Kritischer Diskurs statt Leitzordner-Monologe

Bundestagswahl Martin Schulz profiliert sich als Totengräber der SPD. Die SPD braucht eine Erneuerung. Ob diese mit einem Oppositionsführer Schulz möglich ist, ist fraglich

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Keine Zeit für Martin
Keine Zeit für Martin

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Natürlich – Angela Merkel ist schuld. Wenn sie Martin Schulz häufiger zum Spitzenkandidaten-Duett aufgefordert hätte, hätte jeder gemerkt, dass in Wahrheit der SPD-Platzhirsch der Führende bei diesem Tanzpaar ist.

Dass die SPD schon wieder einen Mensch gewordenen Leitzordner ins Rennen geschickt hat, der sich wie ein Gorilla in der Brunstzeit gebärdet, hatte natürlich keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis. Dass der Putin-Büttel und Hartz-IV-Initiator Gerhard Schröder sich auf dem Parteitag als Garant für soziale Gerechtigkeit inszenieren durfte – geschenkt. Dass der vermeintliche Heilsbringer der SPD mit der populistischen (weil: unrealistischen) Forderung nach einem Abbruch der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei versucht hat, die CSU rechts zu überholen – wahrscheinlich eine taktische Meisterleistung.

Als Präsident des Europaparlaments hat Martin Schulz die Abgeordneten zu Abnickern für Beschlüsse degradiert, die er zuvor mit Europäischer Kommission und Europarat ausgekungelt hatte. So jemand sieht sich natürlich zum Dirigenten berufen und empfindet es als unerträgliche Fehlbesetzung, wenn er in einem Kabinett die zweite Geige zu spielen hat. Wenn er schon nicht der Führer aller Deutschen sein kann, will er wenigstens Oppositionsführer sein.

Und was sagt die SPD dazu? – Falsche Frage. Die Partei hat all das nicht zu interessieren. Sie benimmt sich wie eine Mannschaft, die soeben die Saison mit null Punkten beendet hat – und dann schweigt, wenn ihr Trainer, Tränen der Rührung über die eigene Treue und Opferbereitschaft in der Stimme, sich hinstellt und verkündet, er werde der Mannschaft selbstverständlich auch in der zweiten Liga erhalten bleiben.

Martin Schulz genügt es offenbar nicht, sich als Totengräber der SPD zu profilieren – er möchte auch noch die Gruft ausgestalten. Wenn man das als staatspolitische Verantwortung verkauft, stellt sich die Frage, wer da eigentlich spricht: Vielleicht der neoliberale Flügel von CDU und FDP, wo man froh ist, endlich die sozialdemokratische Gewissenspolizei abschütteln zu können? Oder vielleicht die Möchtegern-Kosmopoliten der FDP, die ohnehin der Meinung sind, dass das Auswärtige Amt ein Erbhof ihrer Partei ist? Die Grünen, die nur darauf warten, ihren Dosenpfand-Dschihadismus auf die Windkraft zu übertragen, um dieses Land endgültig in eine Betonwüste zu verwandeln?

Nein, von staatspolitischer Verantwortung würde es zeugen, wenn man, nachdem man der SPD ein Wahldesaster historischen Ausmaßes beschert hat, Demut zeigen und im offenen Dialog mit anderen Ursachenforschung betreiben würde. Wenn man nicht dem politischen Gegner die Schuld für das eigene Scheitern geben würde. Wenn man sich endlich für einen anderen politischen Stil, eine andere Politikkultur öffnen würde, die an die Stelle der Leitzordner-Monologe einen kritischen, demokratischen Diskurs setzen würde.

Wenn man genauer hinschaut, sind hinter den Rücken der Alphatiere in der SPD eine Reihe von Politikern und insbesondere Politikerinnen zu erkennen, die einen solchen Paradigmenwechsel ermöglichen könnten. Und es ist ihnen durchaus zuzutrauen, diesen im Rahmen von Regierungsverantwortung einzuleiten. Denn dann könnten sie unmittelbar beweisen, dass sie das Neue nicht nur herbeizureden, sondern es auch zu gestalten in der Lage sind.

Und die AfD? Ja, es ist ein Schandfleck für uns alle, dass sie sich nun derart im deutschen Bundestag breitmachen darf. Andererseits wird uns, die wir uns immer so gerne als Bewältigungsweltmeister feiern, so auch endlich mal ein Spiegel vorgehalten. Denn die AfD ist ja nur ein Symptom für den faschistoiden Bodensatz, den es noch immer in unserer Gesellschaft gibt. Brennende Asylbewerberheime hat es schon lange vor der AfD gegeben. Und das Asylrecht wird auch nicht erst immer weiter eingeschränkt, seit hierzulande wieder offen gegen Ausländer gehetzt wird.

Man kann die AfD demzufolge auch nicht bekämpfen, indem man ihre Positionen übernimmt. Man kann sie nicht bekämpfen, indem man ihr die Rolle der Oppositionsführerin streitig macht. Man bekämpft sie, indem man ganz dezidiert eine menschenrechtsbasierte Politik macht. Und dies ist nun einmal an den Schalthebeln der Regierung viel leichter möglich als von der Oppositionsbank aus.

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Geschrieben von

Rotherbaron

Autor, Blogger. Themen: Politik, Gesellschaft, Natur und Umwelt, Literatur, Kultur. Seiten: rotherbaron.com; literaturplanetonline.com

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