Die Spezialschicht

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Tief unter der Erde im fünften Kellergeschoss in der Tiefgarage hat heute der Parkwächter Jan mit einem Kollegen eine spezielle Schicht. Dort unten parken an einem Freitag nur wenige Leute. Sehr viel großzügiger als in der Hochgarage in der, der Jan sonst arbeitet ist das Licht dort ausgelegt. Trotzdem ist ein kaltes Licht und ziemlich steril ist es dort unten.

Der Kollege Willi auf dem großen Kärcher spricht nicht viel. Trotzdem kommt Jan gut mit ihm aus. Der Jan, der eigentlich mit allen gut auskommt, weil er ein netter Kerl ist, aber auch weil er sehr diplomatisch fast allen Konflikten aus dem Wege geht. Das nimmt dem Jan manchmal wieder was von seiner Persönlichkeit, die er wohl hat, die sich dann aber wieder in ihren Konturen verwischt.

Hier unten gibt es nicht viel. Der Willi sitzt auf dem großen Kärcher und fährt und fährt. Der Jan schiebt den kleinen Kärcher vor sich her, um den Boden zu reinigen. Der Kopf vom Jan ist leer. Denken geht bei dieser Arbeit nicht. Die Arbeit ist nicht schwer, erfordert aber eine gewisse Konzentration. So lang ziehen sich die Minuten. Jan kämpft sich durch den Tag und das neonkalte Nichts in Betonweiß rund um ihn herum verpackt . Die Lebenszeit, die in kleinen fast tippelnden Schritten vergeht, am Anfang noch wahrnehmbar und hinterher sich in einem dumpfen Rhytmus verselbstständigend.

Zwischen durch bittet er den Willi mit seinem großen Kärcher die Flächen zu schäumen, an denen er nicht alle Flecken abbekommen hat. Der Willi ist eine gute Seele, auch wenn er nicht viel sagt, kommt er dem Jan zur Hilfe. Dann setzt der dicke Jan mit dem Handschrubber an wie ein Roboter den Boden mechanisch in hoher Frequenz zu schrubben. Nur noch der Atem scheint zu verraten, dass hier ein Mensch am Werke ist.

Puuuh, geht es nach zehn Minuten. Der Jan kann nicht mehr und geht zu seiner Cola - Fasche und kippt sich einen Schluck Cola Light in seinen Schlund hinein. Der warm gewordene Körper saugt gierig das munter machende Nass auf. Die kleine Belohnung zwischendurch macht neuen Mut.

Es ist Freitag und der Jan und der Willi haben noch so große Flächen vor sich, begraben sind beide unter dem Beton der Tiefgarage. Im Laufe der Schicht fügt sich der Jan und gibt seine Versuche, an etwas zu denken, auf. Das hat eh keinen Sinn und die Arbeit wird dann auch noch Mist.

Hier unten hat die Zeit, diese wertvolle Lebenszeit ihren eigenen Puls. Manchmal quälend langsam und dann nach etlichen Stunden scheint sie trotzdem wie im Flug vergangen zu sein.

Die beiden Kollegen freuen sich auf das Tageslicht und auf das Wochenende und sprechen gegen Feierabend doch das eine oder andere Wort zusammen.

Als der Jan nach Hause geht, geht er noch bei einem Kollegen vorbei, der Morgen in den Sack haut. Am liebsten möchte er sich schon heute von ihm verabschieden. In seinem Leben war der Jan eigentlich immer nahe am Wasser gebaut, doch beim Kollegen bleibt sein Auge trocken, nur die Kehle verschluckt eine stumme Verzweiflung, die sich noch zügeln lässt, die aber da ist.

Zwecklos was dagegen zu machen. Der Jan sagt dem Kollegen Tschüß und morgen wird er sich von ihm endgültig verabschieden müssen. Jan staunt, dass seine Augen trocken bleiben. So oft hat er sich in seinem Leben anders kennen gelernt. Da war die Verzweiflung ein schier unendlicher Strom von Tränen in seinen Augen gewesen. Bei diesem Abschied ist es irgendwie anders.

Hoffentlich beibt das morgen so, denkt der Jan.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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