Männlicher Fünfziger, solo und wie man dahinkommt.

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Einmal lebenslänglich ,obwohl ich nie im Knast eingefahren bin, so lange ist das her mit meiner letzten Freundin. Ein nicht gerade vom Erfolg verwöhntes Leben macht wohl nicht so sexy. Ich bin immer noch ein Mann der nach Glück und Vergnügen sucht, auch wenn ich jetzt schon fünfzig bin. Immer habe ich mir irgendwie selbst im Wege gestanden und meine Sauwut auf Schröder und die ganze Politik ist nur die halbe Wahrheit. Der größte Teil des Schmerzes hängt in mir selbst und wurde von mir selbst verursacht. Ich bin selbst in ein prekarisches Gefängnis gegangen an dessen Mauern ich die meisten Steine aufgerichtet habe. Aber von Anfang an:

Vor meiner Einschulung war ich nicht im Kindergarten. Vielleicht wäre das besser gewesen. So ein dummes kleines Kind, dass gar nichts von der Welt wusste. Zu der Zeit als ich eingeschult wurde, waren die Beatles gerade auf dem Gipfel Ihres Erfolges. "Yippi, Yeah, Yeah", sang ich in Clownsmanier kurz nach der Einschulung vor der Turnhalle. Die anderen Kinder standen um mich herum und lachten. Ich kam mir ganz groß vor. Sicher hätte ich da auch gelacht oder noch besser aufgehört, wenn ich zu der Zeit begriffen hätte, dass ich mich zum Clown machte. Darüber klärte mich dann erst mein Bruder auf, der auf die gleiche Schule, ging.

Irgendwann hat es in dieser Zeit schon den ersten Knacks gegeben. Vielleicht war das abends im Bett, als ich über die Zeit sinnierte. Das Gemüt eines Kindes trifft auf die Unendlichkeit und zerbricht schon an dem, was in 40 Jahren sein könnte. Es sieht keinen Mama und keinen Papa mehr und fühlt sich so unendlich allein und eine unbeschreibliche Angst drückt so einem kleinen Kerl die Kehle zu. Eine Angst war da, die sich durch mein ganzes Leben zog und deren Masken wechselten. Heute ist es nicht mehr so sehr die Angst vor dem Sterben. Ich bin ein Mann mit 50 und möchte natürlich noch nicht sterben ,aber die Angst vor dem Tod hält sich in gut erträglichen Grenzen. Wenn er kommt, dann bin ich brereit und ich laufe nicht weg. Ich bin hier. Vielleicht kann es auch nicht schaden, sich mal mit einem kleinen Augenzwinkern über Gevatter Tod lustig zu machen und ihn auch nicht so tierisch ernst zu nehmen. In Bayern gibt es darüber viele alte Märchen und Sagen.

Wenn ich heute Angst habe, ist es eher die Angst endgültig von dieser Gesellschaft abgehangen zu werden. Mir ist klar, dass dies immer eine wechselseitige Beziehung ist.

Darüber habe ich im Laufe des Lebens so ab fünfundzwanzig hin und wieder mit Psychatern geredet, aber heute muss das auch nicht mehr sein, obwohl ich noch immer einmal im Monat in eine psychatrische Ambulanz gehe.

Für einen guten Schüler hat es dennoch gereicht.

Nicht sofort. In der 1ten Klasse habe ich noch einen kleinen See aus Pipi im Klassenzimmer fabriziert und obwohl ich schon sehr weit hinten saß, habe ich mich fürchterlich geschämt. Dann kam das Fach Geschichte und ich wurde immer besser und besser, aber zu den Cliquen gehörte ich nie und alleine war ich eigentlich immer.

Nach der super abgeschlossenen Hauptschule hieß, dass ich erst mal was Vernünftiges lernen sollte. In dem Arbeiterhaushalt, aus dem ich komme, wußte man es einfach nicht besser. Eine Qualifikation für das Aufbaugymnasium war, aber so richtig ernst genommen wurde die nicht. Weder privat noch beim Arbeitsamt.

So wurde es dann eine handwerkliche Lehre für einen ziemlich ungeschickten jungen Mann mit zwei linken Händen. Es klappte mit meiner meine Durchhalteart, aber so toll war es nicht.

Ich erinnere mich noch an meine Stahlbearbeitung mit Hammer und Meißel und wie ich mir immer wieder dabei auf die Hände kloppte. Um mich rum mindestens 15 Jungens aus meiner Umgebung in dem riesengroßen Lehrlingssaal. Alle lachten und mein Stil mit dem Hammer zu schlagen, war ein Quell eines nicht enden wollenden Spotts. Sicher hätte ich auch gelacht, wenn ich neben den Jungens gestanden und auf mich gesehen hätte. Leider ging das nicht. Ich stand in mir drin und wurde nur noch verkrampfter und kam den Tränen nahe. Trotzdem schaffte ich alle diese Prüfungen, eigentlich mein ganzes Leben lang.

Die goldene Zeit war auf dem Abendgymnasium. Einmal Klassenprimus zum Abschluß mit einer "1,6".

Da fing das wohl mit dem Suff an. Eine kurze schnelle Alkoholikerkarriere. Jahrelanger Besuch vonAA- und Kreuzbundgruppen folgte. Seit ein paar Jahren gehe ich da nicht mehr die Selbsthilfegruppen ohne dadurch dem Suff wieder zu verfallen. Das hat aber ein gewisses Risiko. Ich möchte möchte dies jedoch keinesfalls zur Nachahmung verfehlen und schon ganz und gar nicht bei Menschen, die erst gerade vom Alkohol weg sind!

Mit Frauen hatte ich leider nie all zu viel zu tun. Die Liebe meines Lebens hieß Elke und starb an den Folgen Ihres Alkoholkonsums.

Mit 3 Monaten stationäre psychatrische Ambulanz mit Alkoholentzug kam ich glimpflich davon.

Das Studium danach zog sich schon ziemlich in die Länge.

Natürlich schaffte ich auch das, aber was heißt das schon? Lebenstüchtigkeit lernt man nicht unbedingt auf der Schule oder auf der Uni.

So richtig gut rausgekommen bin ich nie. Heute arbeite ich als eine Art Hilfsarbeiter. Das macht auch manchmal Spaß und ist etwas mehr als Hartz IV. Dabei muß ich auch manchmal den Kot oder den Urin wegmachen, den nur ganz Passanten in einem Raum hinterlassen, der halb privat und halb öffentlich ist. Das ist aber nut ein kleiner Teil meiner Arbeit. Eigentlich bin ich sehr froh, dass ich einen Job habe.

Ich habe nicht viele Freunde, aber die Freunde die ich habe, mag ich sehr gut leiden.

Frauen leben für mich auf einem anderen Stern.Vielleicht verkläre ich sie manchmal zu sehr als die besseren und höheren Wesen mit viel weniger Adrenalin im Blut als wir Männer. Sie werden in der Regel nicht so schnell gemein und in sind in meinen Augen etwas reeller als Männer. Ich sehe durchaus manchmal die Schwächen der Frauen, aber was eine Frau eigentlich ist, dass weiß ich gar nicht.

Irgendwann mal ich mal total verliebt in schöne blauen Augen einer Frau gesehen, die der Himmel auf Erden für mich waren, aber heute ist der Himmel so weit weg. Ein schwacher Abglanz von diesem Himmel ist für mich heute , wenn meine Podologin Musa mir die Füße pflegt. Musa kommt vielleicht aus Brasilien. Das hat aber nie eine Rolle für mich gespielt. Ich nenne sie sowieso Frau S. Ich bin voller Hochachtung für Frau S. .in Ihrem weißen Gewand, wenn Sie mir meine Füße pflegt. Wenn Sie mir am Schluß der Behandlung meine Füße eincremt, ist das ein schönes himmlisches Gefühl.

Sie hat dabei Ihre hauchdünnen Gummihandschuhe an, aber da ist ein Mensch der mich berührt und das ist gut.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

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