Wie ein Mönch

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Über den breiten Asphaltflächen tief unter dem Einkaufszentrum im Herzen der Stadt leuchten Hundere von Neonröhren mit einem mässig starken kalten weissem Licht und grösser noch sind die dunklen Räume und die Ecken zu denen die Leuchtkraft dieser eigen Stäbe nicht mehr hin gelangt.

Schnellen Schrittes bewegen sich meist die Frauen durch diese dunkle Welt , die vielen gerade weiblichen Gemütern nicht so recht geheuer ist. Der Jan macht seine Reingungsrunde durch die Parkstrassen und sieht eine Frau, die nicht so recht in dieses Schema passt.

Sie ist wütend und schimpft furchtbar laut vor sich hin. Sie nähert sich diesem Punkt nahe am Ausgang und kommt dicht am Jan vorbei.

Der Ausdruck ihrer Augen hat etwas, was der Jan ganz klar als Hass deutet.

Sie schimpft irgend etwas von einem "Blag" , was in verständlichen Sinnzusammenhängen dem Jan fremd ist und geht wie ferngesteuert an ihm vorbei.

Der Jan setzt seine Reinigungsrunde fort.

Den Dreck weg machen, den andere meist achtlos auf den Boden geworfen haben.

Dabei ist die körperliche Bewegung während dieser Runde sowas wie einer der Höhepunkte in seiunem Arbeitstag.

Dabei kommen ihm frische Gedanken.

Er hatte mal was werden und aus sich machen wollen. Viel hatte er dafür auch an Lebenszeit investiert, doch die Rechnung war nicht richtig aufgegangen und jetzt war er hier.

Lerne viel , wurde ihm in der Kindheit gesagt und dabei un halb als Scherz auf Strassenfeger gedeutet.

Er hatte das getan und nun war er schon länger hier und schwang den Handbesen bei seiner Reinigungsrunde.

Wie ein Mönch oder manchmal auch -je nach Tageslaune- wie ein Strafgefangener kam er sich beim Fegen vor.

Das mit dem Strafgefangenen war an den Tagen, als er sich mehr als sonst dazu zwingen mussste, sich zu erheben und einfach seinen Job zu machen.

Seine Vorstellung mit dem Strafgefangenen passte auch zu seinem Liebesleben, aber da hätte er mittlerweile die lebenslängliche Freiheitsstrafe nun schon abgesessen und wäre nun schon seit ein paar Jahren inder Sicherungsverwahrung, aber dann holte er sich aus dieser Fantasie heraus, weil ihm klar war, dass es den Strafgefangenen weit schlimmer erging und es ein Hohn wäre diese seine Situation aus diese schreckliche namenlose Welt hinter Gittern zu übertragen, auch wenn so viele Jahre ohne Partnerin sicher auch einen Teil seiner Identität zerbrochen hatten, für den nichts neues entstanden war.

Es war eine Leere in der Erfahrung von der Liebe einer Partnerin die in seiner Seele die ganz einfach fehlte und so gut zu der Leere des Parkhauses am Morgen passte.

Am Anfang war er glücklich wie ein Schwein in der Kuhle über diesen neuen Job gewesen,aber mit der Zeit kehrte die Routine ein.

Das war gefährlich.

Mit einem sich Durchlavieren kommt man und frau heute wohl kaum noch irgendwo durch und schon gar nicht war der Jan der Typ, dem auf diese Art sein Alltag gelingen könnte.

Er würde dabei nur auffallen und dabei in das immer noch weit ungünstigere Hartz IV stürzen.

Das will der Jan nicht und geht weiter seine Reinigungsrunde.

Mit soclchen Gedanken im Kopf fegt der Jan besinnlich seinen Dreck in den Tragebehälter und hört die Frau von vorhin zuückommen.

Sie verschwindet hinter einer Parkbox in die der Jan nicht einsehen kann.

Aufeinmal ein lautes wütendes Stimmengewirr und Geräusche, die sich stark nach Schlägen anhören.

Das macht dem Jan Angst.

In seinem Kopf spult ein Film ab in dem die Stereotypen die Regie geführt haben.

Eine Frau mit einem Migrantenhintergrund in ihrer Ahnenreihe wird von ihrem Mann verprügelt, denkt Jan.

Schnell rennt er in sein Büro und holt sich den Elektrosschocker, der nicht mehr funktioniert und den er auf keinen Fall und natürlich auch nicht zum Schlagen einsetzen will.

Er braucht dieses Teil einfach als Mutmacher für sich.

Nun eilt er zu der Parkbox sieht ein gutbürgerlich sozialisiertes junges Paar mit unverkennbar südeuropäischen Wurzeln, sieht er.

Ein Baby wird aus dem Auto geholt.

Das ist ganz ruhig.

Armes Baby.

Wenn es stimmt , das Babies solche schlimmen Situationen schon was mitkriegen, woran der Jan keinen Zweifel hat, erlebt es jetzt gerade ein frühkindheitliches Trauma .

Noch ein schreiender Jan dazu, der nun als der "deutsche Held" und Frauenretter gebärdet, ist das Letzte, was dieses Baby jetzt braucht, zumal von den vermuteten Schlägen nichts mehr zu sehen ist, wenn diese vorhin überhaupt stattgefunden haben und es nicht doch nur eine Tür von diesem gebobenen Mittelklassewagen mit dem blauweissen Firmenlogo aus Süddeutschland war.

Auch die Kleidung der beiden Hauptpersonen dieser Hardcore-Version von Szenen einer Ehe sind viel besser angezogen als es der Jan in seinem Alltag normalerweise ist.

Nun kommt die Frau wieder auf den Ausgang zu, zu dessen Höhe der Jan nach dem erneuten Ausbrauch der Stimmen hingeeilt war.

Diesmal sieht derAusdruck im Gesicht der Frau ander aus.

Etwas von der Härte und dem Hass von vorhin sind noch immer da, aber nun ist vollständig erkenntlich das Antlitz der Verweiflung dazu gekommen.

Noch immer schimpft sie laut und geht wie ferngesteuert.

Ihr Blick geht eher nach unten als nach vorne.

Sie ist aber noch sehr, sehr wütend und Flüche kommen aus ihrem Mund.

Als sie schon knapp am Jan vorbei ist, fragt dieser fast schon eher kleinlaut, ob er helfen kann.

Die Frau geht weiter und blickt dem Jan nicht ins Gesicht, erwidert aber dabei, dass sie keine Hilfe bräuchte, aber der Mann, der da hinter ihr folgen würde.

So richtig überzeugt hat das den Jan nicht , aber er sieht in dieser Situation keine weiter Möglchkeit noch etwas zu tun.

Es folgt der Begleiter mit dem Kind.

Der Jan tippt darauf, dass es ihr Ehemann ist.

Der sieht zu ihm in einer Mischung aus Äger und Unsicherheit zu ihm herüber.

Bei der kleinwüchsigen Statue des Mannes ist sich der Jan aufeinmal gar nicht mehr so sicher, sofern es überhaupt Schläge gab, wer wen geschlagen hat?

Wie ein Mönch setzt der Jan seine Reinigungsrunde fort mit diesem Erlebnis im Kopf, dass ihn an diesem Arbeitstag noch lange beschäftigen wird.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

poor on ruhr

Vielseitiger interessierter Arbeiter und ziemlich stark in die in die in aller Welt bekannten Pandabären vernarrt. 🐼

poor on ruhr

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden