So hatte die UNO 1947 nicht gewettet

Antisemitismus und Islam Die UNO-Resolution 181 von 1947 - die völkerrechtliche conditio sine qua non für die Anerkennung Israels, ihr Kern die Schaffung einer „Palästinischen Wirtschaftsunion“

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Der arte-Film „Auserwählt und ausgegrenzt - Der Hass auf Juden in Europa“ über den heutigen Antisemitismus erregt die Gemüter und stößt sogar in Teilen der Official-Mind-Medien auf deutliche Kritik. Der israelische Historiker Moshe Zimmermann etwa bemängelt, der Film identifiziere kurzschlüssig Antisemitismus mit Israelkritik und sei mehr „Propaganda als Dokumentation“ (am 27.06.2017 im Interview mit der taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina, Susanne Knaus). „Wenn sich jemand gegen die israelische Regierung stellt, wie im April Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, dann wird er sofort als Antisemit gebrandmarkt.“, so Zimmermann. Auch Shimon Stein zufolge, von 2001 bis 2007 Botschafter Israels in Deutschland, verwechselten die Film-Autoren „Israelkritik und Judenfeindlichkeit“ und verfehlten damit „das eigentliche Problem: den klassischen Antisemitismus.„Dieser Feind steht rechts“ und nicht originär „bei Arabern, Muslimen und Linken (in Europa wie auch in Israel)“, wie im Film behauptet. Er beginne mit dem Totschlagargument, den Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas umstandslos mit Julius Streicher in einen Topf zu werfen, und laufe auf den geschichtsverzerrenden Etikettenschwindel hinaus, die Wurzeln des klassischen Antisemitismus nicht in Europa sondern im Islam zu suchen: „Die Tatsache, dass Antisemitismus unter Arabern und Muslimen in Europa durchaus verbreitet ist, bestätigen auch repräsentative Meinungsumfragen. Doch die Frage müsste ja lauten: Wie konnte es dazu kommen? In der Vergangenheit waren muslimische Gesellschaften gegenüber Juden in der Regel ja toleranter als die christlichen Gemeinschaften. Was führte also zur Wende?“. Die Antwort auf diese alles entscheidende Frage bleibe der Film schuldig („Die Zeit“, 26.06.2017)

Der Kern einer solchen Debatte ist demnach nicht religiöser oder gar rassistischer Natur, wie der Film suggeriert, sondern politischer, insofern er auf dessen Ausgangspunkt zielt, den blutigen Konflikt des Staates Israel mit den Palästinensern. Dessen Lösung scheint letztlich nur durch die völkerrechtliche Anerkennung eines souveränen Arabischen Staates auf dem Territorium des früheren Mandatsgebietes Palästina und der Selbstbestimmung der arabischen Palästinenser möglich zu sein. Dies, und nur dies, entspräche dem Geist und den Buchstaben der Resolution 181 (II) der UN-Generalversammlung vom 29. November 1947, die bekanntlich beschloß, „in Palästina (solle) ein unabhängiger arabischer Staat und ein unabhängiger jüdischer Staat sowie das in Teil III dieses Plans vorgesehene internationale Sonderregime fuür die Stadt Jerusalem“ entstehen. Integraler Bestandteil und notwendige Implikation dieses Planes war bekanntlich die Schaffung einer „Palästinischen Wirtschaftsunion“, deren Ziel es war, „im gemeinsamen Interesse und auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung, eine Zollunion und ein gemeinsames Währungssystem mit einem einzigen Wechselkurs“ zu schaffen sowie „den Betrieb von Eisenbahnen, Straßenverbindungen zwischen den Staaten, Post- und Fernmeldediensten sowie von Häfen und Flughäfen“ einzubeziehen. Dadurch sollte ferner die „gemeinsame wirtschaftliche Entwicklung, insbesondere hinsichtlich Bewässerung, Landgewinnung und Bodenerhaltung“ und der „Zugang beider Staaten und der Stadt Jerusalem zu Wasser und Energiequellen auf der Grundlage der Nichtdiskriminierung“ gewährleistet werden. „Die in der Erklärung enthaltenen Bestimmungen (sollten) als Grundgesetze des Staates anerkannt (werden). Gesetze oder sonstige Vorschriften oder Amtshandlungen duürfen zu diesen Bestimmungen nicht im Widerspruch stehen oder sie beeinträchtigen noch vor ihnen Vorrang haben.“

In der Resolution wird der Sicherheitsrat aufgefordert, „jeden Versuch, die in dieser Resolution vorgesehene Regelung gewaltsam zu ändern, als eine Bedrohung oder einen Bruch des Friedens oder eine Angriffshandlung, gemäß Artikel 39 der Charta“ zu betrachten. Die fortdauernde Annexions- und Okkupationspolitik der israelischen Regierung dürfte diesen Tatbestand hinreichend erfüllen.

Wenn diese UNO-Resolution die völkerrechtliche conditio sine qua non für die Errichtung des jüdischen Staates von Palästina bildet, dann sind es deren Bestimmungen folglich auch für dessen gesicherte Fortexistenz. Es wäre also im existenziellen Interesse Israels selbst, diese Resolution einschränkungslos zu respektieren und insbesondere auf der Grundlage der Zweistaaten-Lösung in den 1947 fixierten Grenzen eine Wirtschafts- und Währungsunion zu schaffen, um auch den arabischen Palästinensern endlich eine gleichberechtigte und diskriminierungsfreie sozial-ökonomische Perspektive zu eröffnen. Ohne eine solche Perspektive wird auf Dauer die sichere Existenz von Israel, des jüdischen Staates von Palästina im Sinne der UNO-Resolution 181, nicht zu gewährleisten sein. Eines scheint evident: So hatte die UNO-Vollversammlung damals nicht gewettet. Eine Situation, wie sie heute im einstigen Mandatsgebiet Palästina herrscht, hätte niemals ihre Zustimmung gefunden. „It‘s ecomomic, stupid!“

Ein deutliches Signal der deutschen Politik in dieser Hinsicht ist nicht zuletzt angesichts der besonderen historischen Schuld Deutschlands gegenüber dem jüdischen Volk geboten. In diesem Sinne verdient daher die vom derzeitigen israelischen Regierungschef Netanjahu inkriminierte Geste von Außenminister Sigmar Gabriel gegenüber regierungskritischen NGOs bei seinem Antrittsbesuch in Israel nur einschränkungslose Zustimmung.

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