Welche Farbe hat Identität?

Rassendebatte Geboren wurde die US-Bürgerrechtsaktivistin Rachel Dolezal "biologisch" gesehen als weiße Frau. Sie erklärt aber, sich als Schwarze zu fühlen. Warum auch nicht?

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Foto: Unsplash / CC0 Public Domain

Seit letzter Woche sorgt der Fall der 37-jährigen US-Amerikanerin Rachel Dolezal für Diskussionsstoff. Die Dozentin und Künstlerin ist als schwarze Bürgerrechtlerin tätig. Nun haben aber ihre Eltern angegeben, sie sei weiß und ihre Vorfahren stammen aus Deutschland, Schweden und Tschechien. In den Medien wurden auch umgehend Kinderfotos veröffentlicht, auf denen sie als blondes und hellhäutiges Madchen zu sehen ist. Wie dem auch sei, Dolezal versteht sich dennoch als Schwarze. Wie kann das sein?

Wir und die Anderen

Der jamaikanische Soziologe und Begründer der Cultural Studies Stuart Hall schrieb einmal, dass Identität stets "durch das Nadelöhr des Anderen" gehen muss, bevor sie sich selbst konstruieren kann. Das heißt, das Ich ist eingeschrieben in den Blick des Anderen. Zum Problem wird das allerdings, wenn keine Wechselseitigkeit in Perspektive und Wahrnehmung besteht, wenn das "Wir" nicht in Verhältnis zu den "Anderen" gesetzt wird. Wenn Kategorien wie Nation, Klasse, Geschlecht oder Radde zu Spaltungsgründen werden, die die Welt in ein Innen und Außen teilen.

Rassen sind soziale Konstruktionen

Wir sind schnell dabei, uns abzugrenzen und meinen zu wissen, was uns von den Anderen unterscheidet. Einen Türken, einen Araber oder eben einen Schwarzen erkennen wir allzu schnell als solchen, ohne uns bewusst zu sein, dass die mutmaßlich natürlichen Unterschiede das Ergebnis kulturell tief verankerter Zuschreibungspraktiken ist. Ebenso wie Nationen sind auch Rassen soziale Konstruktionen und keineswegs biologische Fakten. "Es handelt sich nicht um die Pigmentierung der natürlichen, sondern um die Farbgebung einer sozialen Haut" schreibt Wulf Hund in seinem Werk "Rassismus. Die soziale Konstruktion natürlicher Ungleichheit".

Wir sind bunt - nicht schwarz oder weiß

Dolezal ist jetzt nicht der erste Fall einer Schwarzen mit weißer Haut, wenn man Hautfarbe nicht selbst als Konstruktion betrachten will. Auch Michael Jackson, der als schwarzer Amerikaner sozialisiert wurde, verstand sich noch als Schwarzer, als seine Haut nach mehreren Operationen bereits aufgehellt war. Die Einteilung in schwarz und weiß ist so alt wie falsch. Selbst wenn man tatsächliche Eigenschaften wie die Farbe der Haut betrachtet, sollte einem schnell klar werden, dass es lediglich unendlich viele Nuancierungen von Farbtönen gibt und keineswegs Schwarze, Weiße, Gelbe und Rote.

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Geschrieben von

Sandro Abbate

Alltagshermeneut | Freier Autor | Kulturwissenschaftler | Blogger | novelero.de

Sandro Abbate

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