So grün kann das Land an der Ruhr auch noch im Hochherbst hin zur Mitte des Novembers sein, aber fange ich lieber am Anfang an.
Für den November habe ich mir wieder eine Monatsfahrkarte gekauft. Zwar habe ich es nicht weit zur Arbeit und eigentlich ist diese Ausgabe für meine Grundmobilität eher grenzwertig, aber alleine die Möglichkeit rausfahren zu können, bedeutet mir schon sehr viel.
Heute wollte ich es nicht nur bei dieser Möglichkeit belassen und bin mit einer S irgendetwas vom Essener Hauptbahnhof nach Neviges ins Niederbergische Land gefahren. Das schönste Stück dieser S-Bahn auf der Strecke der alten Prinz-Wilhelmbahn aus den 1840er-Jahren ist für mich der Abschnitt zwischen Essen-Steele und Essen-Kupferdreh , wo es ein ganzes Stück immer an der Ruhr entlang geht.
Heute war es dazu noch trocken und nicht ganz arg so grau, so dass der Ausblick aus dem Fenster auch Spaß gemacht hat. So grün das Land an der Ruhr, in der Ferne der graublaue Horizont und auf einem schmalem Streifen in ganz vielen zarten rötlichen Tönen versinkt ein kräftig orangener Ball in die Erde. So schmal nur der Streifen des Abendrots und doch so schön. Die S-Bahn fährt weiter und ein Leuchten kommt in meinem Herzen an. Einzigartig und unverwechselbar ist dieser Moment an dieser Stelle auf diesem schönen blauen Planeten.
Ich bin auf dieser blauen Kugel irgendwo im Weltraum und bin nur ein Produkt aus Sternenstaub, das ein Bewußtsein wie sechs Milliarden andere Menschen auch erlangt hat. Ich habe Probleme, doch das Leben ist schön. Vielen Menschen geht es schlechter, aber vielen Menschen geht es auch erheblich besser, doch das Alles ist jetzt in diesem Augenblick gar nicht so wichtig. Ich möchte diesen Moment festhalten. Das Leben ist schön.
Und wenn der Müntefering noch sechshundertmillionstenmal behauptet, dass Hartz IV richtig war, werde ich ihm bis zu meinem Lebensende widersprechen, aber auch diese mir sehr wichtige politische Einstellung kann ich in diesem Augenblick loslassen. Das Leben ist schön, trotz Müntefering und all der Anderen, die mir den Tag vermiesen können. Mögen Sie doch Alle ihr Leben geniessen und Freude daran haben. Im Rahmen meiner Möglichkeiten habe ich sie trotz herbstlicher Depri und all meiner anderen Probleme auch, diese Freude am Leben! Selbst wenn es nur dieser eine kurze Moment ist, den ich festhalte , verinnerliche, inhalliere und in die Arbeitswoche mitnehme.
In Neviges angekommen sehe ich den Mariendom. Eine hypermoderne Kirche aus Beton, die Ende der 60er Jahre von dem Architekten Böhm -glaube ich- erbaut worden ist. Wie ein Bergkristall mit seinen Spitzen ragt er in die Landschaft. Der Kölner Kardinal hat seinerzeit ein Modell des Mariendomes auf seinem Sterbebett kaum noch sehend mit seinen Händen ertastet und sich dann für diesem Entwurf entschieden. Nach seiner Vollendung muß der Mariendom seinerzeit sehr provokativ auf die konsevativen Pilger Ende der 60er Jahre gewirkt haben, denke ich aufgrund der Betrachtung alter Fotos aus dieser Zeit, die bei der Einweihung des Domes aufgenommen worden sind. Die Gesichter der Pilger auf diesen Fotos wirken sehr befremdet von diesem hypergroßen Betonkristall, der eine Kirche ist.
Das Leben ist schön!
Kommentare 10
Lieber por,
vielen Dank, dass ich an Deinem Ausflug teilhaben kann, auch wenn ich die Wallfahrtskirche bisher nicht besuchen konnte. Bei Wikipedia steht zwar einiges dazu, aber ein eigenes Erleben kann das natürlich nicht ersetzen.
Obwohl das Bauwerk auch heute noch als modern einzuschätzen ist, finde ich doch, dass man auf den ersten Blick erkennen kann, dass hier eine Kirche steht, ohne dass der Architekt eine bestimmte historische Bauform aufnimmt.
Besonders lustig oder einladend sieht der Bau nicht aus, aber an einer besinnlichen Andacht kann man dort bestimmt teilnehmen.
Eine schöne Woche wünsche ich Dir natürlich noch nach dieser erfolgreichen Sinnsuche "Das Leben ist schön!" Herzliche Grüße
nemo
Lieber archinaut,
vielen Dank für Deinen netten Kommentar. Das stimmt schon, dass der Bau von außen nicht besonders einladend aussieht, aber von innen finde ich die Formensprache und die Proportionen einfach genial! Moderne Kunst in meisterlicher Qualität! Coole Gedanken eines Architekten in Beton gegossen!
Herzliche Grüße
por
Lieber archinaut,
das Gleiche wünsche ich Dir auch. Es war nur ein Moment und es wird auch wieder andere Blogs geben, aber es war nach längerer Zeit eine wichtige Erfahrung für mich.
Vielen Dank.
Herzliche Grüße
por
Lieber por,
ein schöner Moment wiegt manches auf
(das ist zwar platt gesagt, aber das ist so meine Art...:-)))
Herzliche Grüße nach Essen
nemo
Lieber Archie,
wieso platt? Du hast doch recht! Jetzt habe ich den ersten Arbeitstag der Woche hinter mir und möchte einen Blog:" Das Leben ist doch nicht schön!" schreiben, nein Spaß beseite ;O), Du hast doch recht mit dem schönen Moment, der so manches aufwiegt.
Herzliche Grüße
por
Ach por,
du machst mich immer so sehnsüchtig. Natürlich kenne ich als Ruhri die Gegend. Danke, daß ich ein bißchen mit dir durch die Gegend schippern durfte.
Gruß
Titta
lieber por, Deinen beitrag sollte ich mir ausdrucken, falls ich wieder mal nach nrw komme - mein letzter aufenthalt hatte zwar drei monate gedauert, bin aber doch nur im engen zirkel neuss-düsseldorf-grevenbroich unterwegs gewesen, zumeist per rad (war trotzdem ein erlebnis), bin ab und an mit leuten ins gespräch gekommen, war sehr schön, aber das ruhrgebiet interessiert mich, wie überhaupt industrielandschaften ...
Liebe Titta,
vielen Dank für den netten Kommentar, über ich mich sehr gefreut habe. Mittlerweile würde ich gerne bei Dir auf der Treppe sitzen.
Herzliche Grüße
por
Liebe jayne,
vielen Dank für den Kommentar. Gerne kann ich Dir auch Tips für Industrielandschaften-Ausflüge geben, wenn Du wieder mal nach NRW kommst.
Vielleicht kann ich dann Dir und Deiner Lebensgefährtin persönlich was zeigen?
Herzliche Grüße
por