Vom Manta zum Mokka: „Manta, Manta: Zwoter Teil“ ist der Film zur Lage der Nation
Kino So stolz wie Berti einst den Fuchsschwanz stellt sich jetzt Til Schweiger selbst zur Schau. Und trotz flacher Witze ist „Manta, Manta: Zwo“ sehenswert, als Zeitzeugnis, als Illustration deutscher Verhältnisse
Tina Ruland und Til Schweiger in „Manta, Manta“ (1991)
Foto: Imago/Allstar
Ein vergessener Fuchsschwanz rollt über eine Landstraße. Berti (Til Schweiger) sitzt auf einem Fahrrad, umkurvt den Mittelstreifen im Slalom und macht dazu Motorgeräusche. Das erste Auto, das in Manta Manta: Zwoter Teil auftaucht, ist gleich darauf ein VW mit einem asozialen Snob am Steuer. Berti aber fährt weiter Rad. Einen kurzen Moment lang scheint die Mobilitätswende den Ton vorzugeben. Für die Fortsetzung von Manta, Manta, der den motorisierten Individualverkehr vor über 30 Jahren einmal mehr zum Kult(urgut) erhob, wäre das sensationell. Doch natürlich kommt alles anders, wie immer, mehr oder weniger. Es ist kompliziert.
Das könnte auch daran liegen, dass Til Schweiger nun neben der Hauptrolle nicht nur die Regie übernommen, sonder
egie übernommen, sondern auch das Drehbuch aus den Beiträgen von nicht weniger als sieben Autoren kompiliert hat. In der Folge wirkt Manta, Manta: Zwo oft widersprüchlich, vielleicht will er es auch möglichst vielen irgendwie recht machen. Es gibt keine Witze über Tempolimits oder E-Autos, trotzdem steuert die ganze Geschichte wieder auf einen Wettkampf der PS-Stärken zu. Im Cast wurde auf zeitgemäße Diversität geachtet. Die größte Anzahl flacher Gags geht aber erneut auf Kosten von Bertis altem Kumpel Klausi (Michael Kessler), der schließlich, als wär’s eine Entschädigung fürs unausgesetzte IQ-Shaming, das Herz der 22 Jahre jüngeren Siri (Nilam Farrooq) erobern darf. Merkwürdig zerrissen wirkt auch Bertis Tochter Mücke (Luna Schweiger), die mal als oberflächliches Instagram-Girl auftritt, dann wieder als bodenständige Kfz-Mechanikerin. Trotzdem ist Manta, Manta: Zwo sehenswert, als Zeitzeugnis, als Illustration deutscher Verhältnisse, im Blick zurück.Das Sachsen des Westens1991 war das Jahr, in dem gleich drei deutsche Filme über Kfz die Kinos füllten. Die Leidenschaft für Autos und der Hang, sich über die Haltung zu bestimmten Marken in Gruppen zusammenzuschließen, wurden zum Indiz einer wahren inneren Einheit. Den Anfang machten damals Go Trabi Go und Manta: Der Film. Bei beiden führte Peter Timm Regie, der 1973 wegen „staatsfeindlicher Hetze“ aus der DDR ausgewiesen worden war. Manta, Manta vom Lüdenscheider Regisseur Wolfgang Büld kam im Oktober in die Kinos. Alle drei Filme erreichten jeweils ein Millionenpublikum. Während Go Trabi Go vom Roadtrip einer Familie aus dem gern bespöttelten Sachsen erzählte, fungierte in den Manta-Filmen das Ruhrgebiet als Sachsen des Westens. Statt „Gucke mal!“ sagte man: „Boah, ey!“Hier wie dort war das Leben vom Strukturwandel bestimmt. Während Wolfgang Stumph den Goethe lesenden Bildungsbürger aus dem ehemaligen Arbeiter-und-Bauern-Staat gab, balancierte man zwischen Dortmund und Hagen auf dem schmalen Grad zwischen Arbeiterstolz und Proletenbashing. Selbstredend und wohl auch nur halbironisch war es dem Manta vorbehalten, von der Kamera als Fetisch ins Bild gesetzt zu werden: Da gab es in Nahaufnahmen Felgen, Heckspoiler und Seitenschweller zu bestaunen, bis die Karosserie erzitterte – und es dreckig aus dem Auspuff spritzte.Manta: Der Film wirkte bei all dem authentischer, war adäquat besetzt und wartete mit der interessanteren Geschichte auf: Manni, ein 17-jähriger Lehrling, träumt von einem Golf GTI, gerät aber durch ein Gewinnspiel in den Besitz eines aufgemotzten Mantas. Fortan kämpft er nicht nur um seine peinlich berührte Freundin, sondern auch mit dem Klassenbewusstsein seiner eigenen Peergroup. Manta, Manta, eine Produktion von Bernd Eichinger, hatte die beeindruckenderen Verfolgungsfahrten und mit Til Schweiger einen Hauptdarsteller, der wohl auch aufgrund seines unbekümmerten Overactings zum Sympathieträger und Shooting Star avancierte. Selbstzweifel waren seiner Figur fern. Im Gegenteil: Berti, der stolze Besitzer eines getunten Mantas in schrillen Farben, fordert einen arroganten Mercedes-Fahrer zum illegalen Rennen auf. Er setzt die ersparten 5.000 DM auf Sieg, die eigentlich den Umzug in die erste gemeinsam Wohnung mit Freundin Uschi (Tina Ruland) finanzieren sollten. Die ist sauer und macht einem Club-Besitzer mit Ferrari schöne Augen. Berti lässt seinen Manta tunen und kann am Ende, nach dem spektakulären Rennen durch ein verfallenes Fabrikgelände, wieder seine Uschi küssen – zu den Klängen von Wind of Change.Eingebetteter MedieninhaltObwohl Manta, Manta im Kino nicht erfolgreicher lief als Manta: Der Film und Go Trabi Go, ist es dem Eichinger-Film gelungen, sich nachhaltig ins popkulturelle Gedächtnis einzuschreiben – und einen Platz im Bonner Haus der Geschichte einzunehmen, 2016, im Rahmen der Ausstellung Geliebt – Gebraucht – Gehasst. Die Deutschen und ihre Autos. Nun, gleich zu Beginn von Manta, Manta: Zwo erklingt Wind of Change erneut. Das passt diesmal tatsächlich, denn der Wandel ist das eigentliche Thema des Films. Berti hat eine Karriere als Rennfahrer nach einem Unfall an den Nagel gehängt und betreibt seitdem eine Autowerkstatt. Uschi (erneut Tina Ruland) und er sind längst getrennt. Tochter Mücke wohnt bei ihm. Sohn Daniel (Tim Oliver Schultz) soll eigentlich das Abitur nachmachen, bemüht sich aber vor allem, mit dem Lebensstandard seiner Freundin Schritt zu halten. Auch Berti lebt offenbar über seine Verhältnisse. Ihm droht die Pleite, es sei denn, er gewinnt das anstehende Classic-Car-Rennen am Bilster Berg.Man könnte sagen, Manta, Manta ist erwachsen geworden, der jugendliche Esprit ist existenzielleren Problemen gewichen. An die Stelle einer quietschbunten 80er-Retro-Welt, in der man noch Autoersatzteile in einem Shop namens Damen & Wagen kaufen konnte, ist die aufgehübschte Sepia-Ästhetik getreten, die man nicht nur aus Schweiger-Filmen, sondern auch aus Männermagazinen wie Beef kennt. Immerhin: Auch heute spritzt es noch aus dem Auspuff. Und tiefe Ausschnitte leistet sich Schweiger selbst: Er trägt seinen roten Mechaniker-Overall auffallend offen – ob aus Stolz auf seine gegerbte Brust oder als ironische Reminiszenz an die Badeanzüge der Serie Baywatch – wer weiß?Die Quintessenz von Schweigers KinoFilmerzählung und Schweigers persönliche Geschichte scheinen sich hier immer wieder ineinander zu verwirren. So wie die Klischeefigur des Manta-Fahrers einst den Fuchsschwanz an die Autoantenne band und den Ellenbogen aus dem offenen Seitenfenster streckte, so stolz stellt Schweiger sich und seinen Status zur Schau. Es gibt so viele prominent besetzte Gastrollen und Cameo-Auftritte, dass die meisten erst während des Abspanns zur Geltung kommen. Unverblümt wirbt der Film für große Marken. Die wirklich atemberaubend inszenierten Unfälle beim abschließenden Rennen sind reines Augenfutter und kosten der eigentlichen Geschichte jeden Rest von Glaubwürdigkeit. Egal.Placeholder image-1Worum es wirklich geht, bringt eine Szene auf den Punkt, in der sich Berti auf fast magische Weise in den Filmemacher Schweiger verwandelt. In Daniels Abendschule sollen die Eltern der Abi-Nachzügler ihre Berufe vorstellen. Zunächst protzt ein Business-Typ mit seinen Bilanzen. Dann übernimmt Berti und erzählt nicht etwa von seiner Zeit als Rennfahrer oder seiner Werkstatt. Er fordert alle Anwesenden auf, die Augen zu schließen, und spricht dann mit erhabenem Pathos von seinem Auto, vom Fahrtwind und der großen Freiheit auf leeren Straßen. Damit zitiert Schweiger auch jene Sätze, die Berti vor drei Jahrzehnten noch völlig unbedarft in das Mikro einer Radioreporterin sprach. Damals machte sich der junge Mann mit seinen ehrlichen Emotionen zum Gespött. Heute sind sie so etwas wie die Quintessenz von Schweigers Kino, und die Eltern der Abendschule schließen stellvertretend für sein Millionenpublikum ergeben die Augen.Hätte Schweiger statt Selbstinszenierung ernsthaft die Geschichte seines ersten großen Filmerfolgs in die Gegenwart übersetzen wollen, hätte auffallen müssen, dass all das unverhältnismäßig Aufgemotzte, das man vor 30 Jahren noch dem Opel Manta vorhielt, längst im breiten Mainstream gelandet ist, in Form des SUVs. Bei Schweiger fährt nur Uschi einen, genau genommen einen Opel Mokka B. Im letzten Jahr waren vierzig Prozent der in Deutschland neu zugelassen Wagen SUV-Modelle. Anfang der 90er betrug der Manta-Anteil auf hiesigen Straßen gerade mal zwei Prozent. Man stelle sich vor, heute würde eine Produktion wie SUV: Der Film ins Kino kommen, die mit den Macken und Eitelkeiten der gemeinen Sport-Utility-Vehicle-NutzerInnen so ironisch umginge, wie sich einst die Manta-Filme all die Mannis und Bertis und Tinas und Uschis vornahmen. Stünde Deutschland einig Autoland dann doch wieder vor der Spaltung?