In der letzten Zeit bin ich vom Job ermattet, müde vor mich hin getrabt. Ich wollte denken, aber das Denken tat weh. Vielleicht kennt das ja jemand aus der Community, wenn der Schädel leer gepustet ist. Abends guckte ich in die Glotze und die Simpsons auf Pro 7 waren so etwas wie eine intelektuelle Herausforderung für mich. Wenn ich am Morgen in den Spiegel schaute, hatte die Glotze mich in der Nacht geschafft und ich meinte Fred Feuerstein zu sein.
Man oder frau denkt, es geht nicht mehr, doch das Licht steht im Büchergeschäft (oder später vielleicht auch irdendeiner Bibliothek).
"Zeit des Zorns" von Jutta Dithfurth gibt aus meiner Sicht pointiert die Antworten, von denen ich in der letzten Zeit nicht mehr wußte, dass es sie noch gibt.
Hart in der Sache, menschlich im Blick analysiert die Autorin den Staat und die Welt in Zeiten der Weltwirtschaftskrise. Der Schulterschluß mit der Umwelt und den Schwächsten in allen Gesellschaften ist für Frau Dithfurth selbstverständlich.
Rassismus wird selbstredend gebrandmarkt und seine braune Fratze wird enthüllt.
Perversionen in unserer Gesellschaft werden konkret benannt , wie etwa Gehard Schröder , der die Opfer seiner Sozialpolitik noch mit dem folgenden Satz verspottete: " Es gibt kein Recht auf Faulheit in unserer Gesellschaft" (S.71)
Das Auseinanderdividieren der Bevölkerung zur Vermeidung des organisierten Widerstands wird angesprochen. "Unteroffizier" Müntefering hat dazu 2006 auch ein klares Statement abgegeben: "Nur wer arbeitet soll auch essen." (S.71) Gerade in Zeiten des Wahlkampfes in denen es um das Geschick der BRD in den kommenden 4 Jahren geht, ist eine Lektüre hilfreich, die ganz klar beleuchtet, welche Leute wir da wählen dürfen.
Da sollten auch kleine Ungenauigkeiten durchgehen, wenn Frau Ditfurth (J.D.) auf S.69 von" Containern" spricht, in die die Gastarbeiter in den" 1950er Jahren" gesteckt worden sind. Meines Wissens sind Container erst Ende der 1960er Jahre in den internationalen Frachtverkehr eingeführt worden, was aber ziemlich nebenrangig ist, da es hier nicht um ein logistisches Fachbuch sondern um eine "Streitschrift für eine gerechte Gesellschaft" geht.
Sicher ist da nicht alles bis ins Kleinste ausgereift , aber J. D. macht eindrucksvoll klar, dass es genügend Punkte gibt um die es sich zu streiten lohnt, wenn wir alle wirklich ein besseres Land und eine bessere Welt wollen. Ich weiß nicht ob Gerechtigkeit nur ein gedankliches Konstrukt oder ein Ideal ist, das in seiner Reinform in keiner Gesellschaft zu finden ist? Doch wem es nach Gerechtigkeit in dieser Zeit und in dieser Welt dürstet, der wird "Zeit des Zorns" vermutlich wohl wie im Rausch verschlingen.
Das die Verlagsgruppe Dromer Knaur diesen Titel verlegt hat ist angesichts solcher Autoren wie Olav Henkel eher überraschend und es wäre interessant zu wissen, was den Verlag zur Herausgabe dieses Buches bewogen hat.
("Zeit des Zorns" von J. Ditfurth ist in der Verlagsgruppe Droemer Knaur im Mai 2009 ershienenen.)
Kommentare 14
Du musst/darfst zur Schicht gehen, hast Geld für Bücher und eigenen Humus. Mann, Dir gehts doch Bombe! - Na, ja, schlechter Scherz. Danke für den Buchtipp. Habe JD immer geschätzt. Aussteiger aus etablierten Parteien haben mein Grundwohlwollen.
Kennst Du ihren Krimi-Versuch 'Blavatzkys Kinder'? Sprachlich nicht unbedingt ein highlight, aber ein interessanter plot.
Ich auch die Jutta Ditfurth. Immer für ne Leseschraube gut. Im Fernseh immer die beste. Und doch: Unser Autor muß Künstler werden. Wohl im Ruhrpott. Als neumodische Herausforderung.
JD sitzt öfter bei uns im Odyssee, wohnt im selben Stadtteil.
Poor on ruhr - zum Buch müßte da aber mehr Inhalt kommen, so etwas dürftig.
Zu "Zeit des Zorns" und "Zornrot jetzt" antworte ich pauschal: Leute, etwas Luft ablassen, nicht zuviel Zornkapital auf die Zornbanken bringen.Die Revolution frißt ihre Kinder.
Gut' Nacht
BW
Das mit dem wenigen Inhalt zum Buch gebe ich ja zu. :-)
Der Inhalt soll ja gelesen werden. Lieber Bildungswirt es geht wirklich nicht nur um Zorn ablassen auf einer Zornbank. Von welcher Revolution redest Du eugentlich? Ich sehe keine Revolution, sondern nur einen Kapitalismus der alles frisst. Ich habe mich nur darüber gefreut schon halb verdaut im Magen dieses Monstrums politisches Denken und klare Standpunkte zu entdecken. Man kann sich seitenlang über Inhalte auslassen, die eigentlich klar sind. Von alleine wird sich die Umwelt nicht heilen und Hartz IV schafft sich auch nicht selbstständig ab. Nur eine echte Basisdemokratie bietet die Möglichkeit, wieder was von dem zurück zu gewinnen, was längst verloren gegangen ist, doch das Leben so wertvoll macht und das Lesen von J D' s Buch nimmt einem auch keiner ab. Das sollte man ganz alleine tun und danach mit dem Machen nicht anfangen. Jeder hat seine Möglichkeiten die Welt ein Stückchen besser zu machen und noch erfolgversprechender ist dies, wenn das in organisierter basisdemokratischer Form geschieht.
Lieber Meisterfalk,
"Blavatzkys Kinder" kenne ich nicht , aber hört sich ganz interessant an. Danke für den Tip.
@poor on ruhr
Das war eine Anspielung auf das Sloterdijk-Buch "Zorn und Zeit"(2006) Politisch-psychologischer Versuch über die Zornbanken des 20.Jahrhunderts - Lenin, Stalin, Mao - hauptverantwortlich für Millionen Tote durch die Brille der schonungslosen Kritik gesehen.Zum Schluss gehts u.a. um den politischen Islam als potenziell neue Zornbank des 21. Jahrhunderts.
Wir können selbstverständlich auch die "deutsche nationale Revolution" der NSDAP mit einbeziehen.
Lieber Bildungswirt,
danke für den Hinweis. Das Buch "Zorn und Zeit" kenne ich gar nicht, hört sich aber ganz interessant an.
Jetzt verstehe ich- ehrlich gesagt- erst einmal Deine Anspielung mit dem mit dem" nicht zuviel Zornkapital auf Zornbanken bringen" und sie beeindruckt mich im nachhinein.
Bei mir ist das Zornkapital leider oft schon dann weg, wenn ich mich auf dem Weg zur Zornbank mache, doch der Hals bleibt trotzdem dick :-)
Auch mit dem etwas Luft ablassen hast Du so gesehen eigentlich recht.
Das wäre wirklich toll, wenn darüber so was mal eine
öffentliche Diskussion zustande kommen würde.
Das erfordert aber Organisation und Arbeit. Manchmal frage ich trotz Preki - Jobs ob wir in dieser Gesellschaft wirklich alle zu satt und zu faul dafür sind? Frei nach dem Motto, dass jede Gesellschaft die Regierung bekommt, die sie verdient.
Du scheinst aber offenbar sehr belesen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich ich mit Dir auf der gleichen kenntnisbezogenen Ebene diskutieren könnte.
Auch in der Qualität der Blogs fällt mir das in der Community ziemlich auf. Es gibt Beiträge, die auf sehr viel Kenntnissen und Recherche beruhen. Anderes ist mehr da hin geschrieben, was ich trotzdem gut finde, wenn es nicht vorgibt, mehr zu sein.
Meine Intention ist einfach nur tagtäglicher Ärger über Ungerechtigkeit im privaten Erleben und in der großen Politik. Ich kann´s einfach nicht fassen, dass wir auf Schwarz -Gelb zusteuern. Diejenigen die uns in die Finanz-und Wirtschaftskrise gebracht haben, werden wohl die nächste Bundesregierung übernehmen. In einem Preki-Job erfahre ich dabei tagtäglich die Demütigungen, die man wohl hinnehmen muß, wenn man nur ein paar Euro mehr als Hartz IV haben will. Das kotzt mich einfach an, aber auch die Empörung über ungerechte Zustände in der Gesellschaft, die ich aus meinem eigenen Erleben nicht kenne, ist ehrlich gemeint!
Die Zeit, in der man das Buch Ditfurths liest, ist wirklich eine Zeit des Zorns. Man muß sich vieles antun, was man - sofern man sich selbst auf dem Laufenden hält - zwar schon wußte, aber durch die Buchseiten hindurch selbst durchleben muß. Es wächst die Wut, der Zorn auf die Mißstände, auch wenn Ditfurth den meisten ihrer Leser wahrscheinlich nur wenig Neues zu berichten hat.
Die Menschen wütend zu machen: Das scheint dieser Tage die einzige Form der Aufklärung. Die Vernunft ist kaum mehr ansprechbar, bleibt die Emotion, bleibt die Wut. Wenn die Wut erstmal sehend macht, dann kann auch, nachdem sie verraucht ist, wieder der kühle Kopf der Vernunft zum Zuge kommen.
Ein paar Bemerkungen:
a) "Zorn und Zeit"(Sloterdjik)wird von der "Linken" viel zu wenig beachtet, bis heute bleibt vieles verdrängt. Sloti wird als Abtrünniger eingestuft ...mit den üblichen Folgen aus der Kaderbrille der Parteilinken ...
b) Nimm die Bundestagswahl nicht so wichtig.
c) Hartz IV, stimmt, ist wirklich knapp. Dennoch: Der eigentliche Skandal ist mehr die Spirale der organisierten Passivität und Gleichgültigkeit bis hin zum sozialen Tod. In Deutschland verhungert physisch niemand.
d)"Du scheinst aber offenbar sehr belesen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich ich mit Dir auf der gleichen kenntnisbezogenen Ebene diskutieren könnte."
Alles relativ, was glaubst du, was es wirklich schlaue Leute gibt, die keiner kennt. Das Potenzial einer "Gegenelite" wäre ausreichend vorhanden. Lass uns diskutieren, vergiß das mit den künstlichen kenntnisbezogenen Ebenen und Schranken.
f) Trotzalledem noch ein Tipp für den jungen engagierten poor on ruhr vom älteren: "Kotze weniger", ändert nämlich nichts, lies mehr. Zehntausend gute Bücher warten auf dich!
Gruß BW
Ein paar Bemerkungen:
a) "Zorn und Zeit"(Sloterdjik)wird von der "Linken" viel zu wenig beachtet, bis heute bleibt vieles verdrängt. Sloti wird als Abtrünniger eingestuft ...mit den üblichen Folgen aus der Kaderbrille der Parteilinken ...
b) Nimm die Bundestagswahl nicht so wichtig.
c) Hartz IV, stimmt, ist wirklich knapp. Dennoch: Der eigentliche Skandal ist mehr die Spirale der organisierten Passivität und Gleichgültigkeit bis hin zum sozialen Tod. In Deutschland verhungert physisch niemand.
d)"Du scheinst aber offenbar sehr belesen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich ich mit Dir auf der gleichen kenntnisbezogenen Ebene diskutieren könnte."
Alles relativ, was glaubst du, was es wirklich schlaue Leute gibt, die keiner kennt. Das Potenzial einer "Gegenelite" wäre ausreichend vorhanden. Lass uns diskutieren, vergiß das mit den künstlichen kenntnisbezogenen Ebenen und Schranken.
f) Trotzalledem noch ein Tipp für den jungen engagierten poor on ruhr vom älteren: "Kotze weniger", ändert nämlich nichts, lies mehr. Zehntausend gute Bücher warten auf dich!
Gruß BW
Ein paar Bemerkungen:
a) "Zorn und Zeit"(Sloterdjik)wird von der "Linken" viel zu wenig beachtet, bis heute bleibt vieles verdrängt. Sloti wird als Abtrünniger eingestuft ...mit den üblichen Folgen aus der Kaderbrille der Parteilinken ...
b) Nimm die Bundestagswahl nicht so wichtig.
c) Hartz IV, stimmt, ist wirklich knapp. Dennoch: Der eigentliche Skandal ist mehr die Spirale der organisierten Passivität und Gleichgültigkeit bis hin zum sozialen Tod. In Deutschland verhungert physisch niemand.
d)"Du scheinst aber offenbar sehr belesen zu sein. Ich weiß nicht, ob ich ich mit Dir auf der gleichen kenntnisbezogenen Ebene diskutieren könnte."
Alles relativ, was glaubst du, was es wirklich schlaue Leute gibt, die keiner kennt. Das Potenzial einer "Gegenelite" wäre ausreichend vorhanden. Lass uns diskutieren, vergiß das mit den künstlichen kenntnisbezogenen Ebenen und Schranken.
f) Trotzalledem noch ein Tipp für den jungen engagierten poor on ruhr vom älteren: "Kotze weniger", ändert nämlich nichts, lies mehr. Zehntausend gute Bücher warten auf dich!
Gruß BW
doof.
Tessa, bitte zweimal entfernen.DAnke.
Lieber Bildungswirt,
Entschuldigung für die späte Antwort. Auch wenn es Dir darum vielleicht gar nicht geht, kann ich Dir nur sagen, dass Du einschließlich dem "kotzen" recht hast. Das sind alles wirklich sehr gute Hinweise. Vielen Dank für Deine tolle Antwort, die mich regelrecht berührt, auch wenn es bei der Diskussion eigentlich gar nicht um Gefühle sondern um Verstehen und Erkenntnisgewinn geht. Gerne würde ich mit den Möglichkeiten, die ich habe mit Dir diskutieren. :-)
Lieber Gruß por
Lieber Roberto J. De Lapuente,
mir ging das beim Lesen auch so. Vor allem ihre Erfahrungen bei Demonstrationen haben mich schockiert. Das darf doch nicht wahr sein, dass Leuten, die ein demokratisches Recht ausüben so zugesetzt wird und das die Demonstranten im Fernsehen so einseitig dargestellt werden. Vielen Dank für Deinen verständnisvollen Kommentar.
LG
por