Mein Jammertal vor der Bundestagswahl 2009

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Früher dachte ich immer noch, dass es sich lohnt für eine politische Richtung zu streiten. Die Sozialdemokratie mit Ihrer langen Tradition hatte es mir jahrzehntelang angetan. Meine Stimme für die Sozis war etwas Selbstverständliches. Das war schon fast so eine Art Herzenssache.

Die SPD hat in Ihrer Regierungsverantwortung unter Schröder Hartz IV und die Agenda 2010 umgesetzt.

Das hat der SPD viele Sympathien gekostet und ich werde sie auch nicht mehr wählen.

Aus direkter Betroffenheit konnte ich damals trotzdem jahrelang kaum sachlich auf Hartz IV reagieren. Trotz meiner Ablehnung machte ich von Anfang unter Hochdruck als Betroffener bei der Agenda 2010 mit und war schon im Oktober 2004 auf freiwilliger Basis im 1 € -Job. Ich machte diese typische Karriere eines arbeitslosen Akademikers in der Betreuung eines Sozialkonzerns. Das war nicht alles schlecht und manches sogar sehr gut.

Ich machte verschiedene Projekte, die das Sozialarbeitsunternehmen im Zusammenarbeit mit dem Job-Center anbot, mit. Dabei traf ich auf Mitarbeiterinnen im Sozialkonzern, die total engagiert waren und weit über das erforderliche Maß versuchten, mir dabei zu helfen wieder ins geordnete Berufsleben reinzukommen. Die Projekte enthielten alle einen großen Praxisteil mit dem Ziel den Teilnehmern den Wiedereintritt in die Berufswelt zu ermöglichen. Nach ca. 3 Jahren klappte es bei mir in einem Bereich sehr weit unter meiner Qualifikation, doch ich war ziemlich glücklich überhaupt einen Job bekommen zu haben,gerade weil ich soviel dafür getan hatte.

So gesehen müsste ich eigentlich ein Vorzeigekandidat und ein Musterbeispiel für die Agenda 2010 und Hartz IV sein.

Ich mag Hartz IV und die größten Teile der Agenda 2010 trotzdem nicht. Viele sagen, dass man mit dieser Beschneidung der Einkünfte bis auf das Existenzminimum zufrieden sein muß, weil alles Andere nicht mehr bezahlbar ist. Sicher war ein Umbau des Sozialsystems notwendig. Die Menschen sind bei der arroganten Schröder´ schen „Basta“ –Umgestaltung aber nicht mitgenommen worden. Der Umbau des deutschen Sozialsystems auf neoliberale Prinzipien wurde im Hauruckverfahren durchgezogen und es wurde hinterher versucht, Hartz IV als sozial ausgewogen zu rechtfertigen, was einfach nicht stimmte. Das damit verbundene Versprechen der halbierten Arbeitslosigkeit wurde auch nicht eingehalten.

Die Lasten der Sozialeinsparungen wurden ganz weit unten aufgesetzt.

Gleiches befürchte ich bei den gegenwärtig noch nicht öffentlich ausgesprochenen aber angedachten sozialen Härten der großen und kleinen Parteien, die nach der Bundestagswahl 2009 wohl kommen werden.

Mein Vertrauen in die Politik ist ziemlich verschwunden.

Ich möchte nicht wieder von einer Partei so verschaukelt werden, wie es mir bei den Bundestagswahlen 1998 und 2002 mit Schröder passiert ist.

Dann wäre wohl die einzige Alternative nicht wählen zu gehen, doch das kommt für mich nicht in Frage. Bei all meinem Jammer, den ich hier geschildert habe, möchte ich meine wirklich superkleine Möglichkeit der Einflußnahme nicht ungenutzt lassen und diese doch so klitzekleine Form der Teilhabe als gedruckten Stimmzettel in der Hand halten, so lange diese Möglichkeit noch besteht.

Ich werde aus Protest „DIE LINKE“ wählen, ohne mir dabei sicher sein zu können, ob sie wirklich alles hält, was sie verspricht oder wenigstens in einer Koalition alles daran setzt, nicht vertretbare soziale Härten abzuwehren, doch die Demokratie sollte dieses überschaubare Risiko drin sein.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden