteile vernahm:
"Überhaupt der Dialekt. Von Bildung ist wohl zu erwarten, daß sie das Ungeschliffene der regionalen Sprache zu milderen Sitten gewöhnt. (...) Der Konflikt zwischen dem Hochdeutschen und dem Dialekt endet meist mit einem Remis, an dem niemand seine Freude hat...".
Auch solche Statements haben etwas mit "politischer Orientierung" zu tun. Tendenz: bürgerlich reaktionär.
Man sagt ja auch, Adorno habe Heidegger so wüst kritisiert, weil er ihm so ähnlich sei. Aber, ganz so unproblematisch ist das mit der Massenkultur tatsächlich nicht. Sie ist nach Ansicht vieler Denker unterschiedlicher Couleur ein Weg, zum Denken in Stereotypen und Klischees. Und unter platten und undifferenzierten Sichtweisen leiden wir heute.